Dr. Ursula Lenzen / Dr. Jens Kleinert

Der Entwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG)

I. Vorbemerkung

Der im Januar 2004 vorgelegte "Entwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG)" ist ein weiterer wesentlicher Schritt zur Umsetzung der Vorschläge der Regierungskommission Corporate Governance, mit dem zugleich ein wichtiger Punkt des 10-Punkte-Programms der Bundesregierung zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes v. 25.2.2003 verwirklicht wird. Die im Aktienrecht vorgesehenen Neuerungen betreffen vor allem die Regelung der Innenhaftung der Organe sowie den Bereich des Anfechtungsrechts. Daneben sind Änderungen in Bezug auf die Vorbereitung und Durchführung von Hauptversammlungen vorgesehen. Das Gesetz soll zum 1.1.2005 in Kraft treten.

II. Die wesentlichen Neuregelungen im Überblick

1. Änderungen des Organhaftungsrechts

Um die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ihre Organe durch eine Aktionärsminderheit zu erleichtern, sieht § 147a AktG i.d.F. des Entwurfs vor, daß Aktionäre, deren Anteile im Zeitpunkt der Antragstellung zusammen 1 % des Grundkapitals oder einen Börsenwert von 100.000 Euro erreichen, den Anspruch der Gesellschaft (im eigenen Namen) einklagen können.

Um rechtsmißbräuchliche und unberechtigte Klagen zu vermeiden, werden Begrenzungen in zweierlei Hinsicht eingeführt.

  1. Zum einen wird die Klage gefiltert durch ein gerichtliches Zulassungsverfahren. Das Gericht läßt die Klage zu, wenn
  1. die Aktionäre die Aktien schon länger halten, als sie Kenntnis von den behaupteten Pflichtverstößen haben,
  2. sie die Gesellschaft vergeblich aufgefordert haben, selbst Klage zu erheben,
  3. Tatsachen vorliegen, die den Verdacht rechtfertigen, daß der Gesellschaft durch Unredlichkeit oder grobe Pflichtverletzung ein Schaden entstanden ist, und
  4. keine überwiegenden Gründe des Gesellschaftswohls entgegenstehen.

Eine Nebenintervention, also das Trittbrettfahren weiterer Aktionäre, nachdem eine Klage schon zugelassen ist, ist hinsichtlich dieser Schadensersatzklage ausdrücklich ausgeschlossen. Ist die Klage einmal zugelassen, trägt die Gesellschaft die Kosten des weiteren Verfahrens, und die Kläger bekommen die Kosten des Zulassungsverfahrens von der Gesellschaft erstattet. Damit Kleinaktionäre zum Erreichen dieser und anderer gesetzlicher Quoren Mitstreiter finden können, sieht der Entwurf die Schaffung eines Aktionärsforums im elektronischen Bundesanzeiger vor. Wird der Haftungsprozeß in anderer Weise als durch rechtskräftiges Urteil beendet, hat der Vorstand die Verfahrensbeendigung unverzüglich in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen. Gleiches gilt für Vereinbarungen, die zur Vermeidung eines Prozesses geschlossen werden.

Als weiteres Gegengewicht zur Erleichterung der Haftungsklage soll in § 93 AktG die "Business Judgment Rule" übernommen werden. Nach einem neuen § 93 Abs. 1 S. 2 AktG soll eine Pflichtverletzung nicht vorliegen, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung ohne grobe Fahrlässigkeit annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Hierdurch soll ein Haftungsfreiraum für unternehmerische Entscheidungen, die nach bestem Wissen und Gewissen getroffen worden sind, geschaffen werden. Es soll klargestellt werden, daß eine Erfolgshaftung der Organmitglieder gegenüber der Gesellschaft ausscheidet. Die amtliche Begründung enthält eine ausführliche Begründung dieser Regelung.

Das abgesenkte Quorum von 1 % Kapitalanteil oder 100.000 Euro Börsenwert wird auch für die Einleitung einer Sonderprüfung eingeführt, die häufig erforderlich ist, um die Tatsachen für eine spätere Haftungsklage erst aufzudecken. Zusätzliche Voraussetzung für die Einleitung einer Sonderprüfung ist jedoch, daß Tatsachen vorliegen, die den Verdacht rechtfertigen, daß Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung vorgekommen sind.

2. Neuregelung der Vorschriften zur Anfechtungsklage gegen Beschlüsse der Hauptversammlung

Das Kernstück der Neuregelung stellt die Einführung eines am Vorbild des § 16 UmwG orientierten Freigabeverfahrens für Hauptversammlungsbeschlüsse über Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und der Kapitalherabsetzung sowie über Unternehmensverträge dar. Wird Anfechtungsklage gegen einen eine solche Maßnahme betreffenden Hauptversammlungsbeschluß eingelegt, kann die Gesellschaft beim Gericht in einem Eilverfahren beantragen, daß der Beschluß trotzdem in das Handelsregister eingetragen wird und ausgeführt werden kann. Dem Antrag kann nur stattgegeben werden, wenn die Klage unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist oder das Vollzugsinteresse der Gesellschaft gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Anfechtungsklägers vorrangig erscheint. Die Freigabe durch das Gericht, die Bindungswirkung gegenüber dem Registerrichter entfalten soll, ist mit Bestandssicherungswirkung ausgestattet: Verfügt das Gericht die Eintragung des Beschlusses, so muß seine Umsetzung nicht rückgängig gemacht werden, selbst wenn der Anfechtungskläger später im Hauptverfahren Recht bekommt. Der Anfechtungskläger erhält dann nur noch Schadensersatz, der sich in der Regel auf die ihm entstandenen Prozeßkosten beschränken wird.

Durch einen Verweis in § 249 Abs. 1 AktG wird klargestellt, daß das neue Freigabeverfahren sowohl für Anfechtungsklagen als auch für Nichtigkeitsklagen gelten soll.

Wird der Prozeß in anderer Weise als durch rechtskräftiges Urteil beendet oder wird eine Vereinbarung zur Vermeidung des Prozesses geschlossen, so hat der Vorstand dies unverzüglich in den Geschäftsblättern bekannt zu machen.

Geht es um Bewertungsfragen, ist statt der Anfechtungsklage nur noch ein gerichtliches Spruchverfahren möglich, das die Unternehmensführung nicht lahm legen kann.

3. Änderungen im Bereich der Vorbereitung und Durchführung von Hauptversammlungen

Bisher spricht das Gesetz in § 123 Abs. 1 S. 1 AktG davon, daß, sofern die Satzung es bestimmt, ein Aktionär, der seine Rechte in der Hauptversammlung ausüben möchte, dazu seine Aktien zu "hinterlegen" habe. Aufgrund der Tatsache, daß es heute meist nur noch Globalurkunden gibt und die Aktionäre über keine verbrieften Stücke mehr verfügen, soll diese überholte Möglichkeit eines satzungsmäßigen Hinterlegungserfordernisses abgeschafft werden. Künftig soll die Satzung die Teilnahme an der Hauptversammlung oder die Ausübung des Stimmrechts nur noch davon abhängig machen können, daß die Aktionäre sich vor der Versammlung anmelden. Bei Inhaberaktien soll die Satzung zusätzlich bestimmen können, wie die Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung oder zur Ausübung des Stimmrechts nachzuweisen ist. Der Nachweis des depotführenden Kreditinstituts soll hierfür in jedem Fall ausreichen.

Zusätzlich soll ein Nachweis-Stichtag sieben Tage vor der Hauptversammlung eingeführt werden. Das bedeutet, daß derjenige, der sich zu diesem Datum ordnungsgemäß angemeldet hat, als legitimiert gilt, auch wenn er die Aktien danach noch veräußern sollte.

Im Hinblick auf die Durchführung der Hauptversammlung selbst ist vorgesehen, daß der Versammlungsleiter künftig neben Redezeitbegrenzungen auch angemessene Fragezeitbegrenzungen festlegen können soll. Darüber hinaus soll das Auskunftsrecht des Aktionärs in der Hauptversammlung in den Fällen beschränkt werden, in denen die begehrte Information vor Beginn der Hauptversammlung über die Internetseite der Gesellschaft verfügbar war und während der Hauptversammlung zugänglich ist. Schließlich soll die Satzung oder die Geschäftsordnung den Vorstand ermächtigen können, in der Einberufung der Hauptversammlung für einzelne Tagesordnungspunkte Fragen in Textform zuzulassen. Dies soll u.a. die Einstellung und Beantwortung von "frequently asked questions" auf der Internetseite der Gesellschaft ermöglichen, die dann in der Hauptversammlung nicht mehr beantwortet zu werden brauchen.

III. Stellungnahme

Zu begrüßen sind insbesondere die vorgesehenen Neuregelungen zur Vorbereitung und Einführung der Hauptversammlung: Durch die Aufhebung der Möglichkeit eines satzungsmäßigen Hinterlegungserfordernisses für die Teilnahme an der Hauptversammlung ist zu erwarten, daß künftig Fonds und ausländische Investoren ihre Teilnahme- und Stimmrechte verstärkt wahrnehmen werden, die hierauf bisher aus Furcht vor einer Sperrung der Aktien häufig verzichtet haben. Die Neuregelungen zur Durchführung der Hauptversammlung, insbesondere die zeitliche Einschränkung des Fragerechts scheinen geeignet, die Möglichkeiten des Mißbrauchs des Fragerechts zur Provozierung von Fehlern zumindest einzudämmen und darüber hinaus die Teilnahme an der Hauptversammlung durch Entlastung von Standardfragen und Vortrag von Statistiken etc. attraktiver zu machen.

Grundsätzlich positiv zu bewerten ist auch die neue Regelung der Rechte der Minderheit zur Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen Organmitglieder. Aufgrund der bisher erforderlichen Quoren war die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen durch Minderheitsaktionäre äußerst schwierig, zumal es praktisch kaum möglich war, Gleichgesinnte zur Erreichung des Quorums zu finden. Dem durch die Neuregelung gestiegenen Mißbrauchsrisiko wird durch das vorgesehene gerichtliche Zulassungsverfahren entgegengewirkt.

Bedenklich scheinen dagegen einige der vorgesehenen Kostentragungsregelungen. Dies gilt insbesondere für § 147a Abs. 6 des Entwurfs: Überzeugende Gründe, warum die Gesellschaft auch bei einem Erfolg im Hauptsacheverfahren die Kosten des gesamten Verfahrens tragen soll, nur weil der Kläger im vorgeschalteten Zulassungsverfahren obsiegt hat, sind nicht ersichtlich.

 

* Dr. Ursula Lenzen ist als Rechtsanwältin bei Schmalz Rechtsanwälte in Frankfurt a. M. tätig; Dr. Jens Kleinert ist Rechtsanwalt und in der Steuerabteilung der KPMG Hamburg sowie als Lehrbeauftragter an der Fern-Hochschule Hamburg (FHH) tätig.


Zurück