Dr. Matthias Hohlfeld
Rechtsanwalt, Bonn*

Verjährungsregelung im GmbH-Recht nach der Schuldrechtsreform – alles unklar?

Durch das am 1.1.2002 in Kraft getretene "Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001" sind in einem zentralen Punkt die verjährungsrechtlichen Vorschriften des BGB neu geregelt worden. Wesentliche Motive des Gesetzgebers zur Änderung der verjährungsrechtlichen Vorschriften waren zahlreiche Brüche in der Systematik, vielfältige Verjährungsformen (zwischen 6 Wochen und 30 Jahren) sowie praktische Schwierigkeiten in der Rechtsanwendung. Die neuen Regelungen des Verjährungsrechts haben vieles vereinfacht und besser systematisiert. Es zeichnet sich aber ab, daß es auch hier, wie immer bei grundlegenden Eingriffen in Jahrzehnte alte Kodifikationen, sicherlich Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern wird, bis die neuen, bereits jetzt sich abgezeichneten Wertungswidersprüche und Systembrüche durch Rechtsprechung und gegebenenfalls korrigierendes Eingreifen des Gesetzgebers wieder die eingefahrene Klarheit haben wird, wie die alte Regelung vor ihrer Änderung.

I. Regelmäßige Verjährungsfrist

Die wesentlichste Änderung ist die Verkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 a.F. von 30 auf 3 Jahre. Die regelmäßige Verjährung beginnt nunmehr mit dem Schluß des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen sowie der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder grob fahrlässig nicht erlangt hat (§ 199 Abs. 1 BGB). Wegen dieser Subjektivierung des Verjährungsbeginns hat der Gesetzgeber dann zur Vermeidung unendlicher Haftung Maximalfristen vorgesehen, wonach die Ansprüche grundsätzlich 10 Jahre ab Anspruchsentstehung verjähren (§ 199 Abs. 4 BGB). Für Schadensersatzansprüche gelten die Spezialregeln des § 199 Abs. 2 und 3 BGB mit maximaler Höchstfrist von 30 Jahren. Im übrigen gelten Sonderverjährungsfristen für Herausgabeansprüche aus Eigentum, familien- und erbrechtliche Ansprüche sowie titulierte Ansprüche und Ansprüche auf Übertragung von Eigentum sowie gewährleistungsrechtliche Sonderverjährung.

II. Verjährungsregelung im GmbH-Recht

Das GmbH-Recht enthält kein geschlossenes Verjährungsrecht. Für Einzelansprüche galt eine 5-jährige Verjährungsfrist, so z.B. in § 43 Abs. 4 GmbHG für den Schadensersatzanspruch der GmbH gegen Geschäftsführer wegen Pflichtverletzung, § 31 Abs. 5 GmbHG für den Erstattungsanspruch der GmbH wegen Auszahlung des zum Erhalt des Stammkapitals erforderlichen Vermögens an einen Gesellschafter oder gemäß § 9 Abs 2 GmbHG für die Nachzahlungspflicht in Geld bei der Sachgründung, wenn der Wert einer Sacheinlage den Betrag der dafür übernommenen Stammeinlage nicht erreicht. Bisher galt im übrigen nach h.A. das Verjährungsregelungssystem des BGB für die Pflicht zur Leistung der Stammeinlage in Geld oder als Sacheinlage sowie für Rechte und Ansprüche der GmbH wegen Mängel einer Sacheinlage. Nach altem Recht ging die h.M. bezüglich des Anspruchs auf Leistung der Stammeinlage in Anwendung des § 195 BGB a.F. von einer 30-jährigen Verjährungsfrist aus (vgl. BGH v. 13.4.1992 -- II ZR 277/90, BGHZ 118, 83 (103); Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 17. Aufl. 2000, § 19 Rz. 9a). Käme nun die neue regelmäßige Verjährung der §§ 195 ff. BGB für das GmbHR zur Anwendung, hätte dies grundlegende Konsequenzen:

1. Sofortzahlungen auf Stammkapital

Die Ansprüche der GmbH gegen die Gesellschafter auf Erbringung der Sacheinlage und/oder Geldeinlage, die bis zur Anmeldung der GmbH zu erbringen sind, verjährten bisher in 30 Jahren, zukünftig in 3 Jahren ab dem Ende des Jahres, in dem die GmbH zum Handelsregister angemeldet worden ist.

2. Restzahlungen auf das Stammkapital

Auch die restliche Zahlung der Stammeinlage verjährte grundsätzlich mit der neuen Regelverjährung (3 Jahre – nicht wie bisher 30 Jahre). Ist in der Satzung ein Fixtermin für die Leistung der restlichen Stammeinlage vorgesehen, so beginnt die Verjährung mit Ablauf des Kalenderjahres, mit welchem die Reststammeinlage nach Satzung fällig war. Dies gilt auch für die Fälle der verdeckten Sacheinlage.

Ist ein Fixtermin zur Zahlung auf das Stammkapital in der Satzung nicht vorgesehen, so ist Voraussetzung für die Fälligkeit ein Gesellschafterbeschluß gemäß § 46 Abs. 2 GmbHG und die Einforderung der Restzahlung auf das Stammkapital durch den Geschäftsführer gegenüber dem Gesellschafter. Erst wenn die beiden vorstehenden Voraussetzungen gegeben sind, beginnt dann die Verjährungsfrist mit dem Kalenderjahr, in dem diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind.

3. Wertungs- und Systembrüche

Die unmittelbare Anwendung des neuen Verjährungsrechtes aus dem BGB im GmbHR führt dort zu erheblichen Wertungs- und Systembrüchen. Während der Stammkapitalanspruch auf die Anfangsleistung und auf die Restzahlung dann grundsätzlich zukünftig in 3 Jahren verjährt, beginnend mit Vorlage der jeweiligen Voraussetzungen, verjähren Nachzahlungspflichten und Erstattungsansprüche gemäß § 9 Abs. 2 GmbHG und § 31 Abs. 5 GmbHG in 5 Jahren. Es ergibt sich also die Konsequenz, daß ein Gesellschafter, der überhaupt keine Stammeinlage leistet, hinsichtlich der Verjährungsfristen günstiger gestellt ist, als ein Gesellschafter, der keine vollwertige Sacheinlage erbringt (vgl. hierzu im einzelnen Pentz, GmbHR 2002, 225 – in diesem Heft). Die Frage, wie diese deutlichen Wertungswidersprüche vermieden werden können, wird eine langanhaltende Diskussion von Rechtsprechung und Literatur zur Folge haben, wenn nicht der Gesetzgeber zuvor eingreift.

III. Anwendung der §§ 194 ff. n.F. BGB auf das GmbH-Recht

Im Diskussionsentwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts v. 26.11.2001 war eine Regelung vorgesehen, die besagte, daß §§ 194 ff. n.F. BGB grundsätzlich auch für die Verjährung solcher Ansprüche gelten sollten, die nicht im BGB geregelt sind, es sei denn, es gibt dort Sonderverjährungsregelungen. Das Gesetz hat diese Regelung aus dem Entwurf aber nicht übernommen, so daß eine direkte Anwendung der §§ 194 ff. n.F. BGB für das GmbH-Gesetz ausscheidet. Rechtliche Konsequenz wäre, daß grundsätzlich eigentlich der Tatbestand der "Unverjährbarkeit" gegeben ist. Der Tatbestand der "Unverjährbarkeit" ist jedoch den Deutschen Rechtssystemen fremd, so daß hier im Rahmen einer Gesamtrechtsanalogie auch aus dem Prinzip des "Schutzes des Inanspruchgenommenen" und des Grundsatzes "Es muß mit der Haftung auch einmal ein Ende haben" dann im Rahmen einer Interessen- und Normzweckanalyse man zu einer Haftungsbegrenzung im Rahmen der Gesamtrechtsanalogie zur 3-Jahres-Verjährung kommen kann.

Eine 3-jährige Verjährungsfrist, insbesondere für die Verjährung der Stammkapitalansprüche ist im Ergebnis auch sachgerecht, weil zusätzlich zu dieser 3-jährigen Verjährungsfrist eine weitere 5-jährige Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen den Geschäftsführer zur Wahrung der Gläubigerinteressen zur Verfügung steht.

IV. Geschäftsführerhaftung

Der Geschäftsführer ist verpflichtet, den Einlageanspruch der sofort zu erbringenden Leistung auf das Stammkapital oder der Restzahlung auf das Stammkapital nach Durchführung des Gesellschafterbeschlusses beim Gesellschafter geltend zu machen und einzuziehen. Unterläßt der Geschäftsführer diese Geltendmachung und Einziehung der Einlageansprüche und läßt die Ansprüche verjähren, macht sich der Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 GmbHG persönlich gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig. Dieser Anspruch der Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer verjährt gemäß § 43 Abs. 4 GmbHG in 5 Jahren ab Verjährung des Einlageanspruchs, so daß sich eine 8-jährige Zugriffsmöglichkeit ergibt.

V. Gestaltungsüberlegungen

Es wird einige Zeit benötigen, bis klar wird, ob Stammkapitalhaftungsansprüche bei der GmbH zukünftig in 30 Jahren, 3 Jahren, 8 Jahren oder gar nicht verjähren. "Böswillige" Berater im Gesellschaftsrecht werden bei GmbH-Gründungen in der Satzung sofortige Zahlungsverpflichtung des gesamten Stammkapitals vorsehen mit der Konsequenz, daß die Möglichkeit besteht, daß bei Nichtzahlung die Ansprüche gegen den Gesellschafter in 3 Jahren und gegen den Geschäftsführer in insgesamt 5 Jahren verjähren. Das Risiko des Geschäftsführers, der dann den Stammeinlageanspruch gegenüber dem Gesellschafter innerhalb der ersten 3 Jahre nicht verfolgt, besteht darin, daß er für weitere 5 Jahre haftet und keinen Rückgriff gegenüber dem Gesellschafter nehmen kann. Dies kann er nur dann vermeiden, wenn entweder in der Satzung vorgesehen ist, daß Leistungen auf die Stammeinlage einer längeren als 3-jährigen Verjährungsfrist unterliegen (etwa 8-jährigen) oder eine entsprechende Individualvertragliche Vereinbarung zwischen Geschäftsführer und Gesellschafter getroffen wird.

Vieles ist unklar geworden, ein großes Streitfeld für Insolvenzverwalter ist eröffnet.

 

 

* Hohlfeld – Ketzer – Driesen.


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