Ekkehard Wetzel,
Rechtsanwalt, Frankfurt

Lohnsteuer-Außenprüfung und Vorlage von Personalakten durch Arbeitgeber

I. Einleitung

In der Lohnsteuer-Außenprüfung wird immer wieder die Vorlage von Personalakten verlangt. Dies führt regelmäßig zu eingehenden Diskussionen mit dem Prüfer, ob diese Unterlagen vom Arbeitgeber vorgelegt werden müssen bzw. auf welche Unterlagen der Betriebsprüfer Anspruch hat, um die für die Steuerpflicht maßgebenden Verhältnisse ermitteln zu können. Für die Lohnsteueraußenprüfung gem. § 42f EStG gelten §§ 193 -- 207 AO i.V.m. § 8 Abs. 2 BpO. Nach R 148 Abs. 3 LStR hat sich die Lohnsteuer-Außenprüfung hauptsächlich darauf zu erstrecken, ob sämtliche Arbeitnehmer erfaßt sind, alle zum Arbeitslohn gehörigen Einnahmen dem Steuerabzug unterworfen worden sind und ob bei der Berechnung der Lohnsteuer der richtige Lohn zugrunde gelegt worden ist.

II. Mitwirkungspflicht

Der Umfang der Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers zur Feststellung der Sachverhalte, die für die Besteuerung erheblich sein können, ergibt sich aus § 42 f Abs. 2 EStG (§ 200 AO und § 8 BpO). Nach § 200 Abs. 1 S. 1 AO hat der Steuerpflichtige bei der Feststellung der Sachverhalte, die für die Besteuerung erheblich sein können, mitzuwirken. Gem. § 200 Abs. 1 S. 2 AO sind insbesondere Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen. Die Vorschrift modifiziert und ergänzt die allgemeinen Vorschriften über die Mitwirkung des Steuerpflichtigen im Besteuerungsverfahren (§§ 90 ff. AO). Der Umfang der Mitwirkungspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Vorzulegen in einer Lohnsteueraußenprüfung sind Lohn- und Geschäftsbücher, die in § 4 LStDV genannten Aufzeichnungen, Anstellungsverträge und Verträge, die die Gewährung geldwerter Vorteile beinhalten könnten, wie z.B. Miet-, Kauf- oder Darlehensverträge.

Fraglich ist allerdings, ob die Mitwirkungspflicht auch so weit geht, daß Prüfungsanfragen nach Vorlage der "Personalakten aller ausländischen Arbeitnehmer" oder "Personalakten einer bestimmten Person" vom Arbeitgeber nachgekommen werden muß bzw. ob der Arbeitgeber die Herausgabe verweigern kann.

III. Rechtslage

Grundsätzlich ist die Mitwirkung des Arbeitgebers nur zu verlangen, soweit sie zur Feststellung des steuerlich erheblichen Sachverhalts notwendig, erforderlich, verhältnismäßig, erfüllbar und zumutbar ist (BFH v. 15.9.1992 -- VII R 66/91, BFH NV 93, 76 [77] m.w.N.)

Für die Vorlagepflicht spricht die Entscheidung des FG Niedersachsen v. 4.3.1955 -- III 201/54, EFG 1955, 277. Danach kann der Prüfer anläßlich einer Lohnsteueraußenprüfung u.a. auch die Einsichtnahme in die Personalakten der Arbeitnehmer verlangen. In seiner Begründung stellt das Gericht darauf ab, daß die Rechtslage im Hinblick auf die Personalakten mit derjenigen bezüglich der Bilanz zu vergleichen sei. Die Bilanz könne Positionen wie Forderungen an Arbeitnehmer enthalten sowie Rückstellungen und Rechnungsabgrenzungsposten für Löhne, Tantiemen, Pensions- und Unterstützungskassen, also Positionen von lohnsteuerlicher Relevanz. Nicht anders sei die Rechtslage bezüglich der Personalakten zu beurteilen. Nach allgemeiner Erfahrung enthalten diese Akten Verträge und andere Unterlagen zum Arbeitsverhältnis, die für die ordnungsgemäße Besteuerung von erheblicher Bedeutung sein können. Auch geben sie Aufschluß über Sonderzahlungen, wie Gratifikationen, Tantiemen, Beihilfen und Abfindungen. Daher müsse der Prüfer das Recht haben, auch Personalakten einzusehen und sie lohnsteuerlich auszuwerten.

Dieses Urteil ist aber m.E. überholt durch zwei Entscheidungen des BFH v. 13.9.1968 -- GrS 5/67, BStBl. II 1968, 365 und v. 27.6.1968 -- VII 243/63, BStBl. II 1968, 592, die beide zur Vorlage von Vorstands- und Aufsichtsratsprotokollen ergangen sind. Danach ist das Verlangen nach Vorlage aller Aufsichtsrats- und Vorstandsprotokolle "en bloc" im allgemeinen nicht gerechtfertigt. Eine Ausnahme gilt nur, wenn dies zur Aufdeckung oder zur Verhinderung von Steuerverkürzungen erforderlich ist. Es muß nach den gesamten Umständen des Einzelfalls ein begründeter Anlaß für die Annahme bestehen, daß durch Steuerflucht oder in sonstiger Weise zu Unrecht Steuereinnahmen verkürzt werden oder verkürzt worden sind. Im übrigen sind solche Protokolle von der Vorlagepflicht ausgenommen, von denen glaubhaft versichert worden ist, daß sie keine Beziehung zu steuerrechtlich bedeutsamen Tatbeständen haben. Diese vom BFH in seinen Entscheidungen entwickelten Grundsätze müssen m.E. auch für das allgemeine Verlangen nach Vorlage von Personalakten gelten.

In der Literatur wird allgemein die Auffassung vertreten, daß nicht pauschal die Vorlage von Personalakten verlangt werden kann. Diese enthalten in der Regel Lebensläufe, Angaben über die Beurteilung der Arbeitnehmer, Zeugnisse oder Angaben über Krankheiten, also höchstpersönliche Daten, die verfassungsrechtlich geschützt sind (Persönlichkeitsrecht gem. Art. 1 und 2 GG). Es muß schon von der Betriebsprüfung eine konkreter Bezug zum Steuerfall nachgewiesen werden (Schick in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 200 Tz. 43). Das kann nur bedeuten, daß der Prüfer bei Durchsicht der Konten oder anderer betrieblicher Unterlagen konkrete Anhaltspunkte dafür hat, daß bestimmte Arbeitnehmer besondere Zuwendungen erhalten haben könnten. Der Prüfer ist verpflichtet, das Interesse des Arbeitgebers an einer besonderen Geheimhaltung von Personalakten angemessen zu berücksichtigen. Ausgeschlossen ist in jedem Fall die generelle Vorlage (Huber in Küttner, Personalbuch 2002, § 78 Tz. 27; Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Außenprüfung Tz.47). Bei der Vorlage von Personalakten ist zu beachten, was zur steuerlichen Aufklärung notwendig, verhältnismäßig, erfüllbar und zumutbar ist. Diese vom BFH herausgearbeiteten Grundsätze sind auch bei der Vorlage von Personalakten zu beachten (Tipke in Tipke/Kruse, AO, § 200 Tz. 25). Wunderlich, DStR 1975, 249 kommt zu dem Ergebnis, daß die Einsichtnahme in Personalakten nur in Ausnahmefällen statthaft sei. Es müsse eine Interessenabwägung zwischen dem Schutz der Privatsphäre und der lückenlosen Ermittlung des Steueranspruchs vorgenommen werden. Der Grundsatz des geringst möglichen Eingriffs in die Privatsphäre sei zu beachten. Gegen die Vorlagepflicht einzelner Unterlagen aus der Personalakte, wie z.B. den Dienstvertrag, bestehen unter diesem Gesichtspunkt daher keine Bedenken. Die Vorlagepflicht des Dienstvertrags wird daher auch uneingeschränkt bejaht. (Papperitz/Keller, ABC der Betriebsprüfung, Tz. 1138).

Das in § 102 AO verankerte Auskunftsverweigerungsrecht gilt nur für den dort enumerativ genannten Personenkreis. Für den Arbeitgeber läßt sich aus dieser Vorschrift kein Vorlageverweigerungsrecht herleiten.

Ein ganz entscheidender Aspekt in der Frage der Vorlagepflicht von Personalakten ist der vom BVerfG manifestierte grundrechtliche Schutz des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung. Dieser Grundsatz findet seinen Niederschlag im Volkszählungsurteil des BVerfG v. 15.12.1983 -- 1 BvR 209 u.a./83, BVerfGE 65, 1 (41 ff.), also zeitlich lange nach der Entscheidung des FG Niedersachsen aus dem Jahre 1955. Das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung wird abgeleitet aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG als besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der Einzelne ist hiernach geschützt gegen eine unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten. Das Grundgesetz gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (Murswiek in Sachs, GG, Art. 2 Tz. 72 m.w.N.). Dieses Grundrecht und die hierzu ergangene Rechtsprechung des BVerfG geben dem einzelnen Betroffenen ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe. Es muß daher auch vom Arbeitgeber aufgrund dessen Fürsorgepflicht für seine Arbeitnehmer beachtet und geltend gemacht werden. Dies bedeutet, daß ohne Zustimmung der einzelnen Arbeitnehmer deren Personalakten nicht pauschal an die Betriebsprüfung herausgegeben werden dürfen. In den Personalakten befinden sich regelmäßig Urkunden mit personenbezogenen Daten, die keinerlei lohnsteuerliche Relevanz haben. Zeugnisse, Beurteilungen, Lebensläufe und Angaben zu Krankheiten oder Schwerbehinderungen haben mit der Frage bzw. der Untersuchung, ob die Einnahmen des Arbeitnehmers auch zutreffend dem Steuerabzug unterworfen wurden, nichts zu tun.

Nicht zu leugnen ist andererseits, daß der Staat ein berechtigtes Interesse daran hat, Einblick in jene Dokumente zu erhalten, die für die Steuererhebung bedeutsam sind. Dazu gehören der Anstellungs- oder Dienstvertrag, Darlehensverträge, Miet- oder Kaufverträge oder sonstige Nebenabreden, die die Gewährung von geldwerten Vorteilen zum Inhalt haben.

IV. Ergebnis

Die pauschale Anforderung zur Vorlage von Personalakten sämtlicher Arbeitnehmer, aller ausländischen Arbeitnehmer (Expatriates) oder eines konkret benannten Arbeitnehmers steht nicht im Einklang mit dem Recht des Arbeitnehmers auf Schutz seiner Persönlichkeit. Die Vorlage der Personalakten an den Lohnsteuerprüfer darf ungeachtet des veralteten FG- Urteils nicht nur verweigert, sondern sie muß sogar aufgrund der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht verweigert werden. Andernfalls könnte sich der Arbeitgeber der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten schuldig machen. Auch insoweit ist die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte zu beachten (Lehre von der "Drittwirkung der Grundrechte"). Etwas anderes gilt nur, wenn der Prüfer im Zuge seiner Prüfung in anderen Unterlagen Sachverhalte festgestellt hat, die zur Überprüfung der ordnungsgemäßen Lohnversteuerung berechtigen. Eine Prüfung ins Blaue hinein ist unzulässig. Das Recht, lohnsteuerrelevante Verträge aus der Personalakte anzufordern, bleibt davon unberührt.


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