Dr. Hans-Peter Löw,
Rechtsanwalt, Frankfurt a. M.*

Härtere Zeiten für hochbezahlte Minderleister

Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat das BAG vor kurzem eine Entscheidung veröffentlicht, die weitreichende Konsequenzen für hochbezahlte Führungskräfte haben kann (BAG v. 3.6.2004 -- 2 AZR 386/03, Volltext (PDF-Dokument)). Darin hat sich das BAG zu einer für Arbeitsrechtler bemerkenswerten Feststellung durchgerungen: Wer ein hohes Gehalt bezieht, von dem darf der Arbeitgeber auch hohe Leistungen verlangen. Erbringt er diese nicht, drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen. Wer die gesteckten oder vereinbarten Ziele nicht erreicht, der riskiert nicht nur den Verlust des Bonus, sondern auch eine Kündigung wegen schlechter Leistung.

Diese Feststellung ist deshalb bemerkenswert, weil in der Vergangenheit der Grundsatz der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung im Arbeitsrecht nicht sehr stark pointiert wurde. Die neuere Entscheidung ändert aber nichts daran, daß bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Kündigung wegen schlechter Leistung zunächst nach verhaltens- und personenbedingten Gründen zu differenzieren ist:

Ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund liegt vor, wenn dem Arbeitnehmer ein Verhalten vorgeworfen wird, das von ihm "steuerbar" und ihm "vorwerfbar" ist. Der Arbeitnehmer "will nicht".

Ein personenbedingter Kündigungsgrund liegt vor, wenn der betroffene Arbeitnehmer aufgrund seiner physischen/psychischen oder fachlichen Eignung schlicht nicht in der Lage ist, die geforderte Arbeitsleistung zu erbringen. Der Arbeitnehmer "kann nicht".

Verhaltensbedingter Grund

Für eine verhaltensbedingte Kündigung muß dem Arbeitnehmer eine Pflichtverletzung vorgeworfen werden. Entgegen landläufiger Ansicht ist ein Arbeitnehmer nicht etwa zu ständigen Spitzenleistungen, sondern "nur" zu einer Arbeitsleistung mittlerer Art und Güte (§ 243 BGB) verpflichtet. Der Arbeitnehmer hat zur Erbringung einer vertragsgemäßen Arbeitsleistung seine individuellen Kräfte und Fähigkeiten angemessen anzustrengen. Für die Leistungspflicht kommt es auf einen subjektiven Leistungsmaßstab und nicht auf die durchschnittliche Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter in einer Abteilung an.

Eine Verletzung der Arbeitspflicht liegt deshalb nur vor, wenn der Mitarbeiter zwar physisch, psychisch und fachlich unter angemessener Anstrengung in der Lage ist, eine höher und/oder bessere Arbeitsleistung zu erbringen, diese aber aus eigenem Antrieb nicht leistet.

Personenbedingter Grund

Der Ausspruch einer personenbedingten Kündigung setzt nicht voraus, daß der Arbeitnehmer gegen die subjektiv zu bestimmende Leistungspflicht verstößt. Vielmehr kommt es darauf an, daß die berechtigte Erwartung der Gleichwertigkeit von Arbeitsleistung und Vergütung in einem Maße verfehlt wird, die dem Arbeitgeber das Festhalten am unveränderten Arbeitsvertrag unzumutbar macht. Im Zusammenhang mit einer personenbedingten Kündigung legt das BAG einen objektiven Leistungsmaßstab an. Dies ist auch konsequent, weil ein personenbedingter Kündigungsgrund nur dann vorliegt, wenn die Minderleistung ihren Grund in den persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten des Mitarbeiters hat. In diesen Fällen kann der Mitarbeiter keine höhere und/oder bessere Arbeitsleistung erreichen, selbst wenn er wollte, also seine subjektive Leistungsfähigkeit voll ausschöpft.

Abgrenzung schwierig -- Lösung über Darlegungs- und Beweislast

Der Arbeitgeber weiß regelmäßig nicht, ob die Minderleistung darauf beruht, daß der Arbeitnehmer nicht schneller und/oder besser arbeiten will (dann verhaltensbedingter Grund) oder ob er einfach nicht schneller und/oder besser arbeiten kann (dann personenbedingter Grund). Dieses Dilemma hat das BAG erkannt und der Arbeitgeberseite in zwei jüngeren Entscheidungen über eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast einen Ausweg aufgezeigt.

Im ersten Fall war der Arbeitnehmer als Kommissionierer beschäftigt und erbrachte über einen längeren Zeitraum eine 40% -- 50% Minderleistung im Vergleich zum allgemeinen Abteilungsdurchschnitt. Die nach einschlägiger Abmahnung ausgesprochene Kündigung hielt das BAG grundsätzlich für wirksam.

Es wies darauf hin, daß unterdurchschnittliche Leistungen nicht bedeuten müssen, daß der Arbeitnehmer seine persönliche Leistungspflicht nicht völlig ausschöpft. In jeder Vergleichsgruppe gibt es immer ein "Schlußlicht". Dies kann daran liegen, daß die anderen vergleichbaren Mitarbeiter besonders leistungsstark sind oder sich überfordern. Andererseits ist das deutliche und längerfristige Unterschreiten eines von vergleichbaren Mitarbeitern erreichten Mittelwerts ein Hinweis darauf, daß der Arbeitnehmer nicht alle "Ressourcen" ausschöpft. Diesen Umständen -- so das BAG -- haben die Regeln der abgestuften Darlegungs- und Beweislast Rechnung zu tragen:

1. Stufe: Es ist deshalb zunächst Sache des Arbeitgebers, zu den Leistungsmängeln das vorzutragen, was er wissen kann. Kennt er lediglich die objektiv meßbaren Arbeitsergebnisse, so genügt er seiner Darlegungslast, wenn er Tatsachen vorträgt, aus denen ersichtlich ist, daß die Leistungen des betreffenden Arbeitnehmers deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleiben, also die Durchschnittsleistung erheblich unterschreiten.

2. Stufe Hat der Arbeitgeber vorgetragen, daß die Leistungen des Arbeitnehmers über einen längeren Zeitraum den Durchschnitt deutlich unterschritten haben, ist es Sache des Arbeitnehmers, hierauf zu entgegnen, ggf. das Zahlenwerk und seine Aussagefähigkeit im einzelnen zu bestreiten und/oder darzulegen, warum er mit seiner deutlich unterdurchschnittlichen Leistung dennoch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft.

3. Stufe: Zur Tragfähigkeit der Einwände des Arbeitnehmers kann schließlich wieder der Arbeitgeber Stellung nehmen.

Diese Rechtsprechung hat das BAG in der bereits eingangs erwähnten Entscheidung fortgeführt. Hier ging es um die Kündigung eines Außendienstmitarbeiters. Dieser konnte seinem Arbeitgeber über einen längeren Zeitraum keinen einzigen Geschäftsabschluß vermitteln. Wegen Erfolglosigkeit wurde dem Außendienstmitarbeiter gekündigt.

Das BAG wiederholte, daß der Arbeitgeber der Darlegungslast genügt, wenn er zunächst nur die Minderleistung vorträgt. Das war vorliegend geschehen, weil er nachweisen konnte, daß der Mitarbeiter bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung keinen einzigen Geschäftsabschluß getätigt hatte. Die Kündigung ist aber auch dann sozial gerechtfertigt, wenn der Mitarbeiter darlegen und beweisen kann, daß er sich ausreichend um Geschäftsabschlüsse bemüht hat. Dann liegt zwar keine Pflichtverletzung vor, die eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen könnte. Es liegen aber personenbedingte Gründe vor, weil der gezahlten Vergütung infolge der fehlenden Geschäftsabschlüsse keine nur annähernd gleichwertige Arbeitsleistung gegenüberstand. Der Außendienstmitarbeiter war persönlich ungeeignet, Geschäfte in einem Umfang zu akquirieren, der die an ihn gezahlten Bezüge nur annähernd rechtfertigen konnte. Mit einer entsprechenden Verbesserung der Vermittlungserfolge war auch nicht in absehbarer Zeit zu rechnen.

Praxis-Tips

Der Schlüssel zum Erfolg ist die schriftliche Dokumentation. Die meisten Kündigungsschutzprozesse gehen für Arbeitgeber verloren, weil sie ihrer Darlegungslast nicht nachkommen.

Konkrete schriftliche Weisungen mit genauen Zeitvorgaben

Die Erteilung von schriftlichen und konkreten Anweisungen dient nicht nur der Dokumentation der Weisung an sich, sondern ermöglicht den Beleg der Schlechtleistung durch Vergleich von Weisung und Arbeitsergebnis. Zudem zeigt sich in der Praxis, daß Vorgesetzte schriftliche Anweisungen häufig konkreter formulieren. Das Festhalten an der Schriftlichkeit (auch E-Mail) dient also auch der Selbstdisziplinierung. Den Geschäftsführer trifft die mitunter schwierige Aufgabe, die fachlichen Vorgesetzten zur Beachtung der Schriftlichkeit anzuhalten. Dazu bieten sich interne Schulungen der Führungskräfte an.

Kontrolle

Offensichtlich -- und doch in der Praxis häufig vernachlässigt -- ist das Erfordernis, die Arbeitsleistungen der Arbeitnehmer regelmäßig zu kontrollieren und die Ergebnisse der Kontrolle schriftlich festzuhalten. Dazu bieten sich verschiedene Möglichkeiten an. Arbeitnehmer sollten -- abhängig von ihrer Tätigkeit -- dazu angehalten werden, ihre Arbeitsergebnisse schriftlich unter Angabe des Datums der Abgabe vorzulegen.

Konsequenzen

Schließlich darf die Divergenz zwischen Weisung und Arbeitsergebnis, also zwischen Anspruch und Arbeitsleistung, nicht "im Sande verlaufen". Es müssen Konsequenzen folgen.

Fazit

Das BAG zeigt den Weg zum Umgang mit Minderleistern auf. Eine konsequente Umsetzung der arbeitsrechtlichen Vorgaben in das Führungsverhalten erleichtert die Lösung von Performance-Problemen.

 

* Partner der internationalen Sozietät LOWELLS.

 


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