Andrea Bonanni,
Rechtsanwältin, Köln*

Unterrichtungsverpflichtung des Arbeitgebers und Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers gemäß § 613 a Abs. 5 und 6 BGB

Durch den am 10.10.2001 vom Bundeskabinett verabschiedeten Entwurf eines "Gesetzes zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze" (BR-Drucks. 831/01; BT-Drucks. 14/7760) wird neben Änderungen des Seemanns- und dem Seeaufgabengesetzes auch in § 613 a Abs. 5 und 6 BGB eine Unterrichtungsverpflichtung des Arbeitgebers über den Betriebsübergang und das Recht des Arbeitnehmers zum Widerspruch gegen den Betriebsübergang eingefügt werden. Die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung sah nur eine geringfügige Änderung zur Widerspruchsfrist vor. Am 31.1.2002 wurde das Gesetz durch den Bundestag verabschiedet, der Bundesrat hat ihm am 1.3.2002 zugestimmt (BR-Drucks. 71/02). Es soll voraussichtlich am 1.4.2002 in Kraft treten.

I. Unterrichtungsverpflichtung auch gegenüber Arbeitnehmern

Entgegen der bisherigen Rechtslage in Deutschland, wonach Unterrichtungsverpflichtungen der an einem Betriebsübergang beteiligten Rechtsträger im Hinblick auf einen Betriebsübergang und die mit diesem verbundenen Rechtsfolgen nur gegenüber den Arbeitnehmervertretungen bestehen, die in den Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen gebildet wurden, normiert nunmehr § 613 a Abs. 5 BGB eine entsprechende Unterrichtungsverpflichtung auch gegenüber den von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmern. Über die in der Richtlinie 2001/23/EG geregelte Verpflichtung hinausgehend, nach der die an solchen Übertragungsvorgängen beteiligten Rechtsträger nur in den Betrieben bzw. Unternehmen, in denen es unabhängig vom Willen der Arbeitnehmer keine Arbeitnehmervertretung gibt, verpflichtet sind, die Arbeitnehmer vor dem Übertragungsvorgang über den Zeitpunkt bzw. den geplanten Zeitpunkt des Übergangs, den Grund für den Übergang, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen zu informieren, soll nach § 613 a Abs. 5 BGB die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers gegenüber den vom Übergang betroffenen Arbeitnehmern unabhängig von der Betriebsgröße und auch dann bestehen, wenn eine Arbeitnehmervertretung gebildet worden ist.

1. Inhalt der Unterrichtungsverpflichtung

Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber müssen nunmehr die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang über den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs (Nr. 1), den Grund für den Übergang (Nr. 2), die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer (Nr. 3) und die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen (Nr.4) unterrichten. Im Ergebnis knüpft der Gesetzentwurf damit an die sonstigen gesetzlich normierten Unterrichtungsverpflichtungen (z.B. § 5 Abs. 1 Nr. 9 und § 126 Abs. 1 Nr. 11 UmwG) an. Allerdings ist auch hier – obwohl der Wortlaut konkretere Vorgaben enthält – keine individuelle Beratung über rechtliche und wirtschaftliche Folgen des Übertragungsvorgangs notwendig. Es genügt, wenn die Folgen und die insoweit beabsichtigten Maßnahmen abstrakt-generell genannt werden.

Die Neuregelung hat Bedeutung für jede Form der Übertragung von Betrieben oder Betriebsteilen – also auch für das Outsourcing von Dienstleistungen, sofern die Voraussetzungen des § 613 a BGB erfüllt sind.

Durch den in § 324 UmwG einzufügenden Verweis auf § 613 a Abs. 5 BGB soll festgeschrieben werden, daß die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Arbeitnehmer über einen Betriebsübergang zu unterrichten, nicht auf eine Übertragung durch Einzelrechtsnachfolge beschränkt ist, sondern auch Übertragungsvorgänge erfaßt, die sich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach den Vorschriften des UmwG vollziehen.

2. Wer unterrichtet?

Die Unterrichtung muß entweder der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber vornehmen. In der Praxis dürfte es sich empfehlen, daß sich die beteiligten Rechtsträger auf eine einheitliche ordnungsgemäße Unterrichtung verständigen. Anderenfalls besteht die Gefahr sich widersprechender Informationen. Auch besteht die Gefahr, daß Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer wegen fehlerhafter Aufklärung bestehen, aber zwischen den Rechtsträgern selbst keine besondere Regreßmöglichkeit geschaffen wurde. Außerdem besteht das Risiko, daß die Frist zur Ausübung des Widerspruchsrechts nicht beginnt, was ganz erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge hätte.

3. Form der Unterrichtung

Die Unterrichtung des Arbeitnehmers muß in Textform (§ 126 b BGB) erfolgen. Dies bedeutet, daß die Erklärung so abgegeben werden muß, daß sie in Schriftzeichen lesbar ist, die Person des Erklärenden genannt wird und der Abschluß der Erklärung erkennbar gemacht ist. Möglich ist damit zwar auch eine Unterrichtung per e-mail. Wie bei der Versendung per Telefax besteht dabei allerdings für den Arbeitgeber das Risiko, den tatsächlichen Zugang der Erklärung nachweisen zu müssen.

II. Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers

Nach § 613 a Abs. 6 BGB kann der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung gemäß Abs. 5 schriftlich widersprechen. Damit wird das schon bisher richterrechtlich entwickelte und in der Literatur weitestgehend anerkannte Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers gesetzlich festgeschrieben.

Da in § 324 UmwG auch ein Verweis auf § 613 a Abs. 6 BGB eingefügt werden soll, wird ebenfalls gesetzlich anerkannt, daß der Arbeitnehmer auch im Falle des sich im Wege der Umwandlung vollziehenden Betriebsübergangs dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen kann. Dies entspricht der schon bisher in der Literatur vertretenen und durch das BAG im Jahre 2000 (BAG v. 25.5.2000 – 8 AZR 416/99, NZA 2000, 1115 [1117 f.]) anerkannten Auffassung, ist allerdings dann problematisch, wenn der übertragende Rechtsträger mit der Umwandlung aufgelöst wird. Hier wird man prüfen müssen, ob in dem Widerspruch eine fristlose Kündigung liegt (§ 133, § 157 BGB).

1. Adressat des Widerspruchs

Nach § 613 a Abs. 6 S. 2 BGB kann der Arbeitnehmer den Widerspruch entweder gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder gegenüber dem neuen Inhaber erklären. Hat der Arbeitnehmer ungenaue Kenntnis über den tatsächlichen Übernehmer und erklärt er im Hinblick darauf vorsorglich den Widerspruch gegenüber allen als Übernehmer in Betracht kommenden Rechtsträgern, muß der bisherige Arbeitgeber diesen Widerspruch gegen sich gelten lassen. Erforderlich ist deshalb, daß die beteiligten Rechtsträger sich über den Zugang eines Widerspruchs informieren. Die Begründung des Gesetzesentwurfs enthält hier den Hinweis: "Der Arbeitgeber, dem gegenüber der Widerspruch erklärt wurde, soll den jeweils anderen Arbeitgeber hierüber unterrichten."

2. Form und Inhalt des Widerspruchs

Der Widerspruch bedarf der Schriftform. Damit ist auch die eigenhändige Unterzeichnung durch den Arbeitnehmer erforderlich (§ 126 Abs. 1 BGB). Der schriftlichen Form steht gemäß § 126 Abs. 3 BGB die Erklärung in elektronischer Form (§ 126 a BGB) gleich. Für einen Widerspruch in elektronischer Form wäre aber erforderlich, daß die Erklärung mit dem Namen des Arbeitnehmers und einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist.

Der Erklärung muß der Wille des Arbeitnehmers zu entnehmen sein, einen Übergang des Arbeitsverhältnisses zu verhindern. Eine Begründung des Widerspruchs ist nicht erforderlich. Als rechtsgestaltende Willenserklärung kann der Widerspruch nicht an Bedingungen geknüpft werden.

3. Widerspruchsfrist

Der Widerspruch ist nach § 613 a Abs. 6 S. 1 BGB innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Abs. 5 zu erklären. Der Regierungsentwurf hatte noch – wie es auch der schon bisher vom BAG angenommenen Frist entsprach – eine Frist von drei Wochen vorgesehen, der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung aber die Verlängerung auf einen Monat empfohlen.

Die Frist beginnt mit Zugang der Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB. Allerdings setzt nur eine vollständige Unterrichtung über die in § 613 a Abs. 5 BGB geregelten Punkte die Widerspruchsfrist in Gang, so daß ein pauschaler Hinweis des Arbeitgebers auf den Übergang nicht ausreicht. Entsprechendes gilt bei fehlerhafter oder unvollständiger Unterrichtung. Auf anderen Wegen erlangte Kenntnis des Arbeitnehmers vom Übergang ist insofern – abgesehen von einer möglichen Verwirkung des Widerspruchsrechts – unbeachtlich.

Eine Abkürzung der Frist ist nur unter Einbeziehung des Arbeitnehmers möglich, also z.B. nicht durch Vereinbarung der beteiligten Rechtsträger. Möglich ist damit eine Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber oder dem übernehmenden Rechtsträger und dem Arbeitnehmer oder eine Verkürzung der Frist infolge einer abschließenden Erklärung des Arbeitnehmers im Hinblick auf sein Widerspruchsrecht. In Betracht kommt eine einvernehmliche Verlängerung, die allerdings durch dreiseitige Vereinbarung zwischen dem Arbeitnehmer, dem bisherigen Arbeitgeber und dem Betriebserwerber erfolgen muß. Kollektivrechtliche Regelungen über die Art und Weise des Widerspruchs sind unzulässig, da es sich beim Widerspruchsrecht um eine individualrechtliche Rechtsposition handelt.

4. Rechtsfolgen des Widerspruchs

Der fristgerecht und formwirksam erklärte Widerspruch bewirkt, daß das Arbeitsverhältnis zum bisherigen Arbeitgeber fortbesteht. Dies muß auch dann gelten, wenn der Widerspruch erst im Anschluß an das Wirksamwerden des Betriebsübergangs bzw. der Umwandlung erklärt wird. Der Arbeitnehmer wird dann so behandelt, als habe das Arbeitsverhältnis den gesamten Zeitraum über mit dem bisherigen Arbeitgeber bestanden. Angesichts hieraus folgender Rückabwicklungsprobleme empfiehlt es sich, die Frage einer Ausübung des Widerspruchsrechts vor dem Wirksamwerden des Betriebsübergangs zu regeln.

III. Empfehlung

Die dargestellten gesetzlichen Neuerungen machen es erforderlich, daß insbesondere auf die Prüfung, ob überhaupt die Voraussetzungen des § 613 a BGB vorliegen, größere Sorgfalt verwendet wird, denn von der Beurteilung dieser Frage hängen die in § 613 a Abs. 5 und 6 BGB geregelten Pflichten bzw. Rechte ab. Auch die Unterrichtung als solche bedarf intensiver Vorbereitung, wenn man sich die Rechtsfolgen einer fehlerhaften oder unzureichenden Unterrichtung vor Augen hält. Darüber hinaus bedarf es eines abgesprochenen Vorgehens der an dem Betriebsübergang beteiligten Rechtsträger.

 

* Sozietät Norton Rose Vieregge.

 


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