Jürgen E. Milatz, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater / Christian A. Tempich, Rechtsanwalt, Hamburg*

Steueramnestiegesetz -- eine "goldene Brücke" auch im betrieblichen Bereich?

Mit dem "Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit" v. 23.12.2003 (BGBl. 2003, 2928) versucht der Gesetzgeber nach 1990 erneut durch eine Steueramnestie hinterzogenes Vermögen zurückzuholen und die Steuerunehrlichen in die Steuerehrlichkeit zurückzuführen. Dabei geht die Amnestie von 2004/2005 weit über die Amnestie von 1990 hinaus, da nunmehr neben Zinseinkünften sämtliche der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Umsatzsteuer, Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie der Vermögensteuer unterliegende Einnahmen nacherklärt werden können.

Diese großangelegte Steueramnestie soll nach Einschätzung der Regierung ca. 5 Mrd. Euro -- diese Summe beruht auf ähnlich angelegten Amnestien in europäischen Nachbarstaaten -- in die Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden spülen. In den ersten sechs Wochen des Jahres sind nicht mehr als 50 Mio. Euro aus der Steueramnestie an die Finanzämter geflossen. Sicher wird zum Ende des Amnestiezeitraums -- insbesondere zum Ende des Jahres 2004 -- die Bereitschaft von dieser Regelung Gebrauch zu machen größer, aber ob die von der Regierung bereits verplante Summe erreicht wird, ist dennoch zweifelhaft.

Zahlung einer pauschalen Abgeltungssteuer ...

Kernstück des "Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit" ist das "Gesetz über die strafbefreiende Erklärung -- StraBEG" das am 30.12.2003 in Kraft getreten ist. Das StraBEG eröffnet die Möglichkeit v. 1.1.2004 bis zum 31.3.2005 im Rahmen eines Ablaßhandels durch Angabe der Bruttoeinnahmen abzüglich eines Pauschalbetrags für Betriebsausgaben oder Werbungskosten -- dieser ist der Höhe nach abhängig von der hinterzogenen Steuerart -- oder durch Angabe der Bruttoausgaben und Zahlung einer pauschalen Abgeltungsteuer i.H.v. 25 % (bzw. 35 % im Jahr 2005) Strafbefreiung und damit auch steuerliche Abgeltung zu erlangen.

... im Rahmen eines nur schwer durchschaubaren Verfahrens

Es ist dem Gesetzgeber auch hier wieder einmal nicht gelungen, ein einfaches und praktikables Gesetz zu schaffen, daß es dem Steuerpflichtigen ermöglicht selbst und ohne großen Aufwand an der Amnestie teilzunehmen. Die im ersten Monat der Amnestie aufgeworfenen Fragen und Unklarheiten hat das BMF inzwischen mit einem "Merkblatt zur Anwendung des Gesetzes über die strafbefreiende Erklärung -- StraBEG -- v. 3.2.2004" ausgeräumt (Volltexte des BMF-Merkblatts und der Vordrucke (PDF)). Hierbei ist es zu begrüßen, daß das Gesetz in vielen Belangen großzügig zugunsten der Steuerpflichtigen ausgelegt wird. Dennoch bleiben auch nach diesem "Merkblatt" noch viele Detailfragen ungeklärt. Die scheinbare Sicherheit kann im Einzelfall trügerisch sein. Es wäre daher wünschenswert, wenn das BMF diesen Weg weiter beschreiten und die noch nicht beantworteten Fragen in einem zweiten, wenn nötig dritten Merkblatt beseitigen würde. Dies würde zu der notwendigen Rechtssicherheit führen, die für die Steuerpflichtigen unabläßlich ist; immerhin gestehen diese eventuell massive Verstöße gegen geltende Strafgesetze und müssen darauf vertrauen, daß es zu keiner Bestrafung kommt. Nur wenn bei den Steuerpflichtigen ausreichendes Vertrauen geschaffen werden kann, ist mit einem Erfolg der Steueramnestie zu rechnen.

Kostengünstige Rückkehr in die Steuerehrlichkeit ...

Trotz der Unsicherheiten eröffnet die Steueramnestie dem Steuerpflichtigen in der Regel eine "kostengünstige" Möglichkeit für die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit. Vor allem im Bereich der Kapitaleinkünfte und der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer sowie der Vermögensteuer -- d.h. mithin bei hinterzogenen Steuern im Privatbereich -- stellt das StraBEG insoweit eine "goldene Brücke" dar. Sicherlich wäre auch hier die Resonanz noch größer, wenn der Gesetzgeber sich hätte durchringen können, die Besteuerung der Kapitalerträge im Rahmen einer Abgeltungsteuer neu zu regeln; nach letzten Informationen ist hiermit in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Aber auch ohne diese flankierende Maßnahme bieten sich dem Steuerpflichtigen gute Bedingungen für eine Rückkehr. Vor allem vor dem Hintergrund einer verbesserten Erhebung der Zinseinkünfte und Spekulationsgewinne ab 2005, einem erhöhten Entdeckungsrisiko durch Erweiterung der Zoll- und Steuerfahndungsaktivitäten und der Harmonisierung der Besteuerung durch die EU-Zinsrichtlinie sollte in diesen Fällen eine strafbefreiende Erklärung in Erwägung gezogen werden.

... auch im betrieblichen Bereich?

Wesentlich schwieriger stellt sich die Beantwortung der Frage dar, ob das StraBEG auch im betrieblichen Bereich eine "goldene Brücke" darstellt. Durch die Komplexität der Vorgänge -- neben der Gesellschaft sind häufig auch noch Gesellschafter und Geschäftsführer involviert -- , die Unsicherheit der Auslegung des Gesetzes und die Angst der Unternehmer vor einer Brandmarkung durch die Finanzverwaltung wird von der strafbefreienden Erklärung nicht ohne weiteres Gebrauch gemacht werden. Hierzu nimmt auch der Aufsatz von Striegel/Weger, Steueramnestie 2004 und GmbH, Risiken, Chancen und Besonderheiten bei der GmbH, ihren Geschäftsführern und Gesellschaftern, GmbHR 2004, 402 -- in diesem Heft ausführlich Stellung.

Bezüglich der Angst der Unternehmer vor einer Brandmarkung durch die Finanzverwaltung sieht § 13 StraBEG eine Verwendungsbeschränkung vor. Hiernach darf der Inhalt einer strafbefreienden Erklärung ohne Einwilligung des Betroffenen nur zur Durchführung der Amnestie selbst sowie für Besteuerungsverfahren, die sich auf Besteuerungszeiträume und Besteuerungszeitpunkte nach dem Jahr 2002 beziehen, verwendet werden. Von dieser Verwendungsbeschränkung ausgenommen ist die Übermittlung der Daten an Strafverfolgungsbehörden und Gerichte zur Durchführung eines strafrechtlichen Verfahrens wegen eines Verbrechens (Mindeststrafe eine Jahr) oder eines vorsätzlich begangenen Vergehens mit einer Höchststrafe von mehr als drei Jahren. Hierbei ist zu beachten, daß die Finanzverwaltung nicht von sich aus die Daten übermitteln darf, sondern nur auf Ersuchen der Strafverfolgungsbehörden oder Gerichte. Ein Verstoß gegen die Verwendungsbeschränkung begründet ein allgemeines Verwertungsverbot.

Durch die Verwendungsbeschränkung und das allgemeine Verwertungsverbot sollte für den Steuerpflichtigen, der eine strafbefreiende Erklärung abgibt, genügend Sicherheit vorhanden sein. Trotzdem wird die Frage gestellt, wer und wie man einen Verstoß gegen die Verwendungsbeschränkung nachweisen soll, zumal die Finanzverwaltung selbst für die amnestierten Zeiträume immer noch aus anderen "Quellen" -- namentlich der Außenprüfung -- Erkenntnisse gewinnen kann, die die amnestierten Zeiträume betreffen.

Weiter besteht die Gefahr, für den Fall betrieblich hinterzogener Steuern, daß die Finanzverwaltung sofort nach Eingang der Amnestieerklärung eine Außenprüfung ankündigt. Das Merkblatt des BMF sieht zwar in Tz. 14.7. vor, daß dies nicht der Fall sein soll, schränkt diese Aussage aber dahingehend ein, daß eine turnusgemäße Außenprüfung sehr wohl stattfinden kann. Die ersten Wochen seit Inkrafttreten der Amnestie zeigen, daß von dieser "turnusmäßigen Außenprüfung" auch im Anschluß an die strafbefreiende Erklärung Gebrauch gemacht wurde.

Aber auch für Unternehmer, die nur ein "Schwarzgeldkonto" im privaten Bereich nacherklären wollen -- gleichgültig, ob die Quelle aus schwarzem oder weißem Geld stammt --, stellt sich die Frage, ob nicht durch die strafbefreiende Erklärung auch hier mit betrieblichen Konsequenzen zu rechnen ist. Spätestens für die Folgeveranlagung kann auf die Daten der strafbefreienden Erklärung zurückgegriffen werden. Es liegt die Vermutung nahe, daß die Finanzverwaltung ein Interesse daran haben wird, die Quelle des Kapitalvermögens zu erforschen; dies kann, da der Verdacht des Schwarzgeldes beim Unternehmer naheliegt, am ehesten durch eine Außenprüfung der vergangenen Jahre erfolgen.

Letztlich stellt sich dem Unternehmer die Frage, ob er nicht für die Zukunft mit dem Makel der Hinterziehung leben und dadurch Nachteile befürchten muß. Bei Außenprüfungen kommt es häufig im Rahmen einer Schlußbesprechung zu einer Verständigung zwischen Steuerpflichtigem und Finanzverwaltung über strittige Sachverhalte. Hierbei können nicht selten Ergebnisse zugunsten des Steuerpflichtigen erzielt werden. Für Steuerpflichtige, die mit dem Makel der strafbefreienden Erklärung behaftet sind, könnte sich dadurch -- frei nach dem Motto "wer einmal lügt dem glaubt man nicht" -- Nachteile für sein weiteres "steuerliches Leben" ergeben.

"Goldene Brücke", aber beratungsintensiv

Leider ist gegenwärtig das Vertrauen der Steuerbürger in den Staat und seine Verwaltung so gestört, daß solche Überlegungen angestellt werden und zumindest im betrieblichen Bereich, aber auch durchaus im privaten Bereich, von der Amnestie kein Gebrauch gemacht wird. Dies ist u.E. bedauerlich stellt die Amnestieregelung, nicht nur wegen des monetären Aspektes aber gerade aufgrund des sowohl steuerlichen als auch strafrechtlichen Umfangs die Basis für einen sicheren Weg in die Steuerehrlichkeit dar; es ist daher nicht übertrieben, von einer "goldenen Brücke" zu sprechen.

Demjenigen der auf dem Weg in die Steuerehrlichkeit ist, ist dringend zu empfehlen sich -- egal ob für eine strafbefreiende Erklärung im betrieblichen oder im privaten Bereich -- steuerrechtlich beraten zulassen. In Fällen in den keine akutes Entdeckungsrisiko besteht, ist von Seiten der beratenden Berufe wohl eine abwartende Haltung empfehlenswert; dies in der Hoffnung, daß die Zweifelsfragen durch die Finanzverwaltung klargestellt sind und somit die strafbefreiende Erklärung zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen größerer Rechtssicherheit abgegeben werden kann.

 

* ESCHE SCHÜMANN COMMICHAU.

 


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