Dipl.-Kfm. Peter Zierbock,
Wirtschaftsprüfer/Steuerberater, Berlin*
 

Mediation – Instrument für die beratenden Berufe?

Mediation ist ein Konfliktlösungsinstrument

In der deutschen Rechtskultur werden seit einiger Zeit neue Wege zur außergerichtlichen Konfliktlösung diskutiert, die im Ausland unter Bezeichnung "Alternative Dispute Resolution" (übersetzt sinngemäß "Alternative Streitlösung") bekannt sind. Die dadurch initiierte Auseinandersetzung mit der Mediation entwickelt sich mehr und mehr zu einer allgemeinen Streitbehandlungslehre, die insbesondere im Bereich der Wirtschaft von Interesse ist. In neueren Literaturbeiträgen wird beispielsweise auch aufgezeigt, wie verbindliche Mediationsklauseln in die Satzung einer deutschen Kapitalgesellschaft aufgenommen werden können (vgl. Risse, Mediation von Beschlussmängelstreitigkeiten, ZIP 2000, 437 ff.).

Der aus dem Englischen stammende Begriff der Mediation (to mediate: "ausgleichen, vermitteln") bezeichnet die Vermittlung zwischen Konfliktparteien durch einen Dritten ohne Entscheidungsbefugnis, einen "Mediator". Im Mittelpunkt steht dadurch die Konfliktregelung auf freiwilliger Basis durch einen Konsens der Beteiligten. Die Parteien werden durch den hierfür geschulten Mediator in die Lage versetzt, selbst und eigenverantwortlich eine von allen Beteiligten getragene Lösung und – im Idealfall – gemeinsame Interessen der Konfliktbeteiligten zu entwickeln.

Die beteiligten Parteien haben die Möglichkeit, das Verfahren zu jedem Zeitpunkt ohne Begründung abzubrechen. Insoweit stellt das Mediationsverfahren trotz bestimmter Regeln keine Einschränkung, sondern eine Chance für die Konfliktbeteiligten dar, da sie sich keiner Rechte begeben. Darüber hinaus zeichnet sich eine fachlich gute Mediation durch kurze Verfahrensdauer, überschaubare, vergleichsweise geringe Kosten, hohe Akzeptanz bei den Beteiligten, und damit einen hohen Sicherheitsgrad in der Durchführung aus. Langfristige Beziehungen zwischen den Konfliktparteien können so aufrecht erhalten werden.

Der Wirtschaftsmediator

Neu für die beratenden Berufe der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater ist die Ausrichtung auf Beziehungen zwischen Personen, die Unternehmen repräsentieren, was grundsätzlich ein anderes Arbeitsverhältnis mit den Beteiligten begründet. In einer traditionell juristisch ausgerichteten Ausbildung wird der Beziehungsaspekt ausgeblendet; es wird vorausgesetzt, daß die "natürlichen" Fähigkeiten zur Kommunikation ausreichend sind.

Der Mediator steht im Spannungsfeld zwischen der psychologisch geprägten Tätigkeit im Zusammenhang mit menschlichen Beziehungen und der gewohnten klassischen Facharbeit. Die ausgewiesene Expertise zu wirtschaftlichen Sachverhalten kann eine Qualifikation für die Durchführung von Wirtschaftsmediationen sein, bei denen es um wirtschaftlich orientierte Konflikte geht. Hierbei ist in erster Linie an Streitigkeiten zu denken, die sich aus vertraglichen Beziehungen ergeben: Gesellschaftsverträge, Anstellungs- und Dienstleistungsverträge, Kooperations- und Lieferverträge, Miet- und Leasingverträge, Versicherungsverträge u.a.m. Im weiteren Sinne zählen hierzu auch Nachfolge- und Erbregelungen.

Ungeachtet der Popularität des sog. Harvard-Konzepts wird in der Fachliteratur darauf hingewiesen, daß ein erfolgreiches Vorgehen in der Praxis nicht nur die Kenntnis kooperativer Elemente erfordert, sondern eine umfassende Erfahrung der Grundstrukturen des Verhandelns voraussetzt. Kompetetives Verhandeln wird häufig von ungeschulten Akteuren eingesetzt, dies insbesondere durch intuitiv gesteuerte Verhaltensmuster. Besonders erfolgreiche Verhandler haben ihr Repertoire dadurch erweitert, daß sie in der Lage sind, ihr Vorgehen durch bewußte Auswahl aller Einflußgrößen im Hinblick auf das von ihnen gewünschte Ergebnis anzupassen.

Eine Verhandlung ist ein Prozeß. Eine bewußte Betrachtung der Zeiträume vor und nach einer formellen Verhandlungssituation führt zur Betrachtung von Aspekten wie Vorbereitung, Vorverhandlungen, Tagesordnung, Personalplanung, Rollenverteilung, Planung von Zugeständnissen und Alternativen etc.

Bei der Betrachtung von Konflikten, die bei der Mediation im Mittelpunkt stehen, ist die Klärung der konfliktbehafteten Themen von großer Bedeutung: Unklare bzw. unterschiedliche Vorstellungen der Parteien führen im Zeitablauf zu weiteren Schwierigkeiten. Derartige Mißverständnisse lassen sich durch kommunikative Fähigkeiten vermeiden, insbesondere durch Kenntnis darüber, wie menschliche Wahrnehmungsprozesse ablaufen und beeinflußt werden.

Ein von vornherein kooperativer Ansatz muß nicht zwangsläufig zu guten Ergebnissen führen. Das Harvard-Konzept formuliert die für beide Seiten vorteilhafte Zielvorstellung (win-win solution), behauptet aber nicht, daß dies mit ausschließlich kooperativen Verhaltensweisen erreicht wird.

Wirtschaftsprüfer und Steuerberater gelten als Fachleute für Unternehmen. Deren Sanierung, Fusion oder Spaltung führt regelmäßig zu Wirtschaftskonflikten, deren systematische Behandlung erst jetzt zu Aufmerksamkeit gelangen. Gerade im Zusammenhang mit – gescheiterten – Fusionen internationaler Unternehmen wurden offensichtlich menschliche (psychologische und kulturelle) Aspekte unterschätzt oder nicht beachtet. Weitere Beispiele aus der Praxis in diesem Zusammenhang betreffen Betriebsübergänge als Folge von Nachfolge- oder Erbregelungen. All dies sind Anlässe für Verhandlungs- und Mediationsprozesse.

Die geschilderten Vorgänge erfordern, insbesondere soweit sie kulturübergreifend sind, möglicherweise mehr als einen einzelnen Mediator. Entsprechend ausgebildete Teams mit Mitgliedern aus mehreren beruflichen Disziplinen können auch hierbei gute Ergebnisse erzielen.

Es ist auf längere Sicht anzunehmen, daß die geschilderten Entwicklungen bei vielen Unternehmen auch dazu führen, daß Verhandlungs- und Meditationstechniken vom Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater in die Arbeit einbezogen werden.

Das Mediationsverfahren

Nach Abschluß des Mediationsvertrags, der die Verfahrensregeln zum Gegenstand hat, folgen verschiedene Phasen: Klärung der konfliktbehafteten Sachverhalte, Bearbeitung der Konfliktbereiche, Bewertung von Lösungsoptionen und Gestaltung einer abschließenden Vereinbarung.

Dies ist einer der Grundlagen eines Verhandlungsprozesses sehr ähnlich, nach der das Entwickeln und Durchlaufen der Phasen Eröffnung, Differenzierung, Integration und Einigung wichtig für den Erfolg ist. Wird eine dieser Phasen ausgelassen oder nicht ausreichend zeitlich dimensioniert, hat dies negative Folgen auf das Verhandlungsergebnis. Zeit ist immer eine kritische Variable.

Aus der Sicht des Mediators ist eine sorgfältige Verfahrenseröffnung bedeutsam, denn in dieser Phase wird nicht nur das Verhandlungsklima geprägt, sondern es werden auch die Regeln mit den Parteien festgelegt. Diese Phase muß sinnvollerweise vom Mediator gesteuert werden, der die Kontrolle über das gesamte Verfahren behält.

Dieser Abschnitt geht über in die Klärung der konfliktbehafteten Sachverhalte. Zur erfolgreichen Aufarbeitung des (Beziehungs-) Konfliktes werden zu Beginn die genauen Vorstellungen der Parteien über die strittigen Inhalte abgestimmt. Versäumnisse an dieser Stelle führen regelmäßig dazu, daß sich der Zeitablauf verzögert, weil vor Abschluß des Verfahrens weitere wichtige Themen "entdeckt" werden.

Anschließend werden Lösungsoptionen durch die Beteiligten entwickelt und bewertet. Die Lösungsoptionen müssen von den Beteiligten gefunden werden, da der Mediator ansonsten Gefahr läuft, daß diese Optionen von den Parteien nicht akzeptiert werden. Auf der anderen Seite wird der Wirtschaftsprüfer bzw. Steuerberater wegen seiner wirtschaftlichen Expertise herangezogen, damit werden von ihm auch Lösungshinweise erwartet. Dieses Dilemma sollte zweckmäßigerweise zu Beginn des Mediationsverfahrens angesprochen werden, um keine irreführende Erwartungshaltung bei einer der beteiligten Personen hervorzurufen. Weiterhin besteht für den moderierenden Berater die Möglichkeit, mit Hypothesen ("was wäre wenn?") Einigungsabläufe zu initiieren.

Die Verfahrensbeschreibungen zeigen, daß für den Moderierenden gute Wahrnehmungs- und Kommunikationsfähigkeiten notwendig sind. Der Mediator muß beispielweise Körpersprache lesen können, um Widersprüche zwischen dem verbalen und dem physiologischen Ausdruck erkennen zu können. Solche Widersprüche dürfen nicht unbearbeitet bleiben, da sonst die Akzeptanz des – vermeintlichen – Ergebnisses gefährdet ist.

Die Entwicklung der Mediation

Die aktuelle Diskussion um Mediation und Verhandlungsmanagement hat viele Aspekte, die mittelfristig Auswirkungen auf den Beruf des Wirtschaftsprüfers bzw. Steuerberaters haben. Entsprechende Fähigkeiten vorausgesetzt, kann die Mediation auf die Ausübung des beratenden Berufs einen positiven Einfluß haben, insbesondere bei einer Arbeit auf interdisziplinärer Basis.

Mediation als ein Instrument zur Konfliktbeilegung wird sich auch in Deutschland in der einen oder anderen Form durchsetzen. Der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sollte die laufende Diskussion als Gelegenheit nutzen, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen, da sie für den Bereich Wirtschaft ernstzunehmende Chancen für die Zukunft bietet.
 
 

* Geschäftsführer der ZIERBOCK Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Berlin, Mitglied der Centrale für Mediation und Lehrbeauftragter an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin.

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