Dr. Frederik Karsten,
Chemnitz*

Müssen sich Geschäftsführer aus der Baubranche vor dem Forderungssicherungsgesetz fürchten?

Wie schon in der vergangenen Legislaturperiode beschäftigt sich der Bundestag mit dem Entwurf eines Gesetzes zu Sicherung von Werkunternehmeransprüchen und zur verbesserten Durchsetzung von Forderungen (Forderungssicherungsgesetz -- FoSiG; BT-Drucks. 16/511), welches in erster Linie dafür gedacht ist, die Baubranche vor Forderungsausfällen und den damit verbundenen Insolvenzen zu schützen.

Neben Änderungen im Werkvertragsrecht und in der ZPO sieht das FoSiG u. a. vor, die in § 6 Abs. 2 GmbHG geregelten Tätigkeitsverbote erheblich zu verschärfen und zukünftig diejenigen Gesellschafter in die Haftung zu nehmen, die eine amtsunfähige Person zum Geschäftsführer bestellen oder eine solche nicht abberufen (hierzu bereits Melchior, GmbHR 2005, R 29). Die Erweiterung der Tätigkeitsverbote ist grundsätzlich vernünftig, denn aufgrund seiner sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Pflichten ist ein Geschäftsführer auch Garant für eine ordentlich wirtschaftende GmbH. Die geplante Gesellschafterhaftung ist indes nur wenig durchdacht. Es bleibt ein Rätsel, wie ein Schadensersatzanspruch der GmbH überhaupt berechnet werden soll (kommt es auf die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger oder auf das ehemals vorhandene Vermögen der GmbH an?). Auch darf man schon jetzt darüber grübeln, ob die GmbH bei Beachtung eines möglicherweise analog anwendbaren § 43 Abs. 3 GmbHG auf eine Inanspruchnahme der Gesellschafter verzichten kann.

Besondere Aufmerksamkeit verdient das FoSiG, weil sich seine Verfasser auf das Gesetz zur Sicherung von Bauforderungen besinnen, das noch die Unterschrift von Kaiser Willhelm II. trägt und seit seinem Inkrafttreten im Jahre 1909 kaum geändert, aber auch kaum beachtet wurde. Es ist ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB und kann einen Schadensersatzanspruch gegen einen GmbH-Geschäftsführer begründen, wenn Baugeld zweckwidrig verwendet wird. Nach der jetzigen Fassung dieses Gesetzes (es wird auch "BauFG" abgekürzt und findet sich im Schönfelder-Ergänzungsband unter der Nr. 32) sind unter Baugeld solche Geldbeträge zu verstehen, die zur Bestreitung von Baukosten gewährt werden und bei denen sich der Geldgeber die Rückzahlung durch eine Hypothek oder Grundschuld an dem zu bebauenden Grundstück abgesichert hat (vgl. § 1 Abs. 3 S. 1 BauFG). Wenn z.B. eine GmbH über ein grundpfandrechtlich gesichertes Darlehen ein Bauvorhaben finanziert, ist sie Baugeldempfänger. Jeder, der mit dieser GmbH einen Werk- Dienst- oder Lieferungsvertrag abschließt und somit an der Errichtung dieses Bauvorhabens beteiligt ist, kann grundsätzlich ein Baugeldgläubiger sein. Als Baugeldempfänger darf die GmbH das Baugeld nur an Baugeldgläubiger auszahlen. Verwendet sie das Baugeld zu anderen Zwecken, hat ein Baugeldgläubiger einen Schadensersatzanspruch gegen den GmbH-Geschäftsführer, der sich obendrein auch noch nach § 5 BauFG strafbar gemacht hat. Auf diese Weise will das BauFG gewährleisten, dass die zur Finanzierung des Baus gewährten Mittel den an der Herstellung des Baus Beteiligten auch wirklich zufließen.

In seiner Grundstruktur erinnert das BauFG an die Verpflichtung des Geschäftsführers zur Abführung von Arbeitnehmerbeiträgen für die Sozialversicherung. Hier wie dort geht es um "fremdes" Geld, welches die GmbH an einen bestimmten Dritten (mal Baugeldgläubiger, mal Krankenkasse) zu zahlen hat. Dass die Haftung wegen der zweckwidrigen Verwendung von Baugeld eine vergleichsweise geringe Rolle spielt, mag einerseits seinen Grund darin haben, dass die einschlägigen Vorschriften weithin unbekannt sind (so Möller, BauR 2005, 8). Andererseits ist der Kreis der Baugeldempfänger trotz des ersten Eindrucks nur auf wenige Unternehmer beschränkt: Es kann nämlich nur derjenige Baugeldempfänger sein, der mit der Errichtung des gesamten Bauvorhabens beauftragt wurde (hierzu Karsten/Bauer/Klose: Forderungssicherung und -durchsetzung in der Bauwirtschaft, 2006, § 2 Rz. 670). Wenn eine GmbH also Baugeld erhält und nicht selbst die Werkverträge mit den Subunternehmern abschließt, sondern zwei Gesellschaften vorschiebt, die jeweils einen Teil der Aufträge an Subunternehmer vergeben, greift das BauFG schon nicht mehr ein. Genau an dieser Stelle setzt das FoSiG an: Baugeld sollen zukünftig alle Geldbeträge sein, die der Empfänger von einem Dritten für ein Werk, dessen Herstellung der Empfänger dem Dritten versprochen hat, erhält, wenn an der Herstellung des Werkes andere Unternehmer aufgrund eines Werk-, Dienst- oder Kaufvertrags beteiligt waren (BT-Drucks. 16/511, S. 8). Damit fallen sämtliche Gelder die ein Unternehmer in der Kette nach dem Baugeldempfänger enthält, in den Anwendungsbereich des BauFG. Dies gilt auch für den Fall, dass der Unternehmer nur mit einem Teil des Bauvorhabens beauftragt wurde.

Wie ernst es den Verfassern des FoSiG mit dem BauFG ist, zeigt auch die geplante Regelung zur Beweislast. Entgegen den allgemeinen Regelungen soll zukünftig der auf Schadensersatz verklagte Geschäftsführer die Beweislast für die Baugeldeigenschaft und die Baugeldverwendung tragen (ebenfalls BT-Drucks. 16/511, S. 8). Diese Beweislastverteilung überrascht. Gerade im Zusammenhang mit der Haftung wegen der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen hatte sich der BGH noch für eine Beweislastverteilung ausgesprochen, die einer meterdicken Schutzmauer für GmbH-Geschäftsführer gleichkommt. Krankenkassen müssen nämlich nach dieser Rechtsprechung den Nachweis darüber führen, dass die GmbH noch soviel Geld hatte, dass der Geschäftsführer zumindest die Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge anweisen konnte (nur dann bestand die Möglichkeit sich i.S.d. § 266a StGB normgemäß zu verhalten, vgl. den berichtigter 2. Leitsatz der BGH-Entscheidung v. 18.4.2005 -- II ZR 61/03, GmbHR 2005, 1509 sowie die Entscheidungsgründe GmbHR 2005, 874 m. Komm. Schröder).

Wenn das BauFG so geändert wird, wie es im FoSiG vorgesehen ist, dürften sich einige Geschäftsführer verwundert die Augen reiben. Ob diese weitreichenden Reformen des BauFG letztlich auch vom Bundestag beschlossen werden, bleibt abzuwarten. Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme zwar angeregt, diese Änderungen aus dem FoSiG zu streichen, aber auch erklärt, dass das Gesetz zur Sicherung von Bauforderungen bei der noch anstehenden Überprüfung des Bauvertragsrechts "eine wichtige Rolle spielen werde" (BT-Drucks. 16/511, S. 29 f.). Das kann alles und nichts bedeuten -- Geschäftsführer brauchen sich derzeit vor dem FoSiG nicht zu fürchten, sie sollten aber den weiteren Verlauf der Beratungen über das BauFG nicht aus den Augen verlieren und sich schon jetzt mit den Grundstrukturen dieses Gesetzes vertraut machen.

 

* Geschäftsführer Recht der Handwerkskammer Chemnitz.



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