Dr. Wolfgang Lingemann,
Rechtsanwalt, Köln*

Wasch’ mir den Pelz, aber mach’ mich bloß nicht nass - der Regierungsentwurf zur Unternehmensteuerreform 2008

Es lebe der Widerspruch

Nach dem SEStEG kommt jetzt weiterer neuer "Stoff" für Unternehmen und Berater: die Unternehmensteuerreform 2008. Selten hat man erlebt, dass ein Gesetz und eine Regierung sich so widersprüchlich in sich selbst verhalten. Am Tage des Kabinettsbeschlusses, dem 14.3.2007, erklärte die Bundeskanzlerin doch tatsächlich, dass der heutige Kabinettsbeschluss so wie beschlossen nicht richtig sei; vielmehr müsse er sogleich zugunsten des Mittelstands und der Forschung korrigiert werden (Handelsblatt v. 15.3.2007, S. 3). Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Und der Beschluss löste auch noch einen handfesten Koalitionskrach aus. Aber Peer Steinbrück zieht das Gesetz durch, und zwar in einem Riesentempo: Verhandlung im Finanzausschuss am 7.5.2007, Bundestagsbeschluss am 15.6.2007 und Zustimmung des Bundesrates am 6.7.2007 - so sieht es der dicht gedrängte Terminplan jedenfalls vor. SPD-Fraktionschef Peter Struck überging in der Fraktionssitzung am 27.3.2007 sowohl eine Abstimmung als auch eine Diskussion über die Unternehmensteuerreform, und von Überrumpelung sprachen die SPD-Linken (Handelsblatt v. 28.3.2007, S. 4). Inzwischen hat der Deutsche Bundestag über den Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (BT-Drucks. 16/4841 v. 27.3.2007) am 30.3.2007 in einer aktuellen Stunde kontrovers debattiert. Hoffentlich fällt die Koalition nicht in die von ihr selbst aufgerissene "Mittelstandslücke" hinein (vgl. den Handelsblatt-Titel in der Ausgabe v. 30./31.3.2007, S. 4)! Auch in dieser Ausgabe der GmbH-Rundschau kann man schon eine ausführliche Kontroverse zur Unternehmensteuerform 2008 nachlesen (ferner wird der Fortgang der Reform auch auf "www.unternehmensteuerreform.de" stets aktuell nachgezeichnet): Aus der Sicht der Beraterschaft unterziehen Wiese/Klass/Möhrle, GmbHR 2007, 405 ff., den Gesetzentwurf einer kritischen Analyse, und wer die ganz ausführliche Stellungnahme der Kölner Centrale für GmbH Dr. Otto Schmidt, GmbHR 2007, 421 ff. (Volltext), gelesen hat, wird mit mir zu dem Schluss kommen, dass sich die "Reform" zur Pervertierung mancher hergebrachter Steuerrechtsregeln versteigen wird. Es fällt schwer, darüber nur eine einzige Glosse zu schreiben.

Neu: Der Grundsatz "fremdbestimmter" Steuerauswirkung

Das Gesetz von Ursache und Wirkung in derselben Steuerrechtsperson wurde in jüngster Zeit schon mehrfach durch Gesetzesänderungen verletzt, man denke nur an die rückwirkende Steuerpflicht des Veräußerers von Wirtschaftsgütern einer Mitunternehmerschaft, wenn der Erwerber diese innerhalb der Sperrfrist wieder entnimmt oder sie veräußert (§ 6 Abs. 5 S. 4 EStG) oder die ähnliche Regelung bei der Realteilung (§ 16 Abs. 3 S. 3 EStG). Aber die Fernwirkung scheint zum Steuerrechtsprinzip zu avancieren: Was hat eine Konzern-Gesellschafterfremdfinanzierung im Ausland mit dem Abzug von Bankzinsen eines Unternehmens in Deutschland zu tun? Nach der geplanten Zinsschranken-Escape-Klausel jetzt eine ganze Menge, weil es für die deutsche Zinsschranke auf die konzernübliche interntionale Eigenkapitalquote ankommen soll, vgl. hierzu Wiese/Klass/Möhrle, GmbHR 2007, 405 (407 f., unter III.1.a] [2]) - in diesem Heft.

Neu: Steuerpflichtige sind für einen testierten Jahresabschluss mit unrichtiger Eigenkapitalquote zu bestrafen

Die Zinsschranke macht es möglich: Entfällt die Inanspruchnahme der Escape-Klausel wegen einer zu geringen Eigenkapitalquote, ist nicht nur wegen der anteilig unzutreffenden Zinsabzugsdifferenz, sondern wegen des gesamten zu versagenden Zinsabzugs ein Strafzuschlag nach § 162 Abs. 4 AO fällig. Da hilft auch kein Testat über den zum Vergleich herangezogenen Jahresabschluss mehr (vgl. die Stellungnahme der Centrale für GmbH Dr. Otto Schmidt, GmbHR 2007, 421 (423, II.2.b]) - in diesem Heft [Volltext]).

Neu: Personengesellschaften sind steuerlich Kapitalgesellschaften, es wird nur nicht verraten

Mit der Erschaffung der Thesaurierungsbegünstigung für Personenunternehmen mit Nachbelastung ausgeschütteter Gewinne nähert sich deren laufende Besteuerung derjenigen der Kapitalgesellschaft weiter an. Zur Rechtsformneutralität reicht es aber gleichwohl nicht. Und es wird schon an die Einführung einer größtmöglichen Behinderung von Umstrukturierungen und Formwechsel gedacht, denn diese sind ja auch nicht mehr nötig. Oder wie sollte es anders zu verstehen sein, dass in solchen Fällen bestehende Verlustvorträge nicht fortgeführt und aus der Thesaurierungs-Begünstigung niedrig belastete Gewinne nachversteuert werden müssen?

Neu: Die Unternehmensteuerreform 2008 schafft endlich Planungssicherheit für die öffentlichen Haushalte

Hatte das nicht einmal ganz anders geklungen? Die Unternehmensteuerreform sollte doch den Unternehmensstandort Deutschland attraktiver machen, nicht zuletzt auch durch Planungssicherheit für die Unternehmen. Mit den weitreichenden Hinzurechnungen bei § 8 Nr. 1 GewStG steht jetzt fest: Steuern zahlen muss das Unternehmen auf jeden Fall - auch ohne Gewinn. Und was folgt denn aus der Abschreibungsdauer von 5 Jahren auf Sammelposten nach neuem § 6 Abs. 2a EStG für bewegliche Wirtschaftsgüter zwischen 100 und 1.000 €? Je länger abgeschrieben werden muss, desto besser, weil planungssicherer für die öffentlichen Kassen.

Neu: Das "Kartoffelprinzip" bei der degressiven AfA

Bei der degressiven AfA heißt es: 'Rein in die Kartoffeln, 'raus aus den Kartoffeln! Hatte man zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung für 2006 und 2007 die degressive AfA von 20 % auf 30 % erhöht, entschließt sich der deutsche Steuergesetzgeber nun zur Abschaffung der degressiven AfA überhaupt. Es war ja auch bisher grundverkehrt zu unterstellen, es gebe Wirtschaftsgüter, die zu Anfang ihrer Existenz deutlich mehr an Wert verlieren!

Neu: Das Nebelwerferprinzip

Mit großem Getöse über die Verbesserung bei der modifizierten Ansparabschreibung nach § 7g EStG kann die Abschaffung der degressiven AfA und die deutliche Einschränkung der Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter leicht übertüncht werden. Allerdings muss die Verbesserung bei § 7g EStG durch ein neues weiteres Prinzip flankiert werden, dazu sogleich:

Neu: Doppelte Begrenzung hält besser und ganz wichtig: die Förderung von Mikrobetrieben!

Die "4 Abs. 3-Rechner" sollen nur bis zu einer Gewinngrenze von 100.000 € noch in den Genuss des § 7g EStG kommen, zusätzlich zu den ohnehin schon vorhandenen Betriebsvermögensgrenzen. "Welche Betriebe haben denn vor Abzug des Unternehmerlohns Gewinne bis zu 100.000 €?", fragt zu Recht die Centrale für GmbH Dr. Otto Schmidt, GmbHR 2007, 421 (425, unter II.5.) - in diesem Heft (Volltext).

Fazit: Absenkung von Steuersätzen und Verbreiterung der Bemessungsgrundlagen

Der gewünschte Effekt der Unternehmensteuerreform scheint zweifelhaft, wenn das deutsche Unternehmensteuerrecht mit angezogener Handbremse Vollgas gibt. Ob ausländische Investoren allein von der Steuersatzhöhe beeindruckt werden, ohne dabei die Fremdfinanzierungsregeln und Abschreibungsbedingungen zu sehen?

 

* Schriftleiter der Finanz-Rundschau.




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