Dipl.-Kfm. Prof. Dr. Jörg Rodewald, Rechtsanwalt, Berlin / Reinhard Willemsen, Rechtsanwalt, München*

 

Finanzmarktkrise: Zehn goldene Regeln für den Lieferanten zur Absicherung seiner Rechte

 

Die Finanzmarktkrise ist inzwischen auch bei den Produktionsunternehmen angekommen. Die Meldungen über Krise und Insolvenz bedeutender Unternehmen (Märklin, Schiesser, Opel, Saab etc.) häufen sich. Kommt ein Abnehmer von Anlagen, Waren oder Dienstleistungen in wirtschaftliche Schwierigkeiten, so hat der Lieferant in der Regel keine Möglichkeit, diese Entwicklung als solche zu beeinflussen. Ihm bleibt nur, zur Verhinderung drohender zukünftiger Umsatzeinbrüche die Rechtspositionen aus laufenden Lieferbeziehungen abzusichern. Allerdings hilft hier nur frühes Handeln. Nachfolgend haben wir 10 ausgewählte Hinweise zum Verhalten in der Krise oder Insolvenz des Kunden formuliert:

 

In der Krise -- vor der Insolvenz des Kunden

1. Prüfen Sie Ihre Lieferbedingungen (unter Einbeziehung der Einkaufsbedingungen Ihres Kunden). Haben Sie einen Eigentumsvorbehalt ggf. dessen Verlängerungsformen vereinbart? Dieser Schritt sollte eigentlich zu Beginn einer Lieferbeziehung, also auch außerhalb einer möglichen Krise oder Insolvenz erfolgen. Wichtig ist, dass die eigenen Lieferbedingungen korrekt in das Vertragsverhältnis einbezogen werden, also bereits in der Auftragsbestätigung (bei Vertragsschluss). Zu beachten ist, dass der einfache Eigentumsvorbehalt auch bei sich insoweit widersprechenden AGB als vereinbart gilt. Gibt es sich widersprechende AGB, sollte darauf geachtet werden, dass mindestens die Themen Gewährleistung und verlängerter Eigentumsvorbehalt individualvertraglich vereinbart werden.

2. Fakturieren Sie Ihre Leistungen unverzüglich und achten Sie auf zeitnahen Ausgleich! Wenn möglich, sollte ein Bargeschäft (Zug-im-Zug-Leistung) vereinbart werden. Das Bargeschäft ist das Korrektiv der weit gefassten Anfechtungsrechte des Insolvenzverwalters. So dürfen gemäß § 130 InsO selbst solche Rechtsgeschäfte angefochten werden, bei denen Lieferung und Zahlung sich entsprechen und genau so erfolgten, wie dies vertraglich vereinbart war, wenn der Gläubiger die eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kannte oder aufgrund ihm bekannter zwingender Umstände kennen musste. Stehen in einem solchen Fall Leistung und Gegenleistung auch zeitlich in einem unmittelbaren Austauschverhältnis, so ist eine entsprechende Zahlung nicht anfechtbar. Der Zeitraum des Bargeschäfts hängt von der Art des Geschäfts und den üblichen Zahlungsfristen ab. Nach der Rechtsprechung sind Zahlungen innerhalb von zwei Wochen immer, nach zwei bis vier Wochen manchmal noch als Bargeschäft anzuerkennen. Bei der Zahlung durch Vorkasse, ist darauf zu achten, dass die endgültige Abrechnung innerhalb des Bargeschäftszeitraumes erfolgt. Kommt ein Kunde in die Krise, besteht nach § 321 BGB die Möglichkeit, die (eigentlich vereinbarte) Vorleistung zu verweigern und Zahlung Zug-um-Zug bzw. entsprechende Sicherheiten zu verlangen.

3. Leistung und Gegenleistung bei Liefergeschäften sollten ausgewogen sein. Unangemessene Gestaltungen zu Lasten Ihres Kunden unterliegen einem erhöhten Anfechtungsrisiko. Ein Bargeschäft setzt neben der zeitlichen Komponente auch voraus, dass es sich um eine "gleichwertige" Gegenleistung handelt. Darüber hinaus neigen die Gerichte dazu die Anfechtung nach § 133 InsO ("absichtliche Gläubigerbenachteiligung") auszudehnen. Rechtshandlungen nach § 133 InsO sind bis 10 Jahre vor dem Insolvenzantrag anfechtbar. Wenn nun ein Rechtsgeschäft besonders positiv für eine der beiden Vertragspartner ist, bedeutet dies automatisch eine Gläubigerbenachteiligung auf der Seite des anderen Vertragspartners. In der Praxis schließen Gerichte aus der positiven Kenntnis vom eigenen Vorteil aus einem Rechtsgeschäft automatisch auf die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht auf Seiten des anderen Vertragspartners. Je unausgewogener daher ein Rechtsgeschäft, desto größer das Anfechtungsrisiko.

4. Prüfen Sie, ob eine vorsorgliche Kündigung oder ein Rücktritt von Vertragsbeziehungen in Betracht kommt. Die Vereinbarung von Kündigungsrechten für den Fall der Insolvenzeröffnung ist problematisch. Im Grundsatz kann sich der Insolvenzverwalter bei Rahmenlieferverträgen (Dauerschuldverhältnis) aussuchen, ob er diese erfüllen möchte oder nicht (§ 103 InsO). Ein auf den Insolvenzfall bedingtes Kündigungsrecht, würde ihm dieses Recht nehmen. Gemäß § 119 InsO ist eine Vereinbarung, die im Voraus die Anwendung der §§ 103 bis 118 InsO ausschließt, unwirksam. Allerdings war die im Gesetzgebungsverfahren zur Insolvenzordnung ursprünglich vorgesehene Norm erheblich weiter gefasst. Darin wurde explizit die Vereinbarung von Kündigungsmöglichkeiten (sog. "Lösungsklauseln") ausgeschlossen. Aus der Tatsache, dass die tatsächlich beschlossene Fassung dieses Verbot von Lösungsklauseln nicht mehr enthält, wird verbreitet geschlossen, dass die Vereinbarung eines Kündigungsrechts für den Fall der Insolvenz zulässig sein muss. Es ist allerdings ratsam, die Kündigung vor zu verlagern, also nicht für den Fall der Insolvenzeröffnung sondern mindestens für den Insolvenzantrag, besser noch für ein davor liegendes Krisensignal (z.B. Zahlungsverzug) zu vereinbaren.

 

Nach Stellung des Insolvenzantrags bei Ihrem Kunden (vor Eröffnung des Verfahrens)

5. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollte dem Abnehmer die Befugnis zur Weiterveräußerung / Weiterverarbeitung der Eigentumsvorbehaltsware untersagt werden. Außerdem ist dem Abnehmer der Einzug der (hoffentlich) zur Sicherung abgetretenen Forderungen zu untersagen. Schließlich sind – soweit möglich – die Kunden des Abnehmers anzuschreiben, und diesen mitzuteilen, dass mit befreiender Wirkung nur noch auf das eigene Konto gezahlt werden kann. Im Rahmen des verlängerten Eigentumsvorbehaltes wird dem Abnehmer die Befugnis erteilt "im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsganges" die Eigentumsvorbehaltsware weiter zu veräußern und den Kaufpreis einzuziehen. Auch wenn dieses Recht mit Insolvenzantrag automatisch entfallen sollte (eine Insolvenz ist kein "ordnungsgemäßer Geschäftsgang" mehr), sollte dem Abnehmer das Recht zur Weiterveräußerung explizit untersagt werden. Die Endkunden des Abnehmers sind anzuschreiben, um zu verhindern, dass diese an den Abnehmer zahlen und damit die (im Rahmen des verlängerten Eigentumsvorbehalts zur Sicherheit abgetretene) Forderung zum Erlöschen bringen. Die Verhinderung der Weiterveräußerung ist schon deshalb unerlässlich, weil die noch beim Abnehmer lagernde (noch nicht bezahlte) Ware einem Aussonderungsrecht unterliegt (Ware kann ohne Abzug vom Verwalter herausverlangt werden), während die weiteren Sicherungsrechte nur zur Absonderung berechtigen (Verwalter ist zur Verwertung berechtigt und muss nur den Erlös – abzüglich einer Feststellungs- und Verwertungspauschale von 9 % – auskehren).

6. Prüfen Sie (lassen Sie prüfen), ob (bereits) ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wurde. Handelt es sich um einen vorläufigen "schwachen" oder vorläufigen "starken" Verwalter? Dies ist wichtig für den Handlungsrahmen und die Handlungsmöglichkeiten des insolventen Kundenunternehmens und bestimmt auch Ihr weiteres Vorgehen. Handelt es sich um einen vorläufigen starken Insolvenzverwalter, so ist dieser allein nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO i.V.m., § 22 Abs. 1 S. 1 InsO befugt, über das Vermögen des Schuldnerunternehmens zu verfügen. Ist ein vorläufig schwacher Verwalter eingesetzt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO), so sind weiterhin das Schuldnerunternehmen bzw. dessen Organe verfügungsbefugt, benötigen aber – falls das Gericht (wie regelmäßig der Fall) dies angeordnet hat – die Zustimmung des Verwalters.

7. Bestimmen Sie eine zentrale Stelle (Person) in Ihrem Unternehmen bei der alle Themen im Zusammenhang mit dem insolventen Kunden (Bestellungen, Überwachung Zahlungsverkehr, Korrespondenz mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter etc.) gebündelt werden. Vielfach werden bisherige Lieferroutinen nicht unverändert fortgeführt werden können (z.B. Umstellung der Zahlungsmodalitäten, s. oben Nr. 2). Eine Zentralisierung der Kundenbeziehung hilft, dass Informationen an alle Beteiligten in ihrem Unternehmen verteilt werden und keine widersprüchlichen Maßnahmen ergriffen werden.

8. Nehmen Sie Kontakt zum vorläufigen Insolvenzverwalter auf, wenn dieser sich nicht bereits an die Geschäftspartner des insolventen Unternehmens gewandt hat. Oft will der vorläufige Verwalter den Betrieb aufrecht erhalten und bittet die Lieferanten um eine Weiterführung der Lieferbeziehung oder Weiterführung von Dienstleistungen. Soweit Sie Lieferungen oder Leistungen ausführen, klären Sie mit dem Insolvenzverwalter, wie die Zahlung sichergestellt ist. Weil auch Geschäfte, die nach Stellung des Insolvenzantrags aber vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen werden, angefochten werden können, vermeiden Sie unangemessene Gestaltungen, setzen Sie den Vertragspartner nicht (zu sehr) unter Druck. Unangemessene Gestaltungen beinhalten ein besonderes Anfechtungsrisiko nach §§ 130 ff. InsO wegen der damit verbundenen Gläubigerbenachteiligung (s. oben Nr. 3).

 

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

9. Rechtlich bindende Verständigungen mit dem Insolvenzverwalter sind nun möglich. Bei mit dem Verwalter abgestimmten Lieferungen und Leistungen sind Ihre Forderungen nunmehr bevorrechtigte Masseforderungen. Eine Rückkehr zu der üblichen Abwicklung von Lieferungen mit Zahlungsziel ist nun wieder unproblematisch. Mit einem begrenzten zeitlichen Horizont kann nun auch wieder die Lieferbeziehung geplant werden.

10. Treffen Sie eine verbindliche Regelung zu Ihrer Eigentumsvorbehaltsware (Nutzungsvereinbarung, Herausgabe, Bezahlung). Stellen Sie Ihre offenen Forderungen aus der Zeit vor Eröffnung des Verfahrens zusammen. Diese sind zur Insolvenztabelle anzumelden. Der Verwalter kann Unterlagen verlangen, aus denen sich die Berechtigung der Forderung ergibt. Angemeldete Forderungen werden in die Insolvenztabelle aufgenommen und geprüft. Erkennt der Insolvenzverwalter die Forderungen an, so werden diese Forderungen entsprechend ihrem Rang bei der Verteilung der Insolvenzmasse – in der Regel anteilig mit einer Quote – bedient. Dies dauert aber eine geraume Zeit – je nach Komplexität des Verfahrens mehrere Monate bis hin zu mehreren Jahren.

 

 

*  Partner bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.

 




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