Thomas Wachter,
Notar, Osterhofen (Bayern)
Aufbruch zu einer neuer Stiftungskultur?
Das Stiftungswesen hat in Deutschland viele Jahrzehnte ein Schattendasein
geführt. Erst seit einigen Jahren sind Stiftungen in das Bewußtsein
einer breiten Öffentlichkeit gerückt.
Seit 1997 haben praktisch alle politischen Parteien umfangreiche
Gesetzesentwürfe für eine Reform des Stiftungsrechts vorgelegt. Man
hat zunehmend erkannt, daß die öffentlichen Aufgaben in einer modernen
Zivilgesellschaft nicht mehr allein mit Mitteln der staatlichen Haushalte zu
finanzieren sind. Vielmehr gilt es, Mittel des privaten Sektors verstärkt
für die Unterstützung und Förderung des Gemeinwohls nutzbar zu
machen. Stiftungen kommt dabei eine wichtige Funktion zu. Sie können das
öffentliche Leistungsangebot ergänzen und neue Entwicklungen anstoßen.
Über die Notwendigkeit einer Förderung des Stiftungswesens
bestand daher zwischen allen politischen Parteien seit vielen Jahren weitgehend
Einigkeit. Gemeinsames Ziel war es, die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen
für Stifter und Stiftungen zu verbessern.
I. Stiftungssteuerrecht
Mit Wirkung zum 1.1.2000 hat man zunächst verschiedene steuerliche Anreize
geschaffen, um die Einbringung von privaten Vermögen in gemeinnützige
Stiftungen zu fördern (Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung von
Stiftungen, BGBl. I 2000, 1034). Aus Sicht der Stifter kam es vor allem zu folgenden
Verbesserungen:
- Neben den bereits früher bestehenden Möglichkeiten zum Spendenabzug
(je nach Stiftungszweck 5 % bzw. 10 % des Gesamtbetrags der Einkünfte,
§ 10 b Abs. 1 EStG) können Zuwendungen an gemeinnützige
Stiftungen seitdem i.H.v. bis zu 20.450 Euro jährlich abgezogen werden.
- Zuwendungen in den Vermögensstock neu gegründeter Stiftungen können
zudem innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren i.H.v. bis zu 307.000 Euro
steuermindernd geltend gemacht werden (§ 10 b Abs. 2 EStG).
- Erbschaften und Schenkungen, die gemeinnützigen Stiftungen zugute kommen,
sind in größerem Maße als früher von der Erbschaft-
und Schenkungsteuer befreit worden. Die Erbschaftsteuer entfällt rückwirkend,
wenn innerhalb von zwei Jahren nach dem Tod des Erblassers das Nachlaßvermögen
auf eine steuerbegünstigte Stiftung übertragen wird (§ 29 Abs. 1
Nr. 4 ErbStG).
Die Reform des Stiftungssteuerrechts hat entscheidend dazu beigetragen,
daß die Anzahl der neu errichteten Stiftungen in den letzten Jahren deutlich
angestiegen ist. Im Jahr 2000 wurden 681 neue Stiftungen errichtet. Im Vergleich
zum Jahr 1995 bedeutet dies beinahe eine Verdopplung, und im Vergleich zum Jahr
1990 sogar fast eine Vervierfachung der jährlichen Stiftungsneugründungen.
Dabei haben über drei Viertel aller neu errichteten Stiftungen ein Anfangsvermögen
von weniger als 500.000 Euro. Die verbesserten steuerlichen Abzugsmöglichkeiten
haben demnach offenbar vor allem zur Gründung von kleinen und mittleren
Stiftungen "angestiftet".
Die Stiftungs-GmbH kommt aufgrund der Reform des Stiftungssteuerrechts
nur noch in seltenen Fällen als Alternative zur Errichtung einer Stiftung
in Betracht. Denn die neuen steuerlichen Begünstigungen werden nur für
Stiftungen, nicht auch für Stiftungskörperschaften, wie die Stiftungs-GmbH
gewährt. Ein sachlicher Grund für die rechtsformabhängige Förderung
gemeinnützigen Engagements ist dabei nicht ersichtlich.
II. Stiftungszivilrecht
Noch in dieser Legislaturperiode soll nunmehr auch eine Reform
des Stiftungszivilrechts erfolgen und damit ein weiterer Beitrag zur Förderung
des Stiftungswesens geleistet werden. Grundlage des Gesetzesentwurfs ist der
umfangreiche Bericht der vom Bundesministerium der Justiz eingesetzten Bund-Länder-Arbeitsgruppe
vom 19.10.2002. Der Entwurf eines "Gesetzes zur Modernisierung des Stiftungsrechts"
(BR-Drucks. 108/02 v. 8.2.2002) sieht u.a. folgendes vor:
- Rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts sollen auch in
Zukunft aufgrund eines privatrechtlichen Stiftungsgeschäfts und eines
staatlichen Verwaltungsakts entstehen. Die staatliche Mitwirkung soll inhaltlich
nicht geändert, künftig jedoch nicht mehr als "Genehmigung"
(§ 80 BGB), sondern als "Anerkennung" (§ 80 Abs. 1
und 2 BGB-E) bezeichnet werden. Mit der begrifflichen Änderung wird dem
Grundgedanken der Stifterfreiheit sicherlich mehr als bisher Rechnung getragen.
Aber lassen sich damit wirklich neue Stifter zur Errichtung einer Stiftung
gewinnen? Ist ein Engagement für das Gemeinwohl in anderer Form als der
einer rechtsfähigen Stiftung, z.B. mittels einer Stiftungs-GmbH oder
einer unselbständigen Stiftung, nicht anerkennenswert?
- Der (nach überwiegender Meinung) schon bislang bestehende Rechtsanspruch
des Stifters auf Genehmigung einer Stiftung soll ausdrücklich gesetzlich
geregelt werden (§ 80 Abs. 2 BGB-E). Eine Stiftung "ist"
danach anzuerkennen, wenn die "dauernde und nachhaltige Erfüllung
des Stiftungszwecks gesichert ist und die Stiftung das Gemeinwohl nicht gefährdet".
Auf der Rechtsfolgenseite der Norm ist damit klargestellt, daß der staatlichen
Stiftungsbehörde bei der Anerkennung der Stiftung kein Ermessen zusteht.
Auf der Tatbestandsseite der Norm will man aber gleichzeitig zahlreiche unbestimmte
Rechtsbegriffe einführen. Inwieweit soll sich in der Praxis die Situation
für potentielle Stifter dadurch verbessern? Und: Kann eine Stiftung schon
vor ihrer Entstehung gegen das Gemeinwohl verstoßen, wenn der Stiftungszweck
den geltenden Gesetzen entspricht?
- Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen unter denen eine Stiftung errichtet
werden kann, sollen im Bürgerlichen Gesetzbuch bundeseinheitlich und
abschließend geregelt werden. Ungeklärt bleibt aber weiterhin,
welche Unterlagen der Stifter im Rahmen des Anerkennungsverfahrens vorzulegen
hat. Muß das Stiftungsgeschäft künftig nur noch in einfacher
Ausfertigung, und nicht mehr wie bisher in der Praxis üblich, mehrfach
vorgelegt werden? Kann die Stiftungsbehörde in Zukunft keine Erklärung
mehr verlangen, daß die vorgesehenen Mitglieder der Stiftungsorgane
bereit sind, ihr Amt zu übernehmen? Ist der Wert und die Ertragskraft
des Stiftungsvermögen künftig nicht mehr nachzuweisen? Kann der
Stifter die Stiftungssatzung in Zukunft im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen
unabhängig von etwaigen Mustersatzungen der jeweiligen Stiftungsbehörde
gestalten?
Der Gesetzesentwurf beschränkt sich auf einige Randkorrekturen
des Stiftungszivilrechts. Die zahlreichen Vorschläge, die in den vergangenen
Jahren für eine echte Reform des Stiftungszivilrechts unterbreitet worden
sind, hat der Gesetzgeber (entsprechend den Empfehlungen in dem Abschlußbericht
der Bund-Länder-Arbeitsgruppe) nicht aufgenommen.
- Mit der Reform des Stiftungszivilrechts will der Gesetzesgeber zu Recht
die Transparenz im Stiftungswesen verbessern. Die Schaffung eines (bundeseinheitlichen,
elektronisch geführten) Stiftungsregisters mit öffentlichem Glauben
ist jedoch nicht geplant. Die in manchen Bundesländern bestehenden Stiftungsverzeichnisse
sind keine Register mit öffentlichem Glauben. Die Bezeichnung als Stiftungsverzeichnis
ist vielmehr geeignet, bei den Beteiligten des Rechtsverkehrs falsche Vorstellungen
hervorzurufen oder zu bestätigen. Die Vertretung von Stiftungen richtet
sich weitgehend nach den Vorschriften des Vereinsrechts (s. die Verweisung
in § 86 BGB auf § 26 BGB). Im Interesse einer zuverlässigen
Information des (grenzüberschreitenden) Rechtsverkehrs wurden die Eintragungspflichten
u.a. im Bereich der Vereinsregister jüngst erweitert (Gesetz über
elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation, BGBl.
I 2001, 3422). Warum werden für Vereine leistungsfähige und moderne
Register eingerichtet, nicht aber für Stiftungen? In diesem Zusammenhang
ist darauf hinzuweisen, daß Gesellschaften bürgerlichen Rechts
mangels Publizität in einem öffentlichen Register bis heute nicht
als Berechtigte im Grundbuch eingetragen werden können. Rechtsfähige
Stiftungen werden demgegenüber trotz fehlender Publizität als grundbuchfähig
anerkannt.
- Nachdem auch in Zukunft keine öffentlichen Stiftungsregister geschaffen
werden sollen, kann die Vertretungsbefugnis der Stiftungsorgane weiterhin
in vielen Fällen nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. In der Praxis
erfolgt die Legitimation vielfach durch eine Vertretungsbescheinigung der
Aufsichtsbehörden. Der gute Glaube an die Richtigkeit der Vertretungsbescheinigung
ist aber nicht geschützt (s. demgegenüber z.B. § 68, § 70
BGB, § 15 HGB, § 173 BGB).
- Zum Schutz des Rechtsverkehrs bestehen heute für Kapital- und Personengesellschaften
vielfältige Publizitätspflichten. Auf Geschäftsbriefen müssen
verschiedene Mindestinformationen enthalten sein, im Handelsregister sind
bestimmte Geschäftsunterlagen offen zulegen und für Rechnungslegung
und Bilanzierung bestehen präzise gesetzliche Vorgaben. Angesichts der
positiven Wirkungen transparenter Marktverhältnisse hat der Gesetzgeber
die Publizitätspflichten in der Vergangenheit in den unterschiedlichsten
Bereichen zu Recht immer weiter ausgedehnt (s. z.B. das KapCoRiLiG,
BGBl. I 2000, 154 und den Entwurf eines Transparenz- und Publizitätsgesetzes
– TransPuG, BR-Drucks. 109/02; dazu Theile, GmbHR 2002, 231). Für
gemeinnützige Stiftungen, die i.d.R. vielfältige öffentliche
Vergünstigungen (z.B. Steuervorteile) in Anspruch nehmen, sind demgegenüber
auch in Zukunft keinerlei gesetzliche Publizitätspflichten vorgesehen.
- Die in der Vergangenheit oftmals kontrovers diskutierte Frage, ob und unter
welchen Voraussetzungen privatnützige Stiftungen (z.B. Familienstiftungen
oder unternehmensverbundende Stiftungen) zulässig sind, wird in dem Gesetzesentwurf
nicht ausdrücklich geregelt. In der Gesetzesbegründung wird lediglich
darauf hingewiesen, daß der auch künftig geltende Grundsatz der
gemeinwohlkonformen Allzweckstiftung keine Beschränkung der zulässigen
Stiftungszwecke auf steuerbegünstigte Zwecke bedeutet. Nachdem von privatnützigen
Stiftungen in aller Regel keine Gefährdung des Gemeinwohls ausgeht, wird
man wohl davon ausgehen müssen, daß auch in diesen Fällen
ein Rechtsanspruch auf Anerkennung einer Stiftung besteht. Abweichende Regelungen
in den Landesstiftungsgesetzen (s. z.B. § 6 Abs. 3 BrbgStiftG, § 7
Abs. 3 MecklVorPStiftG, § 4 NRWStiftG) könnten demnach künftig
nicht mehr angewandt werden (Art. 31 GG).
Es ist zu erwarten, daß die jahrelange Diskussion um die
Reform des Stiftungsrechts mit dem vorgelegten Gesetzesentwurf zum Stiftungszivilrecht
ein Ende finden wird. Mit grundlegenden Änderungen im laufenden Gesetzgebungsverfahren
ist nicht zu rechnen. Das Verfahren zur Gründung von Stiftungen dürfte
durch die Gesetzesänderungen kaum einfacher oder kürzer werden. Die
Transparenz im Stiftungsbereich wird sich gleichfalls nicht erhöhen. Das
vom Gesetzgeber selbst genannte Ziel einer Modernisierung und Förderung
des Stiftungswesens wird demnach kaum erreicht werden können.
Immerhin führt die politische Diskussion um die Reform des
Stiftungsrechts zu einer weiteren Verbreitung des Stiftungsgedankens und trägt
damit zumindest mittelbar zu einer Förderung des Stiftungswesens bei.
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