Friedrich Merz, MdB,
Rechtsanwalt, stellv. Vorsitzender der CDU/CSU- Bundestagsfraktion, Berlin

Gesetzgebungsverfahren zum "Steuervergünstigungsabbaugesetz" durch Vermittlungsverfahren abgeschlossen

Das fast sechsmonatige politische Ringen um das sog. "Steuervergünstigungsabbaugesetz" ist zu Ende (vgl. hierzu auch Merz, GmbHR 2003, R 121). Am 11.4.2003 haben Bundestag und Bundesrat der Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses v. 9.4.2003 (BT-Drucks. 15/841) zugestimmt. Die beschlossenen Regelungen betreffen insbesondere das Körperschaftsteuerrecht, das Gewerbesteuerrecht und die Abgabenordnung. Wesentliche Vorhaben im Einkommensteuerrecht konnte die Bundesregierung dagegen im Vermittlungsverfahren nicht durchsetzen.

Keine Einigung im Einkommensteuerrecht

Im Vermittlungsverfahren hatten die unionsregierten Länder von Anfang an deutlich gemacht, daß sie Steuererhöhungen im Einkommensteuerbereich nicht zustimmen könnten. Demzufolge ist eine Einigung zu einer Reihe von Maßnahmen nicht zustande gekommen, die im Gesetzentwurf der Bundesregierung noch enthalten waren. Dazu gehörte die Erhöhung der monatlichen Pauschalbesteuerung für die private Nutzung eines Firmenwagens auf 1,5 % des Listenpreises ebenso wie die Absenkung der linearen und der degressiven Gebäudeabschreibungen, die Besteuerung privater Veräußerungsgewinne z.B. bei Immobilien, Wertpapieren oder Kunstgegenständen, die Einführung flächendeckender Kontrollmitteilungen, die Einführung einer Mindeststeuer durch Einschränkung des Verlustausgleichs, die Besteuerung von kleineren Sachprämien (miles & more), die Abschaffung des Lifo-Verfahrens bei der Vorratsbewertung und die Nichtanerkennung von Jubiläumsrückstellungen. Ferner bleibt die gewerbesteuerliche Organschaft bestehen. Die Eigenheimzulage wird in einem späteren Gesetzgebungsverfahren im Hinblick auf die gleichmäßige Förderung von Neubau und Erwerb aus dem Bestand neu geordnet.

Höhere Belastung der Kapitalgesellschaften nicht vermeidbar

Eine höhere Belastung müssen dagegen Kapitalgesellschaften in Kauf nehmen. Nach der Körperschaftsteuerreform, die am 1.1.2001 in Kraft getreten war, ist das Körperschaftsteueraufkommen drastisch zurückgegangen. Die unionsregierten Länder wollten ebenso wie die CDU/CSU-Bundestagsfraktion Änderungen für die Ausschüttung der noch vorhandenen Körperschaftsteuerguthaben erreichen, damit eine gewisse Verstetigung des Aufkommens, das Bund und Ländern je zur Hälfte zufließt, erreicht wird.

Die für Kapitalgesellschaften wesentliche Änderung wird vorgenommen durch die Einführung eines neuen Abs. 2a in § 37 KStG. Danach sind Minderungen des noch vorhandenen Körperschaftsteuerguthabens durch Gewinnausschüttungen nach dem 11.4.2003 und vor dem 1.1.2006 nicht mehr möglich. Da Gewinnverwendungsbeschlüsse den Hauptversammlungen der Aktiengesellschaften vorbehalten sind, werden von dieser Neuregelung vor allem solche Gesellschaften betroffen sein, deren Vorstände und Aufsichtsräte entsprechende Beschlüsse schon gefaßt haben, die Bestätigung durch die HV aber nicht mehr möglich ist, da deren Datum nach dem 11.4.2003 liegt. Eine ganze Reihe von deutschen Aktiengesellschaften werden dadurch gegenüber denen benachteiligt, die eher zufällig frühere HV-Termine mit Ausschüttungsbeschlüssen angesetzt hatten. Diese Regelung wird zu Recht auf Kritik in der Industrie treffen. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung oder eine verfassungswidrig rückwirkende Steuergesetzgebung dürfte mit dieser Neuregelung aber wohl nicht verbunden sein, denn der Steuerpflichtige hat keinen Anspruch auf Fortgeltung eines ihn begünstigenden Steuerrechts.

Änderungen gibt es auch im Recht der körperschaftsteuerlichen Organschaft. Sie wird zukünftig erst anerkannt mit der Eintragung im Handelsregister, nicht mehr mit ihrer gesellschaftsrechtlichen Gründung. Die Mehrmütterorganschaft verliert gänzlich ihre steuerliche Anerkennung. Auch stillen Gesellschaftern wird der Verlustabzug nicht mehr ermöglicht, sofern der stille Gesellschafter eine juristische Person ist. Der Schutz, den Doppelbesteuerungsabkommen vor der Hinzurechnung von Einkünften aus sog. "passiven Tätigkeiten" einräumen, wird zukünftig nicht mehr gewährt.

Durch die Hinzurechnung des Gewerbesteuerertrags aus Gewerbesteuerstandorten mit einem Hebesatz unter 200 % verlieren Steueroasen im Gewerbesteuerrecht ihre Attraktivität ("Norderfriedrichskoog-Fälle"). Mit dem Vermittlungsergebnis wird schließlich auch die e-commerce-Richtlinie im deutschen Umsatzsteuerrecht umgesetzt.

Insgesamt erwartet die Bundesregierung durch die Neuregelungen Mehreinnahmen im Entstehungsjahr von rund 4,4 Mrd. Euro statt der ursprünglich vorgesehenen 17,3 Mrd. Euro.

Neue Dokumentationspflichten für Konzernverrechnungspreise

Für die lückenlose Dokumentation von Konzernverrechnungspreisen gibt es zukünftig eine neue gesetzliche Grundlage in § 90 Abs. 3 und § 162 Abs. 3 und 4 AO. Danach treffen den Steuerpflichtigen umfangreiche Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten bei Geschäftsvorfällen mit Auslandsbezug. Zur einheitlichen Rechtsanwendung über Art, Inhalt und Umfang der zu erstellenden Aufzeichnungen ist das BMF ermächtigt, eine Rechtsverordnung zu erlassen, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Diese Ermächtigungsgrundlage muß der Verordnungsgeber noch ausfüllen. Ein Entwurf des BMF liegt bereits vor. Allerdings werden von der Wirtschaft zahlreiche schwerwiegende Bedenken vor allem gegen die Vermutung im neuen § 162 Abs. 3 AO vorgetragen, daß die steuerpflichtigen Einkünfte im Inland höher sind als angegeben, wenn die Mitwirkungspflichten verletzt werden. Die Länder, die durch ihre Finanzverwaltungen für die praktische Anwendung der neuen Dokumentationspflichten zuständig sind, sollten bei der endgültigen Abfassung der Rechtsverordnung deshalb vor allem darauf achten, daß an die Pflichten zur Aufzeichnung der Geschäftsbeziehungen nicht zu detaillierte und bürokratische Anforderungen gestellt werden.

Weiteres Gesetzgebungsverfahren wird folgen

Bis zur parlamentarischen Sommerpause wird schließlich ein weiteres Gesetzgebungsverfahren folgen, in dem vor allem § 8a und § 8b KStG Gegenstand möglicher Änderungen sein werden. Die Entscheidung des EuGH v. 12.12.2002 -- Rs. C-324/00 -- "Lankhorst-Hohorst GmbH ./. FA Steinfurt", GmbHR 2003, 44 zwingt den Gesetzgeber zu einer Anpassung der Abzugsfähigkeit von Darlehenszinsen bei der Gesellschafterfremdfinanzierung an europäisches Recht. Möglicherweise werden auch Ausgaben, die mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, als Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht mehr anerkannt. Die Bundesregierung hat zum Abschluß des Vermittlungsverfahrens diese und einige andere Erwartungen an zukünftige Steuerrechtsänderungen in Form einer Protokollerklärung zum Ausdruck gebracht. Bundestag und Bundesrat haben eine zügige und gleichwohl sorgfältige Behandlung im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren zugesagt.


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