Ausländische GmbH: Partei- und Prozeßfähigkeit einer US-Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland

Art. XXV Abs. 5 Satz 2 Freundschaft-, Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29.10.1954 (BGBl. II 1956, 487 f.)

Zur Partei- und Prozeßfähigkeit einer in den Vereinigten Staaten von Amerika gegründeten Gesellschaft mit Verwaltungssitz in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrags.

BGH, Urt. v. 29.1.2003 -- VIII ZR 155/02

Tatbestand:

Die Klägerin (Kl.in) behauptet, als AG wirksam nach dem Recht des US-amerikanischen Bundesstaats Florida gegründet zu sein. Sie war an der R-GmbH mit einem Geschäftsanteil von 50.000 DM beteiligt. Durch notariellen Kauf- und Abtretungsvertrag v. 31.7.1995 verkaufte sie diesen Geschäftsanteil an den Bekl. zu einem Kaufpreis von 50.000 DM und übertrug den Geschäftsanteil an den Bekl.

Die Kl.in verlangt von dem Bekl. die Zahlung des Kaufpreises. Der Bekl. behauptet, die Kl.in habe ihren Verwaltungssitz allein in Deutschland. Der Bekl. meint deswegen, die Kl.in entbehre der Partei- und Prozeßfähigkeit. In der Sache macht der Bekl. geltend, daß seine Zahlungsverpflichtung durch eine Vereinbarung v. 13.9.1995 nachträglich entfallen sei.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Das OLG hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit der -- zugelassenen -- Revision begehrt die Kl.in die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

Das OLG hat ausgeführt:

Die Kl.in sei nicht rechtsfähig. Das Personalstatut der Kl.in bestimme sich entsprechend der sogenannten Sitztheorie nach dem tatsächlichen Sitz ihrer Hauptverwaltung. Die Anknüpfung an den Sitz der juristischen Person zur Ermittlung des Personalstatuts stehe auch nicht im Gegensatz zu Art. XXV Abs. 5 S.2 des Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika v. 29.10.1954, in dem es heißt:

"Gesellschaften, die gemäß den Gesetzen und sonstigen Vorschriften des einen Vertragsteils in dessen Gebiet errichtet sind, gelten als Gesellschaften dieses Vertragsteils; ihr rechtlicher Status wird in dem Gebiet des anderen Vertragsteils anerkannt."

Durch Art. XXV Abs.5 S.2 des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrags sei keine Kollisionsnorm des internationalen Privatrechts geschaffen worden. Zu diesem Ergebnis führe eine am Wortlaut und Sinn und Zweck der Regelung orientierte Auslegung. Da dem deutschen Gesellschaftsrecht eine "Incorporation" fremd sei, könne die Rechts- und Prozeßfähigkeit der Kl.in nur dann gegeben sein, wenn sie ihren Sitz im Gründungsstaat Florida habe. Darlegungs- und beweispflichtig hierfür sei die Kl.in. Daß der Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane in Florida liege, habe die Kl.in aber nicht hinreichend dargelegt.

II.

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das OLG durfte die Rechtsfähigkeit der Kl.in nicht mit der Begründung verneinen, es sei nicht festzustellen, daß sich der tatsächliche Sitz ihrer Hauptverwaltung im US-Bundesstaat Florida, dem Ort, an dem sie nach dem Vorbringen der Kl.in wirksam gegründet sei, befinde. Aufgrund des Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika v. 29.10.1954 (BGBl. II 1956, 487 f.) ist eine in den Vereinigten Staaten von Amerika wirksam gegründete und noch bestehende Kapitalgesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland rechtsfähig, gleichgültig, wo ihr effektiver Verwaltungssitz liegt.

1. Anwendung der Sitztheorie nach bisheriger Rechtsprechung

Nach der st. Rspr. des BGH ist bei der Beurteilung der Rechtsfähigkeit einer ausländischen juristischen Person allerdings grundsätzlich entsprechend der Sitztheorie das Recht des Staats maßgebend, in dem die juristische Person ihren Verwaltungssitz hat, wobei es nicht auf den in der Satzung genannten, sondern auf den tatsächlichen Verwaltungssitz ankommt (BGH v. 30.1.1970 -- V ZR 139/68, BGHZ 53, 181 [183]; v. 5.11.1980 -- VIII ZR 230/79, BGHZ 78, 318 [334]). Das gilt auch dann, wenn eine Gesellschaft in einem anderen Staat wirksam gegründet worden ist und sodann ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in die Bundesrepublik Deutschland verlegt. Die einmal erworbene Rechtsfähigkeit setzt sich nicht ohne weiteres in Deutschland fort. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Gesellschaft nach dem Recht des Gründungsstaats fortbesteht und ob sie nach deutschem Recht rechtsfähig ist (BGH v. 30.3.2000 -- VII ZR 370/98, ZIP 2000, 967 = GmbHR 2000, 715 unter B.2.a).

2. Abweichung durch Staatsverträge

Von den Regeln des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts kann aber durch Staatsverträge abgewichen werden (vgl. Art.3 Abs.2 S.1 EGBGB). Ein solcher Staatsvertrag besteht zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika in Form des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags v. 29.10.1954. Im Hinblick auf dieses Abkommen wird in der Rspr. und Lit. bezüglich der Frage der Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit von Gesellschaften überwiegend zu Recht die Anknüpfung an das Gründungsrecht befürwortet (vgl. OLG Zweibrücken v. 13.10.1986 -- 4 U 98/85, NJW 1987, 2168; OLG Düsseldorf v. 15.12.1994 -- 6 U 59/94, NJW-RR 1995, 1124; OLG Naumburg v. 19.12.1995 -- 7 U 146/95, juris; Beitzke, Einige Bemerkungen zur Rechtsstellung ausländischer Gesellschaften in deutschen Staatsverträgen, FS Luther (1976) S.1 [10]; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, 1980, §14 II.2.; von Bar, Internationales Privatrecht, Bd. II 1991, S.456; Ebenroth/Bippus, Die Anerkennungsproblematik im internationalen Gesellschaftsrecht, NJW 1988, 2137 f.; Bungert, Deutsch-amerikanisches internationales Gesellschaftsrecht, ZVglRWiss 93 (1994), 117, 134 f.; Ulmer, Die Anerkennung US-amerikanischer Gesellschaften in Deutschland, IPRax 1996, 100; MünchKomm-Sonnenberger, Internationales Privatrecht, 3. Aufl., Einleitung Rz.151; Münch.Komm./Kindler, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., Rz.241 f.; Palandt/Heldrich, BGB, 62. Aufl., Art.12 EGBGB Anh. Rz.21; Soergel/Lüderitz, BGB, 12. Aufl., Art.10 EGBGB Anh. Rz.12; a.A. OLG Düsseldorf v. 1.10.1997 -- 15 U 173/96, juris; Berndt, Die Rechtsfähigkeit US-amerikanischer Kapitalgesellschaften im Inland, JZ 1996, 187 f.; Staudinger/Großfeld, Internationales Gesellschaftsrecht, Neubearbeitung 1998, XVI, Staatsverträge Rz.210; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 8. Aufl. 2000, §17 II.5.c; Ebke, Unternehmensrecht und Binnenmarkt, RabelsZ 62 (1998), 209 [211]; offengelassen BFH v. 13.11.1991 -- I B 72/91, BStBl. II 1992, 263).

Art. XXV Abs.5 S.2 dieses Abkommens knüpft an das Gründungsrecht und nicht an das Sitzrecht der amerikanischen und deutschen Gesellschaften an; denn es bestimmt, daß als Gesellschaft eines Vertragsteils diejenigen Gesellschaften gelten, die gemäß den Gesetzen und sonstigen Vorschriften dieses Vertragsteils in dessen Gebiet errichtet worden sind. Durch die Regelung in Art. XXV Abs.5 S.2 Halbs. 2 des deutsch-amerikanischen Vertrages, wonach der rechtliche Status in dem Gebiet des anderen Vertragsteils anerkannt wird, ist festgelegt, daß die Gesellschaften, die entsprechend dem ersten Halbsatz des zweiten Satzes von Art. XXV Abs.5 im Gebiet eines Vertragsteils errichtet worden sind, als Rechtssubjekte in dem Gebiet des anderen Vertragsteils anerkannt werden. Nach dieser Vertragsbestimmung ist also eine in Übereinstimmung mit US-amerikanischen Vorschriften wirksam gegründete Gesellschaft als in der Bundesrepublik Deutschland rechtsfähiges Gebilde anzuerkennen. Die Anerkennung des rechtlichen Status durch Art. XXV Abs.5 S.2 des deutsch-amerikanischen Vertrags bedeutet zugleich, daß für eine Gesellschaft, die in dem Gebiet des einen Vertragsteils errichtet worden ist, die Regeln der Rechtsordnung dieses Vertragsteils die Voraussetzungen festlegen, unter denen diese Gesellschaft in dem Gebiet des anderen Vertragsteils als Rechtssubjekt handeln kann.

Für diese Auslegung des Art. XXV Abs.5 S.2 des deutsch-amerikanischen Handelsvertrages sprechen dessen Präambel als auch die Art. V Abs.5, VI Abs.1, VII Abs.1 und IX Abs.4. In der Präambel des Abkommens heißt es, daß der Vertrag auf den Grundsätzen der gegenseitig gewährten Inländerbehandlung und unbedingten Meistbegünstigung beruht. Die Gewährung der Inländerbehandlung und Meistbegünstigung wird ausdrücklich in Art. V Abs.5 des Vertrags für das Eigentum und die Räumlichkeiten von Gesellschaften des einen Vertragsteils im Gebiet des anderen Vertragsteils und in Art. IX Abs.4 hinsichtlich des Rechts, Vermögen jeder Art zu veräußern und anderweit darüber zu verfügen, gewährt. Durch Art. VI Abs.1 wird den Gesellschaften des einen Vertragsteils im Gebiet des anderen Vertragsteils hinsichtlich des Zutritts zu den Gerichten aller Instanzen "für die Verfolgung wie auch die Verteidigung ihrer Rechte Inländerbehandlung gewährt". Art. VII des Handelsvertrages gewährt schließlich die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften jedes Vertragsteils in dem Gebiet des anderen Vertragsteils.

Wenn Inländerbehandlung, Meistbegünstigung und Niederlassungsfreiheit vereinbart sind und eine Gesellschaft demgemäß sich in einem anderen Land geschäftlich betätigen darf, kann ihr dort nicht die Rechtspersönlichkeit abgesprochen werden, die ihr nach dem Recht des Staats zusteht, in dem sie errichtet worden ist. Insbesondere die Niederlassungsfreiheit hat die volle Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit mit zum Inhalt (vgl. Beitzke, aaO, S.10; vgl. nunmehr auch EuGH v. 5.11.2002 -- C 208/00, NJW 2002, 3614 = WM 2002, 2372 = GmbHR 2002, 1137 zum Vorlagebeschluß des BGH v. 30.3.2000 -- VII ZR 370/98, ZIP 2000, 967 = GmbHR 2000, 715 zum Verstoß gegen die in den Art.43 EG und 48 EG zuerkannte Niederlassungsfreiheit aufgrund der Anwendung der Sitztheorie). Die Rechts- und Parteifähigkeit der Kl.in ist dementsprechend nach dem Recht der Vereinigten Staaten von Amerika zu beurteilen. Dieses Recht hat der Tatrichter nach §293 ZPO von Amts wegen zu ermitteln (vgl. BGH v. 23.4.2002 -- XI ZR 136/01, WM 2002, 1186 unter II.2.b m.w.N.).

III.

Das angefochtene Urteil kann demgemäß keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist allerdings nicht zur Entscheidung reif, da es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf. Daher ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache ist zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückzuverweisen. -- sg --


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