Dr. Jochen Blöse,
Rechtsanwalt, Köln*

Sechs Jahre Sanierungs- und Kleingesellschafterprivileg -- Ein Grund zum Feiern?

Es liegt nunmehr sechs Jahre zurück, daß durch Art. 2 des Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetzes (KapAEG) die Privilegierung nichtunternehmerischer Kleinbeteiligungen (§ 32a Abs. 3 S. 2) und durch Art.10 des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) diejenige von Sanierungskrediten (§ 32 Abs. 3 S. 3) in das GmbH-Gesetz eingefügt wurden. Diese Jahrestage sind Anlaß genug, der Frage nachzugehen, ob die seinerzeitigen gesetzgeberischen Anliegen sich in der Unternehmenspraxis und Rechtswirklichkeit realisiert haben. Dies unternimmt Pentz, GmbHR, 2004, 529 -- in diesem Heft in einem umfassenden Sinne.

I. Gesetzgeberische Intention

Das Kleingesellschafterprivileg soll nach der Gesetzesbegründung im Kern dazu dienen, Gesellschafter -- wobei im wesentlichen auf natürliche Personen abgezielt wurde --, die nur eine geringfügige Beteiligung halten und auf das unternehmerische Handeln keinen Einfluß nehmen, von den einschneidenden Folgen der Anwendung des Eigenkapitalersatzrechts freizustellen. Dies sei gerechtfertigt, da solche Gesellschafter keine Finanzierungsverantwortung für die Gesellschaft hätten. Die Situation bei der GmbH sei der bei der AG (s. dazu die BuM/WestLB-Entscheidung des BGH v. 26.3.1984 -- II ZR 171/83, NJW 1984, 1893 = GmbHR 1984, 343 [LS]) vergleichbar und bei dieser habe der BGH bereits entschieden, daß eigenkapitalersatzrechtliche Regelungen erst ab einer gewissen Beteiligungsgrenze anwendbar seien. Ähnliches gelte auch für die GmbH, jedoch mangele es insoweit an einer klärenden höchstrichterliche Rechtsprechung, so daß eine Klarstellung durch den Gesetzgeber geboten sei (BT-Drucks. 967/96, S. 22 ff., Begründung zu Art. 2). Allerdings wurde schon während des Gesetzgebungsverfahrens die Vermutung geäußert, daß die wahre Intention des Gesetzgebers darin bestehe, die Möglichkeiten der Kapitalaufnahme zu erleichtern, indem insbesondere Kreditinstitute von dem Risiko der Eigenkapitalersatzverhaftung der von ihnen gewährten Kredite freigestellt werden (v. Gerkan, GmbHR 1997, 677 [678]). Zudem wurde -- mit Recht -- darauf hingewiesen, daß es sich bei dem gesetzgeberischen Tätigwerden anders als in der Gesetzesbegründung ausgeführt, nicht um eine bloße Klarstellung gehandelt hat, sondern vielmehr um eine Rechtsänderung (Pentz, GmbHR 1999, 437 [438]; Tillmann/Tillmann, GmbHR 2003, 325 [327 f.]).

Das sog. Sanierungsprivileg war im ursprünglichen Entwurf des KonTraG nicht enthalten und fand erst auf Initiative des Rechtsausschusses Aufnahme in das Gesetz. In der Beschlußempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses v. 4.3.1998 (BT-Drucks. 13/10038) heißt es dazu: "Mit dem neu eingefügten Sanierungsprivileg wird es einem Darlehensgeber ermöglicht, in der Krise der Gesellschaft Geschäftsanteile und unternehmerische Kontrolle zu übernehmen, ohne Gefahr zu laufen, daß seine stehengelassenen Alt-Kredite allein deshalb in eigenkapitalersetzende Darlehen umqualifiziert werden." (Angeblicher) Regelungsbedarf war insoweit durch die sog. Helaba/Sonnenring-Entscheidung (BGH v. 21.9.1981 -- II ZR 104/80, GmbHR 1982, 133) ausgelöst worden, in der der Gerichtshof die von einer Bank zur Rettung des Unternehmens gegebenen und stehengelassenen Kredite dann als kapitalersetzend betrachtet, wenn die Bank über eine Tochtergesellschaft die Mehrheit an dem Unternehmen übernimmt.

II. Gesetzgeberische Umsetzung

Die Einführung des Kleingesellschafterprivilegs hat viel Kritik erfahren. Diese entzündete sich bereits an der -- in der Tat mißglückten -- Gesetzesbegründung, nach der lediglich ein Klarstellung erfolge. Aber auch inhaltlich fand die Neuerung viel Widerspruch. So wurde verschiedentlich darauf hingewiesen, daß die vom Gesetzgeber ausdrücklich in Bezug genommene Kommentierung von Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl. 1995, §§ 32a/b, Rz. 56 eine Beteiligungsgrenze von unter 10 % als privilegierungswürdig genannt hatte und nicht auch eine Beteiligung von genau 10 % (s. dazu Rowedder/Schmidt-Leithoff-Pentz, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 32a, Rz. 83 mit umfangreichen Nachweisen zur Kritik an der Neuregelung; Tillmann/Tillmann, GmbHR 2003, 325 [327 f.]). In der Tat fügt sich die definierte Grenze nicht allzu harmonisch in den Gesetzeskontext ein, da ja § 50 und § 61 GmbHG gerade ab einer 10 %-Grenze weitergehende Gesellschafterrechte einräumen. Zudem wird die Starrheit der Regelung moniert, die wegen der Eindeutigkeit der 10 %-Grenze keinen Spielraum für eine einzelfallbezogene Feststellung der unternehmerischen Verantwortung des Darlehensgebers lasse (v. Gerkan, GmbHR 1997, 677 [678]; Tillmann/Tillmann, GmbHR 2003, 325 [328]).

Auch das Sanierungsprivileg ist mitunter mißtrauisch beäugt und hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit Systematik und Zweck des Kapitalersatzrechts kritisch hinterfragt worden (Ullrich, GmbHR 2000, 472 [473]), andererseits aber auch als "gesetzgeberisch notwendige Korrektur im ausufernden System des Eigenkapitalersatzrechts" (Götz/Hegerl, DB 2000, 1385 [1391]; mit einer grundsätzlich positiven Bewertung auch Vollmer/Smerdka, DB 2000, 757 [761]), die zwischen dem allgemeinen Sanierungsprivileg des GmbH-Gesetzes und den besonderen Sanierungsprivilegien nach dem Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (UBGG) unterscheiden) begrüßt worden.

Wie häufig nach einem gesetzgeberischen Tätigwerden gehen die Beseitigung von Zweifelsfragen und die Notwendigkeit der Auslegung nicht eindeutiger -- neuer -- gesetzlicher Regelungen Hand in Hand (s. dazu im einzelnen Pentz, GmbHR 2004, 529 -- in diesem Heft). Was die grundsätzliche Rechtfertigung eines Kleingesellschafter- und Sanierungsprivilegs anlangt, ist nunmehr zumindest festzustellen, daß es sich dabei nicht mehr um eine Besonderheit des deutschen Rechts handelt, sondern daß mit Inkrafttreten des östereichischen Eigenkapitalersatz-Gesetzes (s. dazu Arnold, GmbHR 2004, 43 [47]; Blöse, GmbHR 2004, 412) jetzt auch in unserem Nachbarland solche Regelungen Gesetz geworden sind. Andere bedeutsame Fragen aus dem großen Themenkreis der Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals warten hingegen nach wie vor diesseits und jenseits der Grenze darauf, daß der Gesetzgeber ein klarstellendes Wort spricht. So ist z.B. die Frage der Voraussetzungen und Wirkungen eines überschuldungsbeseitigenden Rangrücktritts (s. dazu Haas, GmbHR, 2004, 557 -- in diesem Heft) im Zusammenhang mit der Feststellung einer Krise immer noch mit Unklarheiten belastet.

 

* KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.


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