Martin Mildner,
Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht, Hamburg*

Cash-Management -- und kein Ende in Sicht?

Es ist längere Zeit her, dass ein Thema die gesellschaftsrechtliche Literatur so zum Schreiben veranlasst hat, wie es derzeit sämtliche Problembereiche im Zusammenhang mit Cash-Management-Systemen tun. Nach der Erinnerung des Autors hat es nicht einmal der Themenkomplex "qualifiziert faktischer Konzern" mit den atemberaubenden BGH-Urteilen zu "Autokran", "Video", "ITT", "TBB" und zuletzt "Bremer Vulkan" geschafft, ein ganzes Heft einer juristischen Zeitschrift mit einem Thema zu einem großen Teil auszufüllen.

Diese vorliegende Ausgabe der GmbH-Rundschau widmet sich -- abgesehen von der ebenfalls hochaktuellen Frage der Rentenversicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern (s. dazu Hillmann-Stadtfeld und Centrale für GmbH, GmbHR 2006, 470 und 473) -- dem Thema "Cash-Management" nicht nur durch die Wiedergabe der langerwarteten Begründung der gleichlautenden Parallel-Urteile des BGH zur Zulässigkeit von Cash-Management-Systemen im Rahmen einer Kapitalaufbringung (BGH v. 16.1.2006 -- II ZR 75/04 und II ZR 76/04, GmbHR 2006, 477, wobei nur das letztgenannte Urteil abgedruckt ist) und dem sich daran anschließenden GmbHR-Kommentar von Langner, GmbHR 2006, 480. Zusätzlich nehmen Bayer/Lieder, GmbHR 2006, 449 in ihrem Aufsatz eine Analyse der Urteile des BGH vor. Abgerundet wird das aktuelle Heft durch den Beitrag von Heidenhain, GmbHR 2006, 455, der die rechtlichen Konsequenzen der Parallel-Urteile des BGH in Bezug auf verschleierte Sacheinlagen kritisch hinterfragt.

I. Die Einordnung von Cash-Management-Systemen

Cash-Management-Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass sich die zu einer Unternehmensgruppe gehörenden Konzerngesellschaften verpflichten, ihren am Ende des Tages auf dem Konto befindlichen Liquiditätsüberschuss an eine andere Konzerngesellschaft (Liquiditätsgesellschaft) abzuführen. Befindet sich das Konto der Konzerngesellschaft im Saldo, so stellt die Liquiditätsgesellschaft in umgekehrter Richtung der Konzerngesellschaft die erforderliche Liquidität zur Verfügung. Wie die Zahlungsflüsse rechtlich zu behandeln sind, ist höchstrichterlich nicht geklärt. Dies zeigt sich eindrucksvoll daran, dass Bayer/Lieder ausführen, dass das Schrifttum die Zahlungsflüsse zutreffend als Darlehensverträge qualifiziert (Bayer/Lieder, GmbHR 2006, 449). Schon in einer früheren Ausgabe hat Blöse, GmbHR 2006, 146 (147) unter Berufung auf Hommelhoff herausgestellt, dass die Zahlungsströme gerade nicht als Darlehen, sondern vielmehr als zeitlich hinausgeschobene schuldrechtliche Rückzahlungsansprüche zu qualifizieren sind. Allein die Darlehensvariante überzeugt jedoch.

II. Cash-Management-Systeme und Kapitalerhaltung

In der viel diskutierten Entscheidung des BGH v. 24.11.2003 -- II ZR 171/01, GmbHR 2004, 302 m. Komm. Bähr/Hoos hatte der II. Zivilsenat des BGH darüber zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen die Darlehensgewährung einer GmbH an ihren Gesellschafter gegen zwingende Kapitalerhaltungsvorschriften verstoßen kann. Unter Abkehr von der bilanziellen Betrachtungsweise entschied der BGH, dass es allein auf eine dingliche Betrachtungsweise ankommen könne. Für den Gläubiger sei ein Guthaben auf einem Bankkonto mehr wert als eine reine Forderung gegenüber dem Gesellschafter.

Als obiter dictum führte der BGH aus, dass sich an dieser dinglichen Betrachtungsweise etwas ändern könne, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Möglicherweise u.a. dann, wenn die Vollwertigkeit der Forderung, die dingliche Absicherung der Forderung sowie ein überwiegendes Interesse der GmbH an der Darlehensvergabe zweifelsfrei gegeben ist.

Der letztgenannte Punkt nährte die Diskussion, ob das Urt. des BGH v. 24.11.2003 -- II ZR 171/01, GmbHR 2004, 302 m. Komm. Bähr/Hoos nicht auf Cash-Management-Systeme anzuwenden ist und damit eine Art Sonderecht für Cash-Management-Systeme existiert. Der Autor hat bereits an anderer Stelle ausgeführt, dass ein Cash-Management-System nicht im überwiegenden Interesse einer Konzerngesellschaft liegt, da der Gesellschaft liquide Mittel abgeführt werden (FAZ v. 25.1.2006 sowie FINANCE, April 2006, 36). Die Gesellschaft ist dem Wohl und Wehe des gesamten Konzernverbunds unterworfen. Auch die übrige Literatur geht überwiegend davon aus, dass die Grundsätze des Urteils des BGH uneingeschränkt auch auf Cash-Management-Systeme anzuwenden sind. Um dies zu verhindern, wird auf die Möglichkeit des Abschlusses eines Unternehmensvertrages verwiesen, wobei auch diese Möglichkeit aufgrund eines Urt. des OLG Thüringen v. 21.9.2004 -- 8 U 1187/03, GmbHR 2005, 1058 wieder in Frage gestellt wird (Hentzen, AG 2006, 133).

Festzuhalten bleibt, dass es derzeit höchstrichterlich nicht geklärt ist, ob die Kapitalerhaltungsvorschriften in Cash-Management-Systemen und im Rahmen eines Vertragskonzerns nicht anwendbar bzw. nur eingeschränkt anwendbar sind. Alle Anzeichen sprechen -- Dank des OLG München! -- dafür, dass der BGH über diese Frage in nächster Zeit zu entscheiden hat.

Das Urt. des OLG München v. 24.11.2005 -- 23 U 3480/05, GmbHR 2006, 144 mit Komm. Blöse vertritt unter Berufung auf BGH v. 24.11.2003 -- II ZR 171/01, GmbHR 2004, 302 m. Komm. Bähr/Hoos, sowie einen Aufsatz von Goette, ZIP 2005, 1481 die Auffassung, dass die Kapitalerhaltungsvorschriften auch im Rahmen von Cash-Management-Systemen ohne Einschränkung zur Anwendung gelangen. Dem Urt. des OLG München wird in der Literatur einhellig zugestimmt -- wenn es auch manchmal vielleicht nicht unbedingt begrüßt wird. Da das OLG München die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen hat, wird der BGH in nächster Zeit darüber zu entscheiden haben, ob er entgegen der Auffassung des OLG München ein Sonderrecht für Cash-Management-Systeme annimmt.

III. Cash-Management-Systeme und Kapitalaufbringung

Der BGH hat in seinen Parallel-Urteilen v. 16.1.2006 entschieden, dass es ein Sonderrecht für Cash-Management-Systeme im Rahmen der Barkapitalaufbringung jedenfalls nicht geben kann. Die Begründung der Urteile lässt die Schlussfolgerung zu, dass Cash-Management-Systeme eine erhöhte Gefahr in sich bergen, die Vorschriften zur Kapitalaufbringung zu unterlaufen, indem der Gesellschaft die angedachte Bareinlage in Wirklichkeit nicht zukommt.

In den vom BGH zu entscheidenden Fällen ist es so gewesen, dass die Gesellschaft die erhaltene Bareinlage nach der erfolgten Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister auf ein Bankkonto der Gesellschaft überwiesen hat. Das Konto war in das Cash-Management-System des Konzerns eingebunden. Durch die Einstellung der Bareinlage in das Cash-Management-System resultierte die Verpflichtung der Gesellschaft, diese im Wege der Kapitalerhöhung erhaltene Bareinlage am Ende des Tages an die Liquiditätsgesellschaft abführen zu müssen.

Durch die Abführung des Betrags an die Liquiditätsgesellschaft können sich zwei unterschiedliche Konstellationen ergeben, die gleichermaßen zu einem Verstoß gegen die Kapitalaufbringungsvorschriften führen. Möglich ist, dass der Gesellschaft bereits eine Forderung gegenüber der Liquiditätsgesellschaft aus dem Cash-Management-System zugestanden hat, die durch den Ausgleich des Bareinlagebetrags erhöht wurde. Möglich ist aber auch, dass der Liquiditätsgesellschaft vor der Abführung des Betrages eine Forderung gegenüber der Gesellschaft aus dem Cash-Management-System zugestanden hat, die durch die Abführung der Bareinlage lediglich reduziert wurde. Über diese zweite Variante hatte der BGH zu entscheiden.

Aufgrund der Urteile des BGH steht fest, dass beide Varianten dazu führen, dass die Bareinlage durch die Gesellschafter nicht wirksam erbracht werden kann. Die Begründung der fehlgeschlagenen Bareinlageleistung fällt unterschiedlich aus.

Der letztgenannte Fall ist einfach: Es liegt eine verdeckte Sacheinlage vor, da der Gesellschaft von ihren Gesellschaftern im Ergebnis nicht neue Barmittel zur Verfügung gestellt werden, sondern die Gesellschaft nur von einer Verbindlichkeit in Höhe der Bareinlage gegenüber der Liquiditätsgesellschaft befreit wird. Steht dieses Ergebnis fest, folgt daraus die von allen Autoren gleichermaßen gestellte Frage, in welcher Art und Weise eine verdeckte Sacheinlage geheilt werden kann. Für die Heilung ist die Einbringung der Forderung der Liquiditätsgesellschaft gegenüber der Gesellschaft im Wege der Sacheinlagevorschriften erforderlich. Die Einlagefähigkeit setzt die Werthaltigkeit der Forderung zu dem Zeitpunkt voraus, zu dem die Forderung eingebracht werden soll. Für die Werthaltigkeit der Forderung kommt es wiederum auf die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft an. Es ist zu fragen, ob die Gesellschaft dazu in der Lage ist, die Forderung aus eigenen Mitteln gegenüber der Liquiditätsgesellschaft zu erfüllen. Und dies hängt wiederum davon ab, ob die Gesellschaft weder zahlungsunfähig noch überschuldet ist. Auch wenn dies in der Literatur teilweise anders beurteilt wird, hängt die Sacheinlagefähigkeit weiter davon ab, dass es sich bei der Forderung nicht um ein eigenkapitalersetzendes Darlehen handelt. Nach Auffassung des Autors sind eigenkapitalersetzende Darlehen nicht einlagefähig.

Im anderen Fall, in dem durch die Abführung der Bareinlage lediglich eine Forderung der Gesellschaft gegenüber der Liquiditätsgesellschaft erhöht bzw. begründet wird, liegt die Lage anders. Es kann eine verdeckte Sacheinlage nicht angenommen werden. Die Gesellschaft wird nicht von einer Verbindlichkeit befreit. Der Grund für die Unwirksamkeit der Bareinlage ist darin zu sehen, dass der Bareinlagebetrag nicht zur endgültig freien Verfügung der Geschäftsführung steht. Aufgrund des Cash-Management-Systems ist von Anfang an bekannt gewesen, dass die Bareinlage an die Gesellschafter der Gesellschaft bzw. an eine den Gesellschaftern nahestehende Person zurückgeführt wird.

IV. Ausblick

Alea iacta est! Cash-Management-Systeme unterliegen keinen gelockerten Regelungen in Bezug auf die Kapitalaufbringung und die Kapitalerhaltung. Hierauf haben sich nicht nur die Konzerne, sondern auch deren rechtliche Berater einzustellen. Solange die geforderte Änderung der gesetzlichen Vorschriften nicht stattgefunden hat, hat sich die Hauptaufgabe der rechtlichen Berater darauf zu konzentrieren, sowohl den Gesellschaftern als auch gleichermaßen den Geschäftsführern der betroffenen Gesellschaft einen geeigneten Weg aufzuzeigen, um weder gegen die Kapitalerhaltungs- noch gegen die Kapitalaufbringungsvorschriften zu verstoßen. Die in diesem Heft hierzu erschienenen Beiträge zeigen auf, dass die rechtlichen Berater vor schwere, aber nicht unüberwindbare Hürden gestellt werden, um dieses Ziel zu erreichen.

 

* Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek, Lehrbeauftragter an der Universität Kiel und Dozent an der Universität Hamburg.

 



Zurück