Dr. Wolfgang Lingemann,
Köln*

Der Bericht der Bundesregierung zur "Fortentwicklung der Unternehmenssteuerreform":
Außer Spesen nichts gewesen?

Der 127 Seiten starke Bericht der Bundesregierung an den Finanzausschuß des Deutschen Bundestages zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (abzurufen unter http://www.gmbhr.de/heft/09_01/bfusteu.pdf) befaßt sich mit drei inhaltlichen Schwerpunkten: der Besteuerung von Umstrukturierungen, von verbundenen Unternehmen und von Auslandsbeziehungen. Die beschriebenen Nah-Ziele könnten noch in der laufenden Legislaturperiode gesetzlich umgesetzt werden. Ob das geschieht, läßt sich heute noch nicht mit Sicherheit sagen. Die wichtigsten Ergebnisse lauten wie folgt:

I. Umstrukturierung von Unternehmen

Für die Personenunternehmen sind geringfügige Änderungen vorgeschlagen worden; zu der Einführung der ersehnten Reinvestitionszulage für Veräußerungsgewinne aus Kapitalgesellschaftsanteilen kommt es "aus steuersystematischen" Gründen nicht. Die Überlegungen zur Neufassung des § 6 Abs. 5 S. 3 EStG innerhalb der gesetzlichen Nachfolgerregelung des aufgehobenen Mitunternehmererlasses sowie die Wiedereinführung der steuerneutralen Realteilung werden von Kloster/Kloster, GmbHR 2001, 420 -- in diesem Heft gewürdigt.

Bei der Veräußerungsgewinnbefreiung für die Anteile an Kapitalgesellschaften sollen verschiedene Schrauben "feinjustiert" werden: Für die Einbringungsklausel des § 8 b Abs. 4 KStG wird an eine Verkürzung der siebenjährigen Behaltefrist gedacht, um betriebswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen nicht zu behindern. Die Rückausnahme durch § 8 b Abs. 4 S. 2 Nr. 2 KStG, die die Fälle der vorangegangenen Beteiligungseinbringung durch natürliche Personen wieder aus dem Anwendungsbereich der Einbringungsklausel ausnimmt, soll eingeschränkt werden, damit die Halbeinkünftebesteuerung des Veräußerungsgewinns durch eine natürliche Person nicht durch eine Beteiligungseinbringung nach § 20 Abs. 1 S. 2 UmwStG vermieden werden kann. Aber die Rückausnahme soll um die Fälle der Einbringung von Beteiligungen an EU-Kapitalgesellschaften nach § 23 Abs. 4 UmwStG ergänzt werden (zur Veräußerungsgewinnbefreiung Eilers/Wienands, GmbHR 2000, 1229; van Lishaut/G.$$Förster, GmbHR 2000, 1121).

Übergang des Vermögens einer inländischen Betriebsstätte (§ 12 Abs. 2 S. 1, 3. Alt. KStG): Nach geltendem Recht sind in Fällen der Übertragung des Vermögens einer im Inland gelegenen Betriebsstätte einer beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft als ganzes auf einen anderen die im inländischen Betriebsvermögen ruhenden stillen Reserven aufzudecken und zu versteuern. Ein Ausscheiden der stillen Reserven aus der deutschen Steuerhoheit ist nicht Tatbestandsvoraussetzung. Das BMF ist der Meinung, daß § 12 Abs. 2 S. 1, 3. Alt. KStG nur die Fälle erfassen sollte, in denen durch die Übertragung des Vermögens der Betriebsstätte tatsächlich stille Reserven der inländischen Besteuerung entzogen werden.

Abwarten im Umwandlungssteuerrecht: Wegen der großen Probleme des geltenden Umwandlungssteuerrechts, besonders dessen "nationalen Ausrichtung", gelangte die Expertengruppe zu dem Ergebnis, daß eine gesetzgeberische Lösung wegen der Komplexität und des Gesamtzusammenhangs mit anderen Themen kurzfristig, das heißt in diesem Jahr, nicht möglich ist. Es wird auf den Entwurf der zehnten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie zu grenzüberschreitenden Umwandlungsvorgängen der EU verwiesen. Lediglich zu einigen Einzelpunkten wurden Änderungen ins Auge gefaßt, die jedoch bei der grundlegenden Überarbeitung des Umwandlungssteuergesetz erst aufgegriffen werden können (zum neuen Umwandlungssteuerrecht Haritz/Wisniewski, GmbHR 2000, 789).

Das BMF folgt für die Grunderwerbsteuer auf Umstrukturierungsmaßnahmen zurückhaltend der Auffassung der Wirtschaft, daß grunderwerbsteuerpflichtige Vorgänge in Konzernstrukturen eigentlich wegen der unveränderten Sachherrschaft der Konzernobergesellschaft nicht vorliegen. Da jedoch die Haushalte der Länder an die Grenzen ihrer finanziellen Belastbarkeit gelangt sind, setzt dies die Bereitschaft der Länder zum Nachgeben voraus.

II. Verbundene Unternehmen

Vorerst bleibt es bei der Erforderlichkeit eines Gewinnabführungsvertrags für die körperschaftsteuerliche Organschaft. Die Frage einer Besteuerung verbundener Unternehmen unter stärkerer Berücksichtigung von Konzerngesichtspunkten bedarf nach Auffassung des BMF einer umfassenderen Aufbereitung und unterliegt längerfristigerer Überlegung (zur Fortentwicklung der Organschaft insbesondere Prinz, FR 2000, 1255).

Vororganschaftliche Verluste: Nach Forderungen der Wirtschaft sollen vororganschaftliche Verluste auf der Ebene der Organgesellschaft verrechnet werden, bevor das verbleibende Einkommen dann dem Organträger zugerechnet wird. Aus Sicht der Finanzverwaltung sollten die Regelungen der körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Organschaft angeglichen werden. Die Verwaltung spricht sich tendenziell gegen eine steuerliche Berücksichtigung von vororganschaftlichen Verlusten sowohl bei der körperschaftsteuerlichen als auch bei der gewerbesteuerlichen Organschaft aus.

Organschaft zu ausländischen Rechtsträgern: Vertreter der Wirtschaft und der Finanzverwaltung vertreten die Auffassung, es künftig als Voraussetzung für die Organschaft ausreichen zu lassen, wenn sich der Sitz oder die Geschäftsleitung des Organträgers im Inland befindet. Es wird davon ausgegangen, daß die Unternehmen regelmäßig eine deutsche Buchführung erstellen, die der Gewinnermittlung zugrundegelegt werden kann. Die Anpassung der Organschaftsvoraussetzungen für die unbeschränkte Steuerpflicht ist auch kurzfristig möglich.

Gewerbesteuerliche Organschaft: Die Vertreter der Wirtschaft schlagen vor, für Zwecke der Gewerbesteuer an der wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung festzuhalten und eine solche Eingliederung immer dann zu vermuten, wenn ein Gewinnabführungsvertrag vorliegt. Damit wäre weiterhin eine gewerbesteuerliche Organschaft nach den bisherigen Kriterien – ohne einen Gewinnabführungsvertrag – möglich. Das BMF befürwortet diesen vorgeschlagenen Kompromiß. Ferner sollte das Additionsverbot bei der gewerbesteuerlichen Organschaft abgeschafft werden.

Aufwendungen im Zusammenhang mit steuerfreien Dividenden: An eine Einschränkung oder Aufhebung des neuen § 3 c Abs. 1 EStG denkt das BMF, soweit Aufwendungen innerhalb derselben Konzernstruktur anfallen, nicht jedoch, wenn steuerliche Ergebnisse konzernübergreifend verrechnet werden könnten. An eine Streichung von § 3 c Abs. 2 EStG wird dagegen nicht gedacht.

Zwischenschaltung von Personengesellschaften in Konzernen: Das GewStG soll dahingehend geändert werden, daß Erträge aus Beteiligungen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften (einschließlich der Gewinne aus der Veräußerung solcher Beteiligungen) zur Ermittlung des Gewerbeertrags nach § 9 GewStG ohne die bisher geltenden Einschränkungen gekürzt und damit im Zusammenhang stehende Aufwendungen nach § 8 GewStG hinzugerechnet werden.

III. Außensteuerrecht

Schon jetzt werden folgende Schwerpunkte einer zukünftigen Änderung der Hinzurechnungsbesteuerung wie folgt benannt: 1. Anerkennung der Unschädlichkeit mehrstufiger Holdingstrukturen, unabhängig davon, ob die Formen der so genannten Landes- oder Funktionsholding gegeben sind, unter Beibehaltung des Zugriffs auf passiv tätige Untergesellschaften. 2.Einbeziehung des sog. Hinzurechnungsbetrags in das steuerliche Einkommen des inländischen Anteilseigners, unter Einbeziehung natürlicher Personen, und zwar bei diesen ohne Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens, aber mit Freistellung der späteren Dividende. 3. Senkung der Quote, mit der ein Inländer an einer Gesellschaft mit Kapitalanlagecharakter mindestens beteiligt sein muß, um mit dem anteiligen Kapitalanlageeinkünften von der sog. verschärften Hinzurechnungsbesteuerung erfaßt zu werden, von 10 v.H. auf 1 v.H., unter Umständen auch auf einen noch niedrigeren Prozentsatz. Eine inhaltliche und gesetzestechnische Gesamtreform des Außensteuergesetzes bleibt weiterhin Programm.

Kurzfristig vorgesehenen Änderungen des AStG und des AuslInvG: Das BMF schlägt vor, die bisherige Beschränkung der Holdingbegünstigungen auf den dreistufigen Konzernaufbau fallen zu lassen (§ 8 Abs. 1 und 2 AStG). Dadurch wird erreicht, daß bei der ausländischen Obergesellschaft nicht nur Dividenden aus unmittelbaren Beteiligungen, sondern auch aus mittelbaren Beteiligungen von der Zugriffsbesteuerung ausgenommen werden. Damit werden alle Ausschüttungen generell von der Hinzurechnungsbesteuerung freigestellt. Bei ausländischen Zwischengesellschaften mit Kapitalanlageeinkünften schlägt das BMF vor, die Mindestbeteiligung entsprechend der Regelung in § 17 EStG grundsätzlich auf 1 v.H. festzulegen. Das BMF strebt jedoch an, bei Kapitalanlagegesellschaften, deren Anteile in Form von Spar-Modellen angeboten werden, auf die Festlegung einer Mindestbeteiligungsquote völlig zu verzichten. Der Vorteil wäre, daß einerseits nicht alle Kleinst-Anleger von der Zugriffsbesteuerung erfaßt, andererseits aber unerwünschte Sammelgestaltungen in Form von Kapitalanlagen in Niedrigsteuerländern mit einbezogen werden. Das Holdingprivileg für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter soll nicht länger auf den dreistufigen Konzernaufbau beschränkt bleiben. Es bleibt aber auch hier beim Zugriff auf ausländische Untergesellschaften mit passiven Einkünften, zu denen allerdings Beteiligungserträge nicht mehr rechnen. Bei einem Verzicht auf den Zugriff auf Beteiligungserträge sollte ebenfalls eine Regelung getroffen werden, die sicherstellt, daß die notwendigen Nachweise über Art und Umfang der Einkünfte der einzelnen Konzerngesellschaften vom inländischen Anteilseigner vollständig erbracht werden. Für Kleinaktionäre könnten auch in diesem Falle durch Verwaltungsanweisung Erleichterungen vorgesehen werden.

Bei den Erträgen aus der Konzernfinanzierung (§ 10 Abs. 6 S. 3 AStG) soll die Bemessungsgrundlage an die Absenkung des Körperschaftsteuersatzes auf 25 % angepaßt werden. Die Regelung soll zudem auch auf Erträge, die eine Betriebsstätte im Ausland aus der Finanzierung von aktiven Konzerngesellschaften erzielt, ausgedehnt werden. Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen sind wie andere Beteiligungserträge grundsätzlich von der Zugriffsbesteuerung auszunehmen. Soweit Veräußerungsgewinne bei Anteilen an niedrig besteuerten Kapitalanlagegesellschaften erzielt werden, sollte es nach Auffassung des BMF allerdings bei der Zugriffsbesteuerung bleiben. Bei der Steuer auf den Hinzurechnungsbetrag (gegenwärtig definitiv mit 38 % Körperschaft- oder Einkommensteuer) erhält das BMF nicht länger an der starren Belastung fest. Vielmehr soll der Hinzurechnungsbetrag entsprechend der Regelung vor dem Steuersenkungsgesetz wieder dem regulären Einkommen der Anteilseigner zugerechnet werden, und zwar sowohl für Körperschaften als auch für natürliche Personen und Personengesellschaften.

Bei den Ausschüttungen von Gewinnanteilen an natürliche Personen und Personengesellschaften (§ 11 Abs. 1 und 2 AStG) soll der Zeitraum, innerhalb dessen nachfolgende Ausschüttungen um Hinzurechnungsbeträge aus Vorjahren gemindert werden, ausgedehnt werden. Bei der Feststellung der niedrigen Besteuerung sollen Steuern, die eine ausländische Kapitalgesellschaft außerhalb des Sitzstaates entrichtet, zukünftig mitberücksichtigt werden. Die Frage, wie Verlustverrechnungen berücksichtigt werden können, ist nach Meinung des BMF aber noch nicht ausreichend geklärt.

Auslandinvestmentgesetz: Das Halbeinkünfteverfahren sollte auf die sog. weißen Fonds i.S.d. § 17 AuslInvG ausgedehnt werden. Bei den sog. grauen und schwarzen Fonds bleibt es bei der Nichtanwendung des Halbeinkünfteverfahrens.

IV. Fazit

Niemand hat von dem Bericht Wunder erwartet. Daß er sich auf redaktionelle Fehlerkorrektur des StSenkG beschränkt und im übrigen auf zukünftige große Schritte der Reform verweist, enttäuscht etwas. Es bleibt spannend, welche der jetzt angedeuteten Änderungen überhaupt Eingang in das Gesetz finden werden. Der Bericht hält jedenfalls, was seine Einleitung verspricht: "Zusätzliche Einnahmeausfälle" wegen der Weiterentwicklung der Unternehmenssteuerreform "kommen nicht in Betracht."
 
 
 
 

* Schriftleiter der "Finanz-Rundschau".
 

Zurück