Peter Reindl;
Wirschaftsprüfer und Steuerberater,
München*

Rechnungslegung nach IAS/IFRS -- Pflicht oder Kür?

Die Verordnung (EG) Nr.1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards verpflichtet kapitalmarktorientierte Gesellschaften mit Sitz innerhalb der EU für Geschäftsjahre, die ab dem 1.1.2005 beginnen, im Konzernabschluß zwingend die International Accounting Standards (IAS), künftig International Financial Reporting Standards (IFRS), anzuwenden. Im Gegensatz zu einer Richtlinie, die erst der mitunter langwierigen nationalen Umsetzung bedarf, stellt die Verordnung unmittelbar geltendes Recht der Mitgliedstaaten dar und zeugt somit von einer gewissen Entschlossenheit, mit der die Thematik angegangen wird. Für Gemeinschaftsunternehmen, die den organisierten Kapitalmarkt lediglich durch Schuldtitel in Anspruch nehmen oder deren Wertpapiere zum öffentlichen Handel in einem Nicht-Mitgliedstaat zugelassen sind und die bereits international anerkannte Standards wie z.B. US-GAAP anwenden, sieht die EU-Verordnung die verpflichtende Anwendung der IAS/IFRS erleichternd erst für Geschäftsjahre vor, die ab dem 1.1.2007 beginnen.

Mitgliedstaatenwahlrecht für Einzelabschlüsse und andere Unternehmen

Hinsichtlich der Einzelabschlüsse der kapitalmarktorientierten Unternehmen sowie der Einzel- und Konzernabschlüsse anderer Unternehmen besteht ein Wahlrecht der Mitgliedstaaten, die Anwendung der IAS/IFRS fakultativ oder verpflichtend vorzusehen bzw. die Anwendung zu untersagen. Derzeit können noch keine konkreten Aussagen darüber getroffen werden, wie diese Wahlrechte ausgeübt werden, es spricht jedoch einiges dafür, daß den betroffenen Unternehmen Freiheitsgrade verbleiben, deren zukünftige Nutzung bereits jetzt ins Kalkül zu ziehen ist.

Die Aufstellung des Einzelabschlusses nach IAS/IFRS könnte z.B. für jene nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen interessant erscheinen, die in den Konzernabschluß eines zur Anwendung der IAS/IFRS verpflichteten Mutterunternehmens einbezogen werden und somit bereits aus diesem Grund eine Handelsbilanz II nach IAS/IFRS aufzustellen haben.

Einer allgemein verpflichtenden Übernahme der IAS/IFRS für den Einzelabschluß stehen allerdings hierzulande insbesondere der Maßgeblichkeitsgrundsatz der Handelsbilanz für die steuerliche Gewinnermittlung und Bedenken hinsichtlich der Kapitalerhaltung entgegen. Während letzteren mit Ausschüttungssperren wirksam begegnet werden könnte, erscheint die Anwendung der IAS/IFRS, zumindest solange die zunehmend aufgeweichte Maßgeblichkeit im Grundsatz Bestand haben soll, in naher Zukunft eher unwahrscheinlich. Im vorrangig der Informationsfunktion verpflichteten Konzernabschluß ist dagegen der Spielraum für eine fakultative oder verpflichtende Anwendung deutlich größer.

Einige der bei Anwendung der IAS/IFRS propagierten Vorteile, wie z.B. die Vereinheitlichung von internem und externem Rechnungswesen oder eine bessere Selbstinformation, kommen freilich erst dann in effizienter Weise zum Tragen, wenn die Rechnungslegung nach IAS/IFRS sowohl im Einzel- als auch im Konzernabschluß erfolgt.

Freiwillige Rechnungslegung nach IAS/IFRS wegen Ratinganforderungen?

Manche nicht primär zur Rechnungslegung nach IAS/IFRS verpflichteten Unternehmen könnten bald vor der Frage stehen, ob durch die freiwillige Rechnungslegung nach IAS/IFRS Vorteile erzielt oder zumindest Nachteile vermieden werden können. Denkbar ist hierbei, daß sich gerade für Mittelstandsunternehmen mit oftmals geringen Eigenkapitalquoten durch die Ratinganforderungen der Kreditinstitute im Zusammenhang mit "Basel II" Handlungsbedarf ergeben könnte.

Wenn auch keineswegs zwingend, resultieren aus der Umstellung der Rechnungslegung von HGB auf IAS/IFRS häufig steigende Eigenkapitalquoten, die beispielsweise aus über den bisherigen Buchwerten liegenden Bewertungen von Vermögensgegenständen zum fair value oder Teilgewinnrealisierungen nach dem Fertigstellungsgrad bestimmter Projekte herrühren. Sofern nun bei bankinternen Ratingverfahren aus Effizienzgründen Auswertungsmodule zur Anwendung kommen, die nicht notwendigerweise nach den zugrunde liegenden Rechnungslegungsnormen unterscheiden, stehen HGB-Bilanzierer im Wettbewerb mit denjenigen Unternehmen, die durch Anwendung der IAS/IFRS stille Reserven aufgedeckt haben. Es ist somit nicht auszuschließen, daß erstere wegen vermeintlich schlechterer Kennzahlen mit höheren Kreditkosten oder Ablehnung des Kreditantrags sanktioniert werden.

Zwar werden Banken immer versuchen, die Kreditvergabe und die entsprechenden Konditionen allein von der tatsächlichen wirtschaftlichen und finanziellen Situation des Unternehmens abhängig zu machen, die bei kurzfristiger Betrachtung zunächst einmal unabhängig von den beim Kreditnehmer angewandten Rechnungslegungsnormen sind. Allerdings kann ein Jahresabschluß nach IAS/IFRS hier höheren Transparenzanforderungen gerecht werden und als "vertrauensbildende Maßnahme" dazu beitragen, daß der Umfang der bei Kreditverhandlungen über den Jahresabschluß hinaus zu kommunizierenden Sachverhalte möglicherweise erheblich reduziert wird.

Rechtzeitige Auseinandersetzung mit den Regelungen nach IAS/IFRS notwendig

Eine Aussage über mögliche Änderungen der maßgeblichen Kennzahlen des Jahresabschlusses kann freilich erst dann getroffen werden, wenn die Unterschiede beider Rechnungslegungssysteme bekannt sind. Die Spannweite der Unterschiede reicht in Abhängigkeit von der Branche und den jeweiligen unternehmensspezifischen Gegebenheiten von sehr gering bis dramatisch. Aus diesem Grund wird es in vielen Fällen auch kleineren und mittleren Unternehmen anzuraten sein, sich mit den Regelungen der IAS/IFRS auseinander zu setzen, um mögliche Auswirkungen einer Umstellung einschätzen zu können.

Die Anforderungen an das Rechnungswesen eines Unternehmens im Falle einer Umstellung auf IAS/IFRS, bzw. einer parallelen Anwendung neben der Rechnungslegung nach HGB, sind erheblich und dürfen keinesfalls unterschätzt werden. Die Verpflichtung zur Angabe von Vergleichszahlen für das Vorjahr zwingt de facto bereits zwei Jahre vor der erstmaligen Aufstellung des Abschlusses nach IAS/IFRS zur Anwendung dieser Vorschriften. Ein auf den 31.12.2005 aufzustellender Abschluß nach IAS/IFRS erfordert somit bereits zum 31.12.2003 die erstmalige Anwendung der IAS/IFRS, um die maßgeblichen Eröffnungsbilanzwerte zum 1.1.2004 vorhalten zu können.

Neben den erhöhten Kosten für die Aufstellung und Prüfung des Jahresabschlusses ist auch abzuwägen, ob eine Umstellung Auswirkungen auf andere Unternehmensbereiche hat. So ist beispielsweise zu bedenken, ob vertragliche Vereinbarungen auf bislang nach HGB-Grundsätzen ermittelte Daten oder Kennzahlen Bezug nehmen und im Falle einer Umstellung überarbeitet werden müssen.

Wenn durch die EU-Verordnung v. 19.7.2002 zunächst auch nur vergleichsweise wenige Unternehmen unmittelbar verpflichtet werden, ist hiermit ein weiteres deutliches Signal hin zu einer Vereinheitlichung der Rechnungslegung zumindest für das Gemeinschaftsgebiet gesetzt worden. Für den Konzernabschluß bewirkt die Arbeit des Deutschen Standardisierungsrates (DSR) mit den hieraus resultierenden Deutschen Rechnungslegungsstandards (DRS) schon seit einiger Zeit eine Hinwendung zu den IAS/IFRS und auch für den Einzelabschluß stehen die Zeichen eindeutig in Richtung einer weitergehenden Harmonisierung, die z.B. durch eine Annäherung des HGB an die IAS/IFRS vollzogen werden kann.

Fazit

Je länger der Betrachtungshorizont, desto wahrscheinlicher wird eine zumindest fakultative Anwendung der IAS/IFRS auch für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen. Die Auseinandersetzung mit den entsprechenden Rechnungslegungsvorschriften ist angesichts der Dynamik der Entwicklung bereits jetzt anzuraten, um zukünftige Wahlrechte rechtzeitig und zielgerichtet nutzen zu können.


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