Robin Melchior,
Richter am Amtsgericht, Berlin

Frühjahrsputz bei der GmbH

Zur Ankündigung grundlegender Reformen des GmbH-Gesetzes

Wenn man den Erfolg einer Rechtsform objektiv daran mißt, wie oft höchste Stellen im Staate sich damit befassen, dann waren die Monate März und April 2005 absolute Höhepunkte für die GmbH. Leider gab es wenig Lob für die GmbH, obwohl sie mit immerhin fast 900.000 Exemplaren in Deutschland die Organisationsform und das Investitionsvehikel schlechthin ist für kleine und mittlere Unternehmen. Stattdessen wurde die GmbH für fast alle schlechten Nachrichten der jüngeren Vergangenheit verantwortlich gemacht. Deshalb wurden grundlegende Reformen des GmbH-Gesetzes angekündigt. Das wichtigste in Kürze:

I. Absenkung des Mindestkapitals

In seiner Regierungserklärung am 17. März dieses Jahres führte Bundeskanzler Gerhard Schröder in freier Rede wörtlich aus:

"Der zweite Bereich, über den wir uns verständigen müssen, betrifft die kurzfristige Verstärkung der Investitionen. ... Wir müssen schneller zu Existenzgründungen kommen, als es gegenwärtig der Fall ist. Um nur ein Beispiel zu nennen: Mit einer Novelle des GmbH-Gesetzes können wir zu einer substanziellen Absenkung des für die Gründung notwendigen Mindestkapitals kommen."

Anfängliche Befürchtungen, damit sei das Tor für die "1-Euro-GmbH" geöffnet worden, erwiesen sich als unberechtigt, wie der am 29.4.2005 vom BMJ veröffentlichte Referenten-Entwurf eines "Gesetzes zur Neuregelung des Mindestkapitals der GmbH (MindestKapG)" zeigt (Volltext): Statt 25.000 € sollen es ab 2006 nur noch 10.000 € Stammkapital sein. Durch die Absenkung werde es insbesondere Existenzgründern aus dem Dienstleistungsbereich erheblich einfacher, unternehmerisch tätig zu werden, heißt es im BMJ. Diese These wird durch die empirischen Feststellungen von Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 insoweit bestätigt, als daß Dienstleistungsunternehmen diesen Zuschnitts generell keinen Kapitalbedarf in Höhe von 25.000 € haben. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, das derzeitige Mindestkapital der GmbH behindere faktisch Unternehmensgründungen im Dienstleistungsbereich. Ein Blick auf die Statistiken der Gewerbeämter zeigt, daß sich die gesamte dynamische Entwicklung im Bereich der Set-Ups (Ich-AG, zulassungsfreies Handwerk, House Facilities etc.) als Kleingewerbetreibende vollzieht, also ohne Handelsregister und ohne Gründung einer GmbH. Außerdem sei die Frage erlaubt, wofür man in diesem Bereich überhaupt eine GmbH benötigt. Der Geschäftsbetrieb derartiger Unternehmen stellt kein erhöhtes Haftungsrisiko dar, das den Aufwand einer Haftungsbeschränkung durch Gründung einer juristischen Person rechtfertigt. Hinzu kommt, daß die Besicherungspraxis der Banken und Sparkassen die Haftungsbeschränkung obsolet macht (z.B. durch Gesellschafter-Bürgschaft für GmbH-Kredite).

Mit der Absenkung des Mindest-Stammkapitals auf 10.000 € wird der Zustand wiederhergestellt, der bis 1985 so heftig kritisiert worden war, nämlich die geradezu katastrophale Eigenkapitalquote, die einen dauerhaften Geschäftsbetrieb unmöglich macht und ein Risiko für alle Gläubiger darstellt. Seit der Aufstockung des Mindestkapitals auf 50.000 DM und Umstellung auf 25.000 € hat sich die Eigenkapitalausstattung tendenziell nicht verbessert. Eine GmbH, in die dezidiert für die Anschaffung von Wirtschaftsgütern investiert werden soll, ist heute meist schon unterkapitalisiert. Zudem wird es Neugründungen wegen der Auswirkungen der Basel-II-Auflagen künftig schwer fallen, überhaupt und günstig Fremdkapital aufzunehmen. Vergessen werden darf in diesem Zusammenhang nicht, daß ein geringeres Stammkapital im Lichte der Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführer problematisch ist. Der Zahlenkorridor, der darüber entscheidet, ob eine Überschuldung vorliegt oder nicht, wird künftig extrem eng werden, weil das Eigenkapital-Polster kleiner werden wird.

Ferner soll die Absenkung des Mindestkapitals flankiert werden von der Pflicht, auf Geschäftsbriefen die Höhe des gezeichneten Stammkapitals anzugeben. Diese Transparenz wird man dann konsequenterweise auch auf die Geschäftsbriefe der Zweigniederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften ausdehnen müssen, z.B. bei einer britischen 100-Pfund-Limited.

Erfreulich ist, daß die Absenkung des Mindestkapitals nicht verbunden werden soll mit der Aufgabe der Grundsätze der Kapitalaufbringung und des Kapitalerhalts, den Eckpfeilern des Gläubigerschutzes im System der deutschen Kapitalgesellschaften. Vorgesehen ist sogar, in einem weiteren Gesetz der mißbräuchlichen Verwendung der GmbH in der Krise entgegenzutreten. Gemeint sind insbesondere die sog. Bestattungsfälle, bei denen die GmbH zum Schaden der Gläubiger einer ordentlichen Liquidation oder Insolvenz entzogen wird und Geschäftsführer sowie Gesellschafter sich ihrer Verantwortung entziehen.

II. Rolle des Handelsregisters bei GmbH-Gründungen

Ein weiterer Punkt in der Regierungserklärung vom 17. März betrifft die Rolle des Handelsregisters bei der GmbH-Gründung:

"Wir werden ein elektronisches Handelsregister einführen, damit Neugründungen binnen Tagen realisiert werden können und nicht Monate brauchen. Dieser Punkt hat sehr viel mit Bürokratieabbau zu tun."

Die Bundesregierung veröffentlichte daraufhin überregional folgende Anzeigen:

"Vereinfachte GmbH-Gründungen. Ein elektronisches Handelsregister ermöglicht zukünftig GmbH-Neugründungen innerhalb weniger Tage statt bisher innerhalb eines Monats. Das erleichtert Existenzgründungen und eröffnet neue Chancen für mehr Arbeit."

Dieses Statement ist einen näheren juristischen Blick wert: Nach EU-Richtlinien besteht ohnehin die Pflicht, in Deutschland bis zum 1.1.2007 ein elektronisch geführtes Handelsregister flächendeckend einzuführen. Der Vorteil eines elektronischen Handelsregisters besteht aber nicht primär in der schnelleren Eintragung, sondern in der Online-Auskunft. Unternehmen und Verbraucher sind nicht nur am Input (Eintragung), sondern immer auch am Output des Handelsregisters interessiert. Hierzu gibt es seit dem 7.4.2005 den Referenten-Entwurf für ein Gesetz über elektronische Handels- und Unternehmensregister -- EHUG (Volltext; s. auch Überblick in GmbHR 2005, R 149; aus EU-Sicht Becker, GmbHR 2005, R 169 -- in diesem Heft), das einen bundesweit einheitlichen Internet-Zugriff auf alle Eintragungen der bisher bei über hundert Amtsgerichten geführten Handelsregister ermöglichen wird. Zudem sollen elektronische Dokumente in vielen Fällen die Papier-Urkunden ersetzen.

Der Wunsch, Eintragungen in das Handelsregister künftig binnen Tagen zu realisieren, bedeutet eine Novelle der Handelsregisterverordnung (HRV). Bereits jetzt besteht nach § 25 Abs. 1 S. 2 und 3 HRV die Pflicht, binnen eines Monats nach Eingang der Unterlagen die Gesellschaft einzutragen oder bei Eintragungshindernissen in Form einer Zwischenverfügung zu reagieren.

Ungewöhnlich ist der Verwendung des Begriffs der Bürokratie in den zitierten Verlautbarungen. Bürokratie ist jede Form der Behinderung wirtschaftlicher Aktivitäten. Ist die Gründung einer GmbH deshalb bürokratisch, weil der Gesetzgeber seit 130 Jahren detailliert formale und inhaltliche Voraussetzungen für die Errichtung und den Betrieb einer GmbH festlegt? Es ist einfach, im Kontext von Justiz den Begriff der Bürokratie fallen zu lassen und schon wird die Sau durchs Dorf getrieben. Juristisch korrekt wäre es, daran zu erinnern, daß der gesamte Aufwand bei der Errichtung einer GmbH nicht Selbstzweck ist, um Rechtsanwälte, Steuerberater, Notare und Richter mit Arbeit zu versorgen, sondern geboten ist, um sicherzustellen, daß zumindest im Zeitpunkt der Errichtung der Betrag der Stammeinlagen Gläubigern als Haftungsmasse zur Verfügung steht. Die Aufbringung des Stammkapitals und später der Erhalt des Kapitals sind der Preis, den die Gesellschafter zahlen, damit die Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt wird.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß die Bearbeitungszeit einer GmbH-Gründung in vielen Fällen nicht von der Justiz hausgemacht ist. Der Prüfungsumfang ist gesetzlich vorgegeben in § 9c GmbHG und kein Akt banaler Bürokratie. Gleichwohl gibt es in der Praxis häufig erheblichen Verzögerungen , die auf § 8 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG beruhen. Das GmbH-Gesetz schreibt vor, daß eine GmbH, die einen Unternehmensgegenstand betreibt, der der staatlichen Genehmigung bedarf, erst nach Vorlage der Konzession, bzw. eines entsprechenden Vorbescheides in das Handelsregister eingetragen werden darf. Die Frage sei erlaubt, ob dieser formale Gleichlauf von Gewerberecht und Gesellschaftsrecht ordnungspolitisch noch zeitgemäß ist. Ein Beispiel:

Die Gründer einer GmbH sind ehrlich und geben beim Notar an, eine bestimmte Gaststätte betreiben zu wollen. Die für die Eintragung der GmbH in das Handelsregister erforderliche Konzession stellt das Gewerbeamt aber erst dann in Aussicht, wenn die Räumlichkeiten den Anforderungen des Lärm-, des Jugend- und des Hygieneschutzes entsprechen.

Im Klartext bedeutet das, daß die Gründer die Stammeinlagen für den Umbau der Gaststätte vor der Eintragung verbrauchen; die Eintragung erfolgt erst Monate nach der Anmeldung, die haftungsrechtlichen Folgen sind bekannt. Zudem bietet die Eintragung in das Handelsregister keine Gewähr dafür, daß die GmbH die Konzession künftig behält. Das mag man als Bürokratie bezeichnen oder als zwingend gebotene formale Rechtmäßigkeitsvoraussetzung. Fakt ist in jedem Fall, daß der Konzessionsvorbehalt ein Wettbewerbsnachteil ist gegenüber den Einzelunternehmen und Personengesellschaften, für die diese Einschränkung nicht gilt (§ 7 HGB). Außerdem zeigt die Praxis, daß Gründer vielfach einen konzessionsfreien Unternehmensgegenstand "erdichten" und sich wundern, daß IHK und Handwerkskammern den wahren Gegenstand ermitteln und der Notar nachbeurkunden muß. Den Ärger über die verzögerte Eintragung laden die Gründer in jedem Fall -- wen wundert es -- beim Handelsregister ab.

III. Bekanntmachungen der Gesellschaft

Neuigkeiten gibt es auch zum Thema Bekanntmachungen. Für Bekanntmachungen der Gesellschaft ist in § 12 GmbHG (eingeführt als Art. 12 des Justizkommunikationsgesetzes v. 22.3.2005, BGBl. I 2005, 837) vorgesehen, daß diese ab dem 1.4.2005 zwingend im elektronischen Bundesanzeiger erfolgen. Es geht um den Gläubigeraufruf in der Liquidation (§ 65 Abs. 2 GmbHG) und Bekanntmachungen bei Kapitalherabsetzungen (§ 58 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG), der Rückzahlung von Nachschüssen (§ 30 Abs. 2 GmbHG) und um die Mitteilung von Veränderungen in der Besetzung von Aufsichtsräten (§ 52 Abs. 2 S. 2 GmbHG). Eine Pflicht zur Bekanntmachung in Tageszeitungen oder anderen Medien besteht nur, wenn der Gesellschaftsvertrag dies zusätzlich vorsieht. § 12 GmbHG gilt für alle Neugründungen ab diesem Zeitpunkt. Berater und Notare sollten deshalb die bisherige Standard-Klausel (Bekanntmachungen erfolgen nur im Bundesanzeiger) überdenken. Diese Formulierung machte nur Sinn, um Bekanntmachungen nicht auch noch in den Blättern zu veröffentlichen, die das Handelsregister für die Bekanntmachung seiner Eintragung bestimmt hat. Die Klausel sollte ersatzlos gestrichen werden, um zusätzliche Kosten zu vermeiden. Nicht eindeutig geklärt ist die Behandlung von Klauseln über die Bekanntmachung bei bereits vor dem 1.4.2005 eingetragenen Gesellschaften. Gegen die Ansicht, eine solche Klausel verweise quasi dynamisch auf den elektronischen Bundesanzeiger, spricht, daß es den Bundesanzeiger in Papierform immer noch gibt und daß selbst heute noch 90 % aller Neugründungen den Papier-Bundesanzeiger als Gesellschaftsblatt angeben.

Angekündigt ist ferner die Novellierung der Bekanntmachungen des Handelsregisters im Referenten-Entwurf des EHUG. Künftig erfolgen diese im elektronischen Bundesanzeiger, was zu erheblichen Verringerung der Gesamtkosten einer GmbH-Eintragung führen wird.

 


Zurück