Dr. Klaus D. Höfner und Sandra Bäumler, Rechtsanwälte und Steuerberater, München*

Der Gesetzesentwurf zur elektronischen Registerführung und die Neuregelung der Unternehmenspublizität

Die Frage, ob und unter welchen Umständen bestimmte Unternehmen ihre Jahresabschlüsse veröffentlichen müssen, beschäftigt seit Jahren Gesetzgebung und Gerichte sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene. Hatte zuletzt der EuGH festgestellt, dass die Veröffentlichungsvorschriften für die GmbH & Co. KG mit europäischen Grundrechten vereinbar sind (EuGH v. 23.9.2004 -- Rs. C-435/02 u. C-103/03, GmbHR 2004, 1463, hierzu Höfner, GmbHR 2004, R 481) und hoffte man, dass mit dieser Entscheidung endlich Ruhe einkehrt, wird man durch neue Gesetzgebungsvorhaben der Bundesregierung eines Besseren belehrt. So wird 2007 ein neuer Zeitabschnitt für veröffentlichungspflichtige Unternehmen beginnen, die sich bis heute einer Veröffentlichung entzogen haben. Aber auch alle anderen werden sich damit abfinden müssen, dass ihre Unternehmensdaten zunehmend professionell ausgewertet werden können. Dies steht selbstverständlich unter dem Vorbehalt, dass sich der derzeit in Diskussion befindliche Gesetzesvorschlag der Bundesregierung zur Einführung eines elektronischen Handels- und Unternehmensregisters durchsetzen wird.

I. Einführung eines digitalen Handelsregisters

In dem Gesetzesentwurf (Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister [EHUG], BT-Drucks. 16/960 v. 15.3.2006) plant die Bundesregierung die Einführung eines komplett digitalisierten Handelsregisters. Zukünftig, d.h. ab 2007 mit einer möglichen Übergangfrist bis 2009, sollen nicht nur die Registerblätter elektronisch geführt werden und damit leichter abrufbar sein, sondern auch die Korrespondenz mit dem Handelsregister und die Einreichung sämtlicher Unterlagen auf elektronischem Wege erfolgen. Jahresabschlüsse und andere Unterlagen (§ 325 Abs. 1 HGB-E) sind in Zukunft nur noch bei dem elektronischen Bundesanzeiger einzureichen. Somit entfällt die bisherige Unterscheidung zwischen der sog. Registerpublizität und Bundesanzeigerpublizität und -- für große Kapitalgesellschaften -- die Einreichung sowohl bei dem Handelsregister als auch beim Bundesanzeiger.

II. Das neue digitale Unternehmensregister

Daneben wird die Einführung eines, ebenfalls elektronisch geführten, Unternehmensregisters geplant, durch welches Unternehmensdaten im Internet kostenpflichtig abgerufen werden können. Zu diesen Daten zählen u.a. Eintragungen im Handels- und Genossenschaftsregister, Veröffentlichungen nach dem Wertpapierhandelsgesetz und nach dem Investmentgesetz sowie Bekanntmachungen der Insolvenzgerichte, mit Ausnahme solcher, die Verbraucherinsolvenzen betreffen. In der Diskussion ist derzeit noch, für die Praxis allerdings mit wenig Relevanz, ob das Unternehmensregister von einem privaten Beliehenen oder von einer Bundesbehörde geführt werden wird.

III. Der neue Zwang zur Offenlegung

Stehen die Neuerungen zur Digitalisierung der Register in einer konsequenten Reihe mit vorangegangenen Gesetzgebungsverfahren, so kann man dies von den geplanten Änderungen zu den Veröffentlichungsvorschriften nicht sagen. Noch im letzten Jahrzehnt des vorherigen Jahrhunderts hatte sich der Gesetzgeber bis zu zwei europäischen Vertragsverletzungsverfahren gewehrt, kleine Unternehmen und vor allem solche in der Rechtsform der GmbH & Co. KG zur Veröffentlichung ihrer Unternehmensdaten zu zwingen. Mit dem im Rahmen des Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinien-Gesetz (KapCoRiLiG) im Jahr 2000 eingeführten Antragsverfahren wurde dann ein tragbarer Kompromiss zwischen den europäischen Vorgaben und den deutschen Vorbehalten bezüglich der Veröffentlichung von Unternehmensdaten gefunden. Im Rahmen des Antragsverfahrens werden die Unternehmensleiter nur dann durch Ordnungsgeld gezwungen, ihre Jahresabschlüsse zu veröffentlichen, wenn ein Dritter die Jahresabschlüsse einsehen will und dieser mit einem Antrag das Ordnungsgeldverfahren einleitet. Damit wird zum einen dem Bedürfnis Rechnung getragen, dass Unternehmensdaten bei einem konkreten Informationsinteresse eingesehen werden können. Zum anderen kann der bürokratische Aufwand der Veröffentlichung vermieden werden, wenn eben dieses Interesse nicht nachgewiesen ist.

Dies soll sich jetzt ändern. Geplant ist, das Antragsverfahren abzuschaffen. Zukünftig soll von Amts wegen überprüft werden, ob die Unternehmen ihren jetzt schon bestehenden Veröffentlichungsverpflichtungen nachkommen. Im Fall einer unterlassenen Veröffentlichung wird diese durch die Festsetzung von Buß- oder Ordnungsgeld erzwungen. Ob sich nun das von der Bundesregierung vorgeschlagene, im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitsverfahren festzusetzende Bußgeld (für dessen Festsetzung es des Verschuldens bedarf) oder das vom Bundesrat angeregte Ordnungs- oder Zwangsgeld durchsetzen wird, wird für die betroffenen Unternehmen zumindest auf den ersten Blick wenig Unterschied machen. Rechtspolitisch stellt sich die Frage, ob der Unwertgehalt einer regelwidrig unterlassenen Veröffentlichung mit dem einer fehlerhaften Bilanzierung zu vergleichen ist, wie die Einfügung des § 334 Abs. 1a HGB-E suggeriert, der beide Gesetzesverstöße mit denselben Sanktionen (Bußgeld) ahndet.

Warum die Bundesregierung hier den früheren Kompromiss aufgeben will und die Beachtung der Veröffentlichungsvorschriften von Amts wegen zwangsweise durchzusetzen gedenkt, bleibt auch bei intensivem Studium der Gesetzesbegründung im Dunkeln. Die Europäische Publizitätsrichtlinie (ABlEU Nr. L 221 2003, S. 13), Anlass für die Einführung der digitalen Register, zwingt die Bundesregierung zu keiner Änderung der Sanktionsvorschriften. Hier ist nur vorgegeben, "geeignete Maßnahmen" für den Fall einer unterbliebenen Veröffentlichung anzudrohen.

Zukünftig sind die Jahresabschlüsse (bzw. bei kleinen und mittelgroßen Gesellschaften die ggf. verkürzten Bilanzen und Anhänge [§§ 326, 327 HGB]) beim elektronischen Bundesanzeiger einzureichen und bekannt zu machen (§ 325 Abs. 1 und Abs. 2 HGB-E). Sie werden dann über das elektronische Unternehmensregister abrufbar sein (§ 8b Abs. 2 Nr. 4 HGB-E). Dies hat eine positive und eine problematische Seite: Die positive Seite bezieht sich auf die Kosten: Die nicht eben geringen Kosten für den Abdruck eines Jahresabschlusses in dem Bundesanzeiger und weiteren Veröffentlichungsorganen fallen in Zukunft weg und werden durch die Verwaltungskosten ersetzt, die die Einreichung elektronischer Dokumente mit sich bringen. Diese Kosten werden voraussichtlich unabhängig von dem Umfang der eingereichten Dokumente sein. Damit werden sich die Kosten der Veröffentlichung der Unternehmensdaten zumindest im Durchschnitt erheblich reduzieren. Problematischer wird vielen Unternehmern die mit der Veröffentlichung verbundene Publizität ihrer Unternehmensdaten erscheinen. Sind die Daten erst einmal elektronisch eingereicht, können sie von jedem im Internet für eine geringe Gebühr abgerufen und damit professionell ausgewertet werden. Daneben wird viele Unternehmen der nicht unerhebliche Verwaltungsaufwand belasten, der durch die Veröffentlichung entsteht. Dies ist dem an anderer Stelle von der Bundesregierung propagierten Abbau von bürokratischen Hemmnissen nicht gerade förderlich. Aber auch auf die Aktualität der veröffentlichten Jahresabschlüsse wird die Gesetzesänderung Einfluss haben. Bisher konnten die Unternehmen aufgrund des Antragsverfahrens die Veröffentlichung ihrer Jahresabschlüsse erfolgreich hinausschieben und dadurch zumindest die Aktualität der publizierten Daten und Informationen vermindern. Der Gesetzesentwurf zum EHUG sieht hingegen eine Veröffentlichung der Jahresabschlüsse innerhalb von 12 Monaten nach dem Abschlussstichtag vor. Erfolgt die Veröffentlichung nicht innerhalb dieser Frist, leitet das Bundesministerium der Justiz von Amts wegen ein Ordnungswidrigkeitsverfahren ein (§ 329 Abs. 4 i.V.m. § 334 Abs. 1a und Abs. 4 HGB-E).

IV. Publizitätsvermeidungs-Strategien

Für Unternehmen wird sich zukünftig mehr noch als in der Vergangenheit die Frage stellen, ob die Veröffentlichung auf andere Weise als durch die schlichte Nichtbefolgung der Vorschriften vermieden werden kann. Dies kann z.B. durch eine Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft mit einer natürlichen Person als Vollhafter oder -- bei der GmbH & Co. KG -- durch die Aufnahme einer solchen als Gesellschafter erfolgen. Nach einem Beschl. des LG Osnabrück v. 1.7.2005 -- 15 T 6/05, GmbHR 2005, 1618 m. Komm. Chr. Schmidt, fällt durch die Aufnahme eines persönlich vollhaftenden Gesellschafters auch die Pflicht zur Veröffentlichung der Jahresabschlüsse der vergangenen Jahre weg. Daneben könnte durch die Aufstellung eines befreienden Konzernabschlusses nach § 264 Abs. 3 HGB und § 264b HGB u.U. zumindest die Transparenz der zu veröffentlichenden Informationen reduziert werden. Gleiches gilt für die Herstellung einer Konzernstruktur und/oder das Outsourcen von Geschäftseinheiten auf kleinere Kapitalgesellschaften.

Kommt aufgrund Haftungs-, Kosten- oder aus sonstigen Gründen keine der genannten Alternativen in Betracht, wird man sich auf eine Veröffentlichung der Unternehmensdaten einstellen müssen. Die Inkaufnahme von Buß-, Ordnungs- oder Zwangsgeldern wird auch in Zukunft nur Zeit verzögernde Wirkung haben.

V. Inkrafttreten

Das Gesetz selbst soll am 1.1.2007 in Kraft treten, die neuen Vorschriften für die Veröffentlichung der Jahresabschlüsse werden jedoch für alle Jahresabschlüsse der Geschäftsjahre gelten, die ab dem 1.1.2006 beginnen. Damit werden faktisch oftmals auch die Bilanzzahlen für das Jahr 2005 nach dem neuen Gesetz veröffentlicht werden. Hierauf sollte schon bei der Erstellung des Jahresabschlusses 2005 geachtet werden.

 

* Partner bzw. Mitarbeiterin bei Peters, Schönberger und Partner GbR.



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