Thomas Wachter,
Notar, München

Startschuss für grenzüberschreitende Verschmelzungen

Am 25.4.2007 ist das Zweite Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes in Kraft getreten (BGBl. I 2007, 542; ausführlich dazu Neye/Timm, GmbHR 2007, 561 -- in diesem Heft). Deutschland hat damit als erstes Land innerhalb der Europäischen Union die Verschmelzungsrichtlinie (RL 2005/56/EG v. 25.10.2005, ABl. EU Nr. L 310, S. 1, kurz VRL; s. dazu u.a. Grohmann/Gruschinske, GmbHR 2006, 191) umgesetzt. Das Gesetz zur Umsetzung der Regelungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedsstaaten ist bereits am 28.12.2006 in Kraft getreten (BGBl. I 2006, 3332). Aus deutscher Sicht besteht somit eine klare und verlässliche Grundlage für die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus den Mitgliedsstaaten der EU und des EWR. Ihre volle Bedeutung werden die Neuregelungen gleichwohl erst dann erlangen, wenn die Verschmelzungsrichtlinie auch in den anderen Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt ist. Bislang ist davon auszugehen, dass die meisten Mitgliedsstaaten die am 31.12.2007 endende Umsetzungsfrist voll ausschöpfen werden.

Europäische Vorgaben

Deutschland hat sich bei der Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie weitgehend an den europäischen Vorgaben orientiert. Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Sevic, wonach die Beschränkung des deutschen Umwandlungsrechts auf Rechtsträger mit Sitz im Inland gegen die europäische Niederlassungsfreiheit verstößt (EuGH v. 13.12.2005 -- Rs. C-411/03, GmbHR 2006, 140 mit Anm. Haritz; s. dazu u.a. Meilicke/Rabback, GmbHR 2006, 123) hätte aber durchaus auch eine weitergehende Regelung grenzüberschreitender Umwandlungen erwarten lassen. So sieht das deutsche Umwandlungsrecht auch in Zukunft nur Regelungen für die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften vor (wie dies auch in der Verschmelzungsrichtlinie vorgesehen ist), obwohl auch Personengesellschaften (wie etwa die GmbH & Co. KG) zweifelsfrei vom Anwendungsbereich der europäischen Niederlassungsfreiheit umfasst sind. Darüber hinaus beschränkt sich die deutsche Regelung bei den möglichen Umwandlungsformen auf die von der Richtlinie vorgesehene Verschmelzung. Für andere Formen der grenzüberschreitenden Umwandlung, wie etwa Spaltungen und Formwechsel fehlt es dagegen weiterhin an entsprechenden Verfahrensvorschriften. Diese Zurückhaltung überrascht, nachdem der EuGH gerade allgemein darauf hingewiesen hatte, dass "Gesellschaftsumwandlungen den Zusammenarbeits- und Umwandlungsbedürfnissen von Gesellschaften mit Sitz in verschiedenen Mitgliedsstaaten" entsprechen und "für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes eine wichtige Modalität der Ausübung der Niederlassungsfreiheit" darstellen (EuGH, aaO, Rz. 19; s. dazu auch Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 16/2619, S. 11). Immerhin hat Deutschland die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Verschmelzung von vornherein nicht auf Kapitalgesellschaften aus anderen EU-Mitgliedsstaaten beschränkt, sondern auch auf solche aus den Mitgliedsstaaten des EWR (Island, Liechtenstein und Norwegen) erstreckt (§ 122b Abs. 1 UmwG). Für Gesellschaften aus Drittstaaten (z.B. Schweiz, USA) bleibt die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Verschmelzung somit (vorerst) verschlossen, obwohl sie sich insoweit möglicherweise auf die europäische Kapitalverkehrsfreiheit (s. dazu die Schlussanträge des Generalanwalts Antonio Tizzano v. 7.7.2005 in der Rechtssache Sevic, Rz. 71 ff. und Erwägungsgrund Nr. 3 der VRL) oder völkerrechtliche Verträge (wie etwa den deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrag aus dem Jahre 1954) berufen können.

Abhängigkeit von der Umsetzung durch andere EU-Mitgliedsstaaten

Die weitere Entwicklung des deutschen Umwandlungsrechts wird sicherlich auch davon abhängen, wie die anderen europäischen Mitgliedstaaten die Verschmelzungsrichtlinie umsetzen werden (zur Zulässigkeit der (Heraus-)Verschmelzung einer niederländischen B.V. auf eine deutsche GmbH, obwohl die Verschmelzungsrichtlinie in den Niederlanden noch nicht umgesetzt worden ist, s. Kantongerecht Amsterdam, Urt. v. 29.1.2007, DB 2007, 677 mit Anm. Gesell/Krömker). Bislang sind die Möglichkeiten der (innerstaatlichen) Umwandlung in vielen Mitgliedstaaten auf die Verschmelzung und Spaltung von Aktiengesellschaften beschränkt. Die Umwandlung von anderen Gesellschaften (insbesondere von GmbHs und Personengesellschaften) ist demgegenüber nicht überall bekannt. Grund dafür ist vor allem, dass der Anwendungsbereich der europäischen Fusionsrichtlinie (78/855/EWG v. 9.10.1978) und der europäischen Spaltungsrichtlinie (82/891/EWG v. 17.12.1982) auf Aktiengesellschaften beschränkt ist. Darüber hinaus erscheint durchaus zweifelhaft, ob diese Richtlinien in allen Mitgliedstaaten ordnungsgemäß umgesetzt worden sind. Bei den in Großbritannien geltenden Regelungen für Unternehmensumstrukturierungen (s. ss. 425 ff. Company Act 1985) dürfte dies wohl nicht der Fall sein. In den meisten EU-Mitgliedsstaaten ist die "GmbH" die verbreitetste Rechtsform, im Allgemeinen jedenfalls wesentlich häufiger anzutreffen als die "AG". Der Erfolg der europäischen Verschmelzungsrichtlinie wird dementsprechend maßgeblich davon abhängen, ob die Mitgliedstaaten auch für "GmbHs" (und andere Rechtsformen wie etwa Personengesellschaften) die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Verschmelzung eröffnen. Eine rechtliche Verpflichtung besteht dazu nur insoweit, als diese Gesellschaften auch an einer innerstaatlichen Verschmelzung beteiligt sein können (s. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) und Erwägungsgrund Nr. 2 der VRL). Gleichwohl dürfte eine solche Umsetzung dürfte dem vom Gesetzgeber mit der Richtlinie verfolgten Ziel am besten entsprechen. Schließlich soll die Verschmelzungsrichtlinie die Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Verschmelzung insbesondere auch für solche (kleine und mittlere) Unternehmen eröffnen, für die die Errichtung einer Europäischen Gesellschaft (SE) nicht in Betracht kommt.

Neuer Vorschlag für Änderung der 3. Fusions- und der 6. Spaltungsrichtlinie

Mit der Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie ist die Entwicklung des europäischen Umwandlungsrechts noch lange nicht am Ende. Nach der Sevic-Entscheidung des EuGH ist bereits heute eine Vielzahl von grenzüberschreitenden Umwandlungen möglich, die weit über den Anwendungsbereich der Verschmelzungsrichtlinie hinausgehen. Im Interesse der Rechtssicherheit wäre es zu begrüßen, wenn auch für diese -- auf der Grundlage der europäischen Niederlassungsfreiheit zulässigen Umwandlungsvorgänge -- bald einheitliche Verfahrensvorschriften geschaffen werden könnten.

Derzeit arbeitet die Europäische Kommission offensichtlich aber an einer anderen Änderung des europäischen Umwandlungsrechts. Ein aktueller Vorschlag für eine Änderung der bestehenden Fusions- und Spaltungsrichtlinie (78/855/EWG und 82/891/EWG) sieht vor, dass die Prüfung des Verschmelzungs- bzw. Spaltungsplans durch unabhängige Sachverständige und die Erstellung eines entsprechenden Prüfungsberichts nicht mehr erforderlich sein soll, wenn alle Gesellschafter darauf verzichtet haben (KOM(2007)91 endg. v. 6.3.2007). Auf diese Weise sollen die 3. Richtlinie (Fusionsrichtlinie 78/855/EWG) und die 6. Richtlinie (Spaltungsrichtlinie 82/891/EWG) inhaltlich an die 10. Richtlinie (Verschmelzungsrichtlinie 2005/56/EG) angepasst werden. Bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung von Kapitalgesellschaften ist weder die Prüfung des Verschmelzungsplans durch unabhängige Sachverständige noch die Erstellung eines Sachverständigenberichts erforderlich, wenn alle Gesellschafter der beteiligten Gesellschaften darauf verzichten (Art. 8 Abs. 4 VRL und § 122f UmwG). Die Änderungen sollen von den Mitgliedsstaaten bis spätestens zum 31.7.2008 in nationales Recht umgesetzt werden. Im deutschen Umwandlungsrecht ist ein solcher Verzicht bereits bislang vorgesehen (§ 8 Abs. 3, § 9 Abs. 3, § 12 Abs. 3 und § § 125 S. 1 UmwG), so dass insoweit kein Änderungsbedarf besteht.

Inhaltlich ist die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Änderung der Fusions- und Spaltungsrichtlinie durchaus zu begrüßen. Allerdings sorgt der Anlass der geplanten Änderung für Irritationen. Der Richtlinienvorschlag geht zurück auf eine Mitteilung der Kommission v. 14.11.2006 mit dem Titel "Strategische Überlegungen zur Verbesserung der Rechtssetzung in der Europäischen Union" (KOM(2006)689 endg. v. 14.11.2006), in der u.a. vorgeschlagen wird, die Verwaltungslasten der Unternehmen bis 2012 um 25 % zu senken. In dem daraufhin beschlossenen Aktionsprogramm v. 24.1.2007 (KOM(2007) 23 endg. v. 24.1.2007) finden sich dann zehn "Sofortmaßnahmen", von denen eine die Änderung der Fusions- und Spaltungsrichtlinie betrifft. Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen soll durch eine "geringfügige Änderung der Rechtsvorschriften eine deutliche Senkung der Verwaltungslasten für die Unternehmen erreicht werden, ohne dass das bestehende Schutzniveau oder der ursprüngliche Zweck dieser Rechtsvorschriften in Frage gestellt wird." Die Europäische Kommission versteht dabei unter Verwaltungskosten "die Kosten, die den Unternehmen, gemeinnützigen Organisationen, Behörden und Bürgern dadurch entstehen, dass sie rechtlich verpflichtet sind, Behörden oder private Stellen über ihr Handeln oder ihre Produktion Informationen zu liefern." Die unabhängige Prüfung eines Verschmelzungs- oder Spaltungsplans dient der Information und dem Schutz der (Minderheits-)Gesellschafter. Bei den Gesellschaftern handelt es sich aber nicht um "Behörden" oder "private Stellen", sondern um die Eigentümer der Gesellschaft. Die Qualifikation der mit einer solchen Prüfung verbundenen Kosten als "Verwaltungslasten" ist daher nur schwer nachvollziehbar.

Überraschend ist vor allem, welche weiteren Maßnahmen die Europäische Kommission im Bereich des Gesellschaftsrechts zur Senkung der Verwaltungslasten plant (s. Anhang II zu KOM(2007)23 endg. v. 24.1.2007). Neben Änderungen der Fusions- und Spaltungsrichtlinie sind Änderungen der Jahresabschlussrichtlinie (78/660/EWG) und der Kapitalrichtlinie (77/191/EWG) vorgesehen. Aus der Mitteilung der Europäischen Kommission ergibt sich leider nicht, welche Maßnahmen in diesen Bereichen im Einzelnen vorgesehen sind. Die Jahresabschlussrichtlinie hat vor allem zum Ziel, Gesellschaftern und Gläubigern vergleichbare Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der in der EU tätigen Gesellschafter zu vermitteln. Die Kapitalrichtlinie sieht für Aktiengesellschaften ein System des festen Mindestkapitals vor und enthält darüber hinaus Regelungen zur Gründung und zum notwendigen Satzungsinhalt. Beide Richtlinien gehören zum Kernbestand des europäischen Gesellschaftsrechts und haben sich in der Europäischen Union seit rund dreißig Jahren bestens bewährt. Eine Änderung dieser Richtlinien wäre daher ein schwerwiegender Eingriff in das Gesellschaftsrecht der Mitgliedstaaten, für den keinerlei Notwendigkeit ersichtlich ist. Der geplante Abbau von Verwaltungslasten der Unternehmen ist im Grundsatz zu begrüßen, doch dürften Änderungen der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien dafür kaum der geeignete Weg sein.




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