Dr. Jochen Blöse, MBA, Rechtsanwalt und Mediator CfM, Köln*

 

Weitere Reform des Insolvenzrechts

 

Das Bundesjustizministerium hat eine weitere Reform des Insolvenzrechts vorgelegt; der Entwurf des Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen ist im Bundestag am 14.2.2008 bereits in erster Lesung beraten worden und befindet sich derzeit noch zur Behandlung im Rechtsausschuss (BT-Drucks. 16/7416).

Die Titulierung des Gesetzentwurfs zeigt dessen drei Regelungsbereiche bereits auf:

 

I. Vereinfachtes Verbraucherinsolvenzverfahren

Ziel der beabsichtigten Regelung ist es, dass bei Mittellosigkeit des Schuldners ein Insolvenzverfahren gar nicht mehr stattfinden soll. Stattdessen soll die Möglichkeit eröffnet werden, dass das Insolvenzgericht einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abweisen und unmittelbar in das Verfahren der Restschuldbefreiung übergehen kann. Neben einer erleichterten Entschuldung zielt die Regelung auch auf eine Kostenentlastung der öffentlichen Haushalte ab. Während die Kosten pro Verbraucherinsolvenzverfahren derzeit bei rund 2.300,00 € liegen, die im Falle der Mittellosigkeit des Schuldners im Wege der Stundung von der Staatskasse vorgestreckt werden müssen, sollen sich die Kosten durch die Neuregelungen auf 750,00 € reduzieren. Zudem soll der Schuldner verpflichtet sein, einen Kostenbeitrag in Höhe von 25,00 € zu Beginn des Verfahrens und laufende Zahlungen in Höhe von 13,00 € monatlich während der Wohlverhaltensperiode, deren sechsjährige Dauer beibehalten wird, zu leisten. Für den Schuldner noch weitaus spannender dürfte eine andere geplante Neuregelung sein, die sich in § 300 InsO-E findet. Danach kann Restschuldbefreiung bereits nach zwei Jahren erlangt werden, wenn der Schuldner die Insolvenzgläubiger mit mindestens 40 % ihrer im Schlussverzeichnis aufgenommenen Forderungen befriedigt. Liegt die Befriedigungsquote bei 20 % kommt eine Restschuldbefreiung nach vier Jahren in Betracht (weitere Einzelheiten dazu bei dazu Wagner, ZIP 2008, 630).

 

II. Insolvenzfestigkeit von Lizenzverträgen

Der zweite Schwerpunkt der geplanten Neuregelungen bezieht sich auf Lizenzverträge. Nach derzeitiger Rechtslage steht dem Insolvenzverwalter insoweit ein Wahlrecht zu, ob er den Vertrag erfüllt oder die Erfüllung ablehnt. In letzterem Fall entsteht für den Vertragspartner ein Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung nach § 103 Abs. 2 InsO, der lediglich eine einfache Insolvenzforderung darstellt, d.h. nur mit der Insolvenzquote bedient wird.

Diese Situation ist für den Lizenznehmer äußerst unbefriedigend. In vielen Bereichen, der Gesetzentwurf benennt beispielhaft die Pharmabranche, sind lange Entwicklungszeiten und damit verbunden hohe Entwicklungskosten gegeben bis Produkte zur Marktreife gelangen. Diese Aufwendungen sind für den Lizenznehmer verloren, wenn der Lizenzvertrag nicht erfüllt wird und daraus entstehende Ansprüche lediglich mit der Insolvenzquote bedient werden. Im Hinblick auf diese Situation geht der gesetzgeberische Trend in anderen Staaten, die eine starke Exportorientierung aufweisen, dahin, Lizenzen Insolvenzfestigkeit zu verleihen.

Die Bundesregierung sieht die Gefahr, dass lizenznehmende Unternehmen deshalb in das Ausland auswandern, um in den Genuss der derzeit dort für sie günstigeren Rechtslage zu kommen. Zum Ausgleich dieses rechtlichen Wettbewerbsnachteils des Standorts Deutschland sieht der Gesetzentwurf vor, dass auch hier Lizenzen künftig insolvenzfest sein sollen. In diesem Zusammenhang sind folgende gesetzgeberische Einzelmaßnahmen in einem neuen § 108a InsO geplant:

--    Lizenzverträge behalten auch im Insolvenzverfahren ihre Gültigkeit und unterliegen also nicht dem Wahlrecht des Verwalters;

--    die vertraglichen Pflichten der Insolvenzmasse werden auf die Erfüllung der Nebenpflichten beschränkt, die für eine Nutzung des geschützten Rechts unumgänglich sind;

--    stehen die vereinbarte und die marktgerechte Vergütung in einem krassen Missverhältnis, kann der Insolvenzverwalter gegenüber dem Lizenznehmer eine Anpassung des Lizenzentgelts verlangen;

--    macht der Insolvenzverwalter von dieser Möglichkeit Gebrauch, steht dem Lizenznehmer ein außerordentliches Kündigungsrecht zu.

Für einen rohstoffarmen Wirtschaftsstandort, der im Wesentlichen von der technischen Qualität seiner Produkte und dem Know-how-Vorsprung seiner Unternehmen vor der Weltmarktkonkurrenz lebt, ist die gesetzgeberische Zielsetzung erfreulich. Den Weg zu diesem Ziel hätten sich die angesprochenen Know-how-intensiven Branchen aber wohl auch anders vorstellen können. Insbesondere das Recht des Insolvenzverwalters, die Anpassung des Lizenzentgelts verlangen zu können, kann zu einer Entwertung des beabsichtigten Schutzes führen. Der unbestimmte Rechtsbegriff "auffälliges Missverhältnis" lädt zu heftigen Diskussionen im Einzelfall ein. Der Gesetzgeber selbst hat keinen Auslegungsbeitrag geleistet. Recht schnell verfällt man auf den Gedanken Hilfe zur Auslegung bei den zu § 138 BGB entwickelten Grundsätzen zu suchen. Ob die Rechtsprechung der Meinung ist, dass eine ausreichende Parallelität zum Anwendungsbereich dieser Norm besteht, wird sich zeigen. Für den Insolvenzverwalter ist jedenfalls die Versuchung groß, unter Bezugnahme auf ein angebliches auffälliges Missverhältnis zunächst – teilweise – die Entgeltzahlung zu verweigern. Gerade bei dem kleinen lizenzgebenden Unternehmen, wie es in der Pressemitteilung des BMJ vom 14.2.2008 als expliziter Adressat der Neuregelung genannt wird, mag es dann aber so sein, dass während des Streites darüber, ob ein auffälliges Missverhältnis vorliegt, die Kapitaldecke so dünn wird, dass der Insolvenzverwalter dieses Unternehmens den Streit zu Ende führen muss.

 

III. Stärkung der Gläubigerrechte

Besondere Aufmerksamkeit widmet der Gesetzentwurf der Verbesserung der Situation der Gläubiger und hier insbesondere der öffentlich-rechtlichen Gläubiger. Deren Befriedigungsaussichten aus der Insolvenzmasse sollen verbessert werden, daher werden unterschiedliche Maßnahmen vorgesehen, die das Ziel haben, die Sanierung und Fortführung des Schuldnerunternehmens zu ermöglichen. Als wesentlich hierfür erkennt der Gesetzgeber eine möglichst frühzeitige Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Zur Erreichung dieses Ziels sind folgende Neuregelungen geplant:

--    Verhinderung von "Stapelanträgen" durch eine Änderung von § 14 InsO. Diese Neuregelung adressiert Sozialversicherungsträger. Es soll verhindert werden, dass ein einmal gestellter Insolvenzantrag nach Ausgleich bestehender Außenstände für erledigt erklärt oder zurückgenommen werden muss, um sodann, wenn Sozialversicherungsbeiträge erneut entstanden und nicht ausgeglichen wurden, erneut gestellt zu werden. Aus diesem Grunde soll der durch einen öffentlich-rechtlichen Gläubiger gestellte Antrag seine Wirksamkeit behalten, auch wenn die Forderung aufgrund derer der Antrag gestellt wurde, ausgeglichen worden ist.

--    Nach § 26 Abs. 4 InsO-E soll eine Vorschusspflicht hinsichtlich der Verfahrenskosten eingeführt werden. Diese soll solche Personen treffen, die zur Stellung des Insolvenzantrages verpflichtet sind und diese Pflicht schuldhaft verletzt haben.

--    In § 55 Abs. 2 InsO soll eine Klarstellung dahingehend erfolgen, dass die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter im Wege einer vom Insolvenzgericht erteilten Einzelermächtigung begründeten Verbindlichkeiten Masseverbindlichkeiten sind. Dies soll auch für öffentlich-rechtliche Forderungen, also z.B. Abgaben gelten.

--    Nach § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO-E wird jenen Schuldnern die Restschuldbefreiung in dem Insolvenzverfahren über ihr Privatvermögen versagt, die in ihrer Eigenschaft als Vertretungsorgan einer Gesellschaft oder als deren Gesellschafter den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens pflichtwidrig und schuldhaft nicht oder nicht rechtzeitig gestellt haben. Mit dieser Neuregelung wird beabsichtigt, eine zusätzliche Motivation für eine rechtzeitige Insolvenzantragstellung zu schaffen.

--    Eine Restschuldbefreiung soll auf Antrag eines betroffenen Gläubigers zukünftig auch dann versagt werden können, wenn der Schuldner wegen eines Eigentums- oder Vermögensdelikts oder wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von mindestens 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

Der vorliegende Gesetzentwurf konzentriert sich hinsichtlich der in ihm enthaltenen Regelungen zu den Gläubigerrechten auf die Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner. Es fragt sich, ob es zur Wahrung der Gläubigerinteressen nicht angezeigt wäre, auch die Vorschriften zum Verhältnis zwischen Gläubiger und Insolvenzverwalter auf den Prüfstand zu stellen. Dies um so mehr, als sich in der Praxis Entwicklungen herausgebildet haben, die es unter Umständen verdient haben, von einer regionalen Besonderheit zu einer verbindlichen gesetzlichen Regelung erhoben zu werden. Zu denken ist hier z.B. an das von dem Detmolder Insolvenzrichter Dr. Klaus-Peter Busch entwickelte Detmolder-Modell. Bei diesem wird das Verfahren der Verwalterbestellung transparent gestaltet und für die Berücksichtigung berechtigter Gläubigerinteressen geöffnet. Das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens v. 13.4.2007 (zum Entwurf Blöse, GmbHR 2006, R 397 f.) war insoweit nur ein erster Schritt.

Die Regelung in § 26 Abs. 4 InsO-E zur Vorschusspflicht hört sich auf den ersten Blick als zusätzliches Instrument zur Disziplinierung der Antragsverpflichteten gut an. Allerdings wird sich die Frage der schuldhaften Pflichtverletzung in ganz vielen Fällen nicht in einem so frühen Verfahrensstadium klären lassen. Schuldhaftigkeit setzt Kennen oder Kennenmüssen zu einem bestimmten Zeitpunkt voraus. Die Feststellung von Insolvenzantragsgründen ist aber mit vielfältigen Schwierigkeiten und Unsicherheiten belastet. Der Regierungsentwurf geht damit in der Weise um, dass er eine Beweislastumkehr vorsieht: Die zur Antragstellung verpflichtete Person muss nachweisen, dass sie die Insolvenzreife auch bei einer erheblichen Gewissensanspannung nicht hat erkennen können. Dies ist sicherlich ein probates und angemessenes Mittel für den "Profi-Geschäftsführer/Vorstand", ob es der Lebenswirklichkeit der tausenden von Gesellschafts-Geschäftsführern kleiner und kleinster GmbH gerecht wird, darf hinterfragt werden.




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