Prof. Dr. Walter Bayer / Dipl.-Kfm. Thomas Hoffmann, Universität Jena

 

Genehmigtes Kapital für GmbH als Ladenhüter

 

I. Bisherige Verbreitung

Während die Unternehmergesellschaft mit rund 9.000 Rechtsträgern* nach nur sechs Monaten getrost als "Kassenschlager" des MoMiG bezeichnet werden kann, fristet eine andere MoMiG-Neuerung bisher nur ein Schattendasein als "Ladenhüter": das genehmigte Kapital für die GmbH (§ 55a GmbHG). In den ersten sechs Monaten seit Inkrafttreten des MoMiG betrug das geschaffene Ermächtigungsvolumen für Stammkapitalerhöhungen bei GmbH lediglich rund 1,4 Mio. € (laut Handelsregistereintragungen zwischen 1.11.2008 und 30.4.2009, sofern diese bis spätestens 7.5.2009 elektronisch bekannt gemacht worden sind). Gerade einmal 51 von insgesamt ca. einer Million GmbH (vgl. Kornblum, GmbHR 2009, 25 [30]) wurden damit bisher mit einem genehmigten Kapital ausgestattet. Bei 25 GmbH schuf man das genehmigte Kapital im Zuge der Gründung (Ermächtigungsvolumen 590.500 €) und bei 26 GmbH (Volumen: 852.052 €) durch nachträgliche Satzungsänderung.

59 % der im Zeitraum vom 1.11.2008 bis einschl. 30.4.2009 mit einem genehmigten Kapital ausgestatteten GmbH waren Ein-, Zwei-, oder Dreipersonengesellschaften, 25 % hatten zwischen 4 und 9 Gesellschafter und nur 16 % verfügten über 10 und mehr Gesellschafter, wobei das Maximum bei 85 Anteilseignern lag. Etwa die Hälfte (26 von 51) der GmbH wiesen Stammkapitalia von nicht einmal 30.000 € auf. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Instituts für Rechtstatsachenforschung zum Deutschen und Europäischen Unternehmensrecht der Friedrich-Schiller-Universität Jena, bei der entsprechende Handelsregisterdaten und GmbH-Satzungen ausgewertet wurden. Vorgaben zum genehmigten Kapital fanden sich teils bei den Regelungen zum Stammkapital, teils unter einem separaten Paragraphen, aber auch unter den "Schlussbestimmungen" des Gesellschaftsvertrags.

Die bisher geringe Nutzung des für die GmbH neuen Rechtsinstituts war zu erwarten, denn ein echtes praktisches Bedürfnis für ein genehmigtes Kapital besteht nur bei den wenigsten GmbH; und auch das vom Gesetzgeber angegebene Kostenargument trägt nicht immer (vgl. nur Cramer, GmbHR 2009, 406 [408] und Priester, GmbHR 2008, 1177 [1183]). Geeignet ist das genehmigte Kapital dagegen vor allem für börsennotierte Aktiengesellschaften mit großem Aktionärskreis, die ohne die Möglichkeit kurzfristige Hauptversammlungen einberufen zu können, schnell und spontan Gelegenheiten des Kapitalmarkts ausnutzen müssen. Schon bei nichtbörsennotierten Aktiengesellschaften fanden genehmigte Kapitalia in der Vergangenheit vergleichsweise weniger Verbreitung (vgl. Bayer/Hoffmann, AG 2006, R 527 [R 528]). Nach wie vor unzureichend ist allerdings der Aktionärsschutz, vor allem bei Kapitalerhöhungen zugunsten eines Mehrheitsaktionärs (ausführlich Bayer, ZHR 2004, 132 [168], m.w.N.).

 

II. Inhalte der bisherigen Ermächtigungen

Volumenmäßig wiesen die genehmigten Kapitalia der betrachteten GmbH Nennbeträge zwischen 1.084 € und 329.850 € auf (Durchschnitt: rund 28.000 €) und reichten von lediglich 3,6 % bis zu der gesetzlichen Höchstgrenze von 50 % des zum Zeitpunkt der Ermächtigung vorliegenden Stammkapitals. Bei 59 % der betrachteten GmbH wurde von diesem höchstmöglichen Ermächtigungsvolumen Gebrauch gemacht. Durchschnittlich lag das Ermächtigungsvolumen bei knapp 40 % des Stammkapitals. 32 % des gesamten Ermächtigungsvolumens war ausschließlich für Barkapitalerhöhungen vorgesehen. Sowohl für Bar- als auch für Sachkapitalerhöhungen stand dagegen 68 % des Ermächtigungsvolumens zur Verfügung. Entsprechend zum Wortlaut von § 55a Abs. 1 S. 1 GmbHG enthielten die Satzungen regelmäßig die Bestimmung, dass die Stammkapitalerhöhungen "durch Ausgabe neuer Geschäftsanteile" zu geschehen habe. Die Frage, ob Stammkapitalerhöhungen aus genehmigtem Kapital auch in Form von Nennwertaufstockungen zulässig sind (dazu Priester, GmbHR, 2008, 1177 [1179]), stellt sich zumindest hier nicht.

Normalerweise enthielten die GmbH-Satzungen die Formulierung, dass die Geschäftsführung das Stammkapital "um höchstens" einen bestimmten Betrag bzw. "auf bis zu" einen bestimmten Betrag erhöhen darf. Erlaubt sind danach also auch Stammkapitalerhöhungen auf Beträge unterhalb des maximalen Ermächtigungsvolumens. In einem Fall lautetet die Formulierung aber wie folgt: "Die Gesellschafter ermächtigen die Geschäftsführung das Stammkapital um 15.000 € auf dann 45.000 € zu erhöhen."

Bei den bisher erfolgten Ermächtigungen wurde häufig der maximale Ermächtigungszeitraum von 5 Jahren ausgenutzt. In einem Fall ermächtigte man jedoch regelwidrig für einen Zeitraum von fast 9 Jahren. Im Durchschnitt betrug der Ermächtigungszeitraum für die Geschäftsführung zur Ausnutzung des genehmigten Kapitals viereinhalb Jahre. Der kürzeste beobachtete Ermächtigungszeitraum lag bei lediglich 89 Tagen. Zur Bestimmung der Dauer der Ermächtigung verwendete man in 43 % der Satzungen ein festes Enddatum (z.B. "31.12.2013") und in den restlichen Fällen eine Berechnungsvorschrift (z.B. "5 Jahre ab Eintragung" oder "5 Jahre ab Beurkundung").

Das Vorliegen eines (mitbestimmungsrechtlich/fakultativ installierten) Aufsichtsrats  bedeutet für die GmbH anders als bei der AG nicht automatisch eine Zustimmungspflicht dieses Organs im Fall der Ausnutzung des genehmigten Kapitals durch die Geschäftsführung. Die Satzung kann jedoch anderes bestimmen (Priester, GmbHR, 2008, 1177 [1180]). Vier der 51 GmbH-Satzungen, in denen bisher ein genehmigtes Kapital statuiert war, sahen eine Zustimmungspflicht von Aufsichtsrat oder Beirat vor. Bei einer Gesellschaft wurde das genehmigte Kapital unterteilt in ein "genehmigtes Kapital -- GF", über das die Geschäftsführung frei disponieren kann, und in ein ansonsten inhaltsgleiches "genehmigtes Kapital -- AR", welches nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats ausgenutzt werden darf. Bis auf den eben genannten Fall gab es in keiner der analysierten GmbH-Satzungen weitere Unterteilungen des genehmigten Kapitals.

8 % der untersuchten Satzungen machten ausdrücklich nochmals die Zustimmung der Gesellschafterversammlung zur Ausnutzung des genehmigten Kapitals erforderlich, womit aber der Sinn des Rechtsinstituts weit gehend ausgehebelt wird -- lediglich das notarielle Beurkundungserfordernis des Zustimmungsbeschlusses entfällt hier. In einer dieser Satzungen wurde klargestellt, dass die Zustimmungspflicht ausschließlich im Innenverhältnis besteht und dem Registergericht nicht nachgewiesen werden muss.

Die Ausnutzung des genehmigten Kapitals durch die Geschäftsführung erfordert eine Anpassung der Stammkapitalziffer in der Satzung. In 18 der insgesamt 51 untersuchten Satzungen mit genehmigtem Kapital wurde das Recht zur Vornahme dieser Fassungsänderung explizit der Geschäftsführung, bei zwei Satzungen dem Beirat zugesprochen.

Den Gesellschaftern der GmbH steht nach h.M. analog § 186 Abs. 1 S. 1 AktG ein ungeschriebenes gesetzliches Bezugsrecht bei Stammkapitalerhöhungen zu, um diesen die Möglichkeit zur Aufrechterhaltung ihrer Beteiligungsquote zu sichern. Der dem genehmigten Kapital zugrunde liegende Ermächtigungsbeschluss kann jedoch direkt den Ausschluss des Bezugsrechts vorsehen (Direktausschluss) oder aber die Geschäftsführung zur Entscheidung über den Ausschluss des Bezugsrechts ermächtigen (Ermächtigungsausschluss). Entgegen bisherigen Erwartungen sah der Großteil (61 %) der untersuchten GmbH-Satzungen mit genehmigtem Kapital (abgesehen für den Fall von Spitzenbeträgen) keine Möglichkeit des Bezugsrechtsausschlusses vor. 12 % der Satzungen enthielten dagegen einen Direktausschluss und 27 % der Satzungen einen Ermächtigungsausschluss. Zu beachten ist aber, dass nach h.M. die Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss auch nachträglich zu einem bereits in der Satzung verankerten genehmigten Kapital hinzugefügt werden kann.

Außer den oben genannten Bestimmungen enthielten nur wenige der untersuchten GmbH-Satzungen weitere Bestimmungen zum genehmigten Kapital. In seltenen Fällen wurde der Zweck, für den das genehmigte Kapital genutzt werden darf, in der Satzung konkretisiert (z.B. zur Gewährung von Umtauschrechten an Inhaber von Teilschuldverschreibungen oder zur Bedienung von Optionsrechten an Mitarbeiter, Berater und Geschäftsführer). Auch Vorgaben zur Festlegung des Ausgabebetrages für die neuen Anteile, wie z.B. "Ausgabe zu mind. dem 120-fachen des Nennwerts" oder "Ausgabe zum Nennbetrag ist auch zulässig") fanden sich kaum. Vereinzelt wurde in den Satzungen auf die aktienrechtlichen Regelungen zum genehmigten Kapital verwiesen (z.B. "Ergänzend zu § 55a GmbHG gilt: Für dieses genehmigte Kapital gelten die §§ 202 ff. AktG zum Genehmigten Kapital bei einer Aktiengesellschaft entsprechend, sofern sich aus der Rechtsform GmbH im Vergleich zur Aktiengesellschaft keine zwingenden Abweichungen ergeben.").

 

III. Wertung

Fast in letzter Minute, nämlich erst nach dem Regierungsentwurf, schlich sich das genehmigte Kapital in den Gesetzgebungsprozess zum MoMiG ein. Bisher stieß das für die GmbH neue Rechtsinstitut allerdings nur auf geringe Resonanz. Für die Zukunft dürften sich kaum Veränderungen ergeben; denn am praktischen Nutzen des genehmigten Kapitals für die GmbH darf getrost gezweifelt werden. Auch wenn der neue § 55a GmbHG  somit wenig bringt -- schaden wird er (gerade in einer auf Privatautonomie basierenden Rechtsordnung) allerdings auch nicht. Nur die Kommentare zum neuen GmbH-Gesetz werden nun etwas umfangreicher werden.

 

*    Wochenaktuelle Zahlen unter: http://www.rewi.uni-jena.de/Forschungsprojekt_Unternehmergesellschaft-page-15120.html




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