Prof. Dr. Peter Ries, Berlin*

Das Elektronische Handelsregister -- Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen durch das "ERJuKoG"

Schnell zugängliche Informationen werden für den Geschäftsverkehr immer wichtiger. Deshalb ist es begrüßenswert, daß auch Informationen aus dem Handelsregister mittels der Informationstechnologie leichter zugänglich gemacht werden sollen. Der Gesetzgeber hat durch das Gesetz über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation -- ERJuKoG (BGBl 2001 I, 3422) die rechtlichen Voraussetzungen für einen online-Abruf von Informationen aus dem (hoffentlich bald) elektronisch geführten Handelsregister geschaffen.

Beschränkung der Einsicht auf "Informationszwecke"

Durch das o.g. Gesetz wurde u.a. § 9 HGB geändert. Durch die Neufassung des § 9 Abs. 1 HGB wird das Einsichtsrecht in das Handelsregister und die dort eingereichten Schriftstücke auf "Informationszwecke" beschränkt, wobei es nicht darauf ankommen soll, ob eigene oder fremde Informationsinteressen befriedigt werden sollen (BT-Drucks. 14/7348, S. 28). Durch die Beschränkung der Einsicht auf "Informationszwecke" sollen mißbräuchliche Zugriffe auf das Register vermieden werden. Mißbräuchliche Zwecke sollen nach der Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 14/6855, S. 17) z.B. der Komplettabruf der gesamten Registerdaten oder die Sabotage des Registerbetriebs sein. Der Rechtsausschuß nennt als Mißbrauchstatbestände z.B. massenhafte Zugriffe zur absichtlichen Lahmlegung des Handelsregisters oder Zugriffe zur "Infektion" mit Viren (vgl. BT-Drucks. 14/7348, S. 28). Die Restriktion der Einsichtnahme ist bezüglich Sabotageaktionen für den Online-Abruf noch einsehbar. Daß allerdings der Komplettabruf der gesamten Registerdaten rechtsmißbräuchlich sein soll, ist außer für ganz seltene Ausnahmefälle (z.B. wenn ein privater Informationssammler diese Daten nur deshalb abruft, um in betrügerischer Absicht den eingetragenen Unternehmen fiktive Eintragungsrechnungen zuzusenden) nicht einleuchtend. Die Länder sollte sich vielmehr über die dann fließenden Einnahmen aus diesem Abruf freuen.

Die Beschränkung der Einsicht auf Informationszwecke gilt nicht nur für den Online-Abruf, sondern auch für die auch nach der Einführung des elektronischen Handelsregisters weiter mögliche Einsichtnahme in das Handelsregister vor Ort. Hier bleibt der Zweck der Beschränkung im unklaren. Im Regierungsentwurf (BT-Drucks. 14/6855, S. 17) ist nur davon die Rede, daß der "Verwendungszweck aus datenschutzrechtlichen Gründen positivrechtlich umrissen" wird (s.a. BR-Drucks. 339/01, S. 19). Ob datenschutzrechtliche Gründe gegen die unbeschränkte Einsicht in das Handelsregister sprechen, ist fraglich. Wenn persönliche Daten in das Handelsregister eingetragen werden (z.B. Gesellschafter bei Personenhandelsgesellschaften, Geschäftsführer, Vorstände und Prokuristen), können und sollen diese Daten zur Erzielung einer größeren Publizität im Rechtsverkehr verwendet werden, selbst durch private Unternehmen, die sich diese Daten aus dem Handelsregister oder dem gesetzlichen Publikationsorgan (Bundesanzeiger) besorgen (vgl. Noack, BB 2001, 1263 unter kritischer Würdigung des umstrittenen Urt. des BGH v. 12.7.1989 -- IVa ARZ (VZ) 9/88, BGHZ 108, 32 = GmbHR 1989, 369, in dem der BGH sich gegen eine Kommerzialisierung der Registerdaten aussprach). Im übrigen wird die Formulierung "zu Informationszwecken" die Einsicht in der Praxis wohl kaum einschränken, da auch gewerbsmäßige Informationssammler diesen Zweck bei der Einsicht angeben werden.

Sinnvoll ist die Beschränkung der Einsicht nur bezüglich geplanter Sabotagehandlungen beim online-Abruf. Hierzu hätte § 9 HGB aber nicht geändert werden müssen, da auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung die Einsicht wegen Rechtsmißbrauch verweigert werden kann (Noack, BB 2001, 1263).

Online-Abruf jetzt für jedermann ...

Gelungener ist die Änderung des § 9a HGB. Nach der alten Fassung des § 9a HGB war der online-Abruf nur für bestimmte öffentliche Stellen und private Nutzer mit einem berechtigten beruflichen oder gewerblichen Interesse möglich. Für den online-Abruf war ein Verbot mit Genehmigungsvorbehalt vorgesehen, was angesichts der Genehmigungszuständigkeit von 16 einzelnen Landesjustizverwaltungen unpraktikabel war.

Die Neufassung des § 9a HGB ermöglicht einen online-Zugriff für jedermann ohne Darlegung eines berechtigten Interesses, allerdings nur zu Informationszwecken (vgl. § 9a Abs. 2 S. 1 HGB; s. auch oben). Weiter dreht die Neufassung das früher geltende Regel-Ausnahme-Schema um und sieht jetzt eine generelle Abruferlaubnis mit Verbotsvorbehalt vor. Dies entspricht europarechtlichen Vorgaben (Art. 3 Abs. 3 der Publizitätsrichtlinie) und dem Bedürfnis des Rechtsverkehrs.

... aber Ausschluß bei (drohendem) Mißbrauch

Die Neufassung des § 9a sieht in Abs. 3 die Möglichkeit des Ausschlusses (durch die Landesjustizverwaltungen, vgl. § 9a Abs. 4 HGB) eines Nutzers vom online-Abruf vor, wenn er die Daten nicht zu Informationszwecken verwendet oder die Daten mißbraucht bzw. wenn eine unzulässige Einsichtnahme oder Mißbrauch droht. (Drohender) Mißbrauch der abgerufenen Daten rechtfertigt sicher den Ausschluß von der Nutzung. Ob aber auch das Fehlen des "Informationszwecks" einen Ausschluß von der Nutzung rechtfertigt, ist rechtlich und faktisch gleichermaßen zweifelhaft (s. die Ausführungen oben).

Erweiterung der Publizität auf Gesellschafterlisten und Satzungen

Die Möglichkeit des online-Abrufs beschränkt sich nicht nur auf die Eintragungen im Handelsregister, sondern bezieht sich auch auf die zum Handelsregister eingereichten aktuellen Gesellschafterlisten und jeweils gültigen Satzungen (vgl. § 9a Abs. 1 HGB). Diese Erweiterung des online-Abrufs basiert auf der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses, der damit Bitten des Bundesrats, zahlreichen Stellungnahmen zum Regierungsentwurf und den voraussichtlichen Forderungen der EU (Slim IV-Projekt, vgl. hierzu Noack, BB 2001, 1263 [1266 f.]) nachkam (vgl. BT-Drucks. 14/7348, S. 28 f).

Die Einstellung der aktuellen Satzungen und Gesellschaftsverträge in das Netz ist sicherlich sinnvoll. Ob die Einstellung der Gesellschafterlisten für den Geschäftsverkehr nützlich ist, erscheint eher fraglich. Die Gesellschafterliste muß nicht unbedingt die Namen der richtigen Gesellschafter enthalten. Denn entscheidend für die Erlangung der Gesellschafterstellung ist nicht die Aufnahme in die Gesellschafterliste, sondern die wirksame Abtretung des Geschäftsanteils. Die Praxis zeigt, daß Gesellschafterlisten aufgrund unwirksamer Abtretungen bzw. Teilungen unrichtig sein können. Wer als Rechtsanwalt eine "due diligence" durchgeführt hat oder als Rechtspfleger bzw. Richter bei der Prüfung der Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses die Gesellschafterstellung der Beschließenden nachvollziehen mußte, wird dies bestätigen. Eine absolute Sicherheit bezüglich der Gesellschafterstellung kann die Gesellschafterliste nicht geben; genauso wenig erzeugt sie einen Rechtsschein.

Andererseits wäre es überlegenswert, den Nutzern online mehr Informationen zu geben, als jetzt in § 9a Abs. 1 HGB vorgesehen ist. So sollten zumindest die Daten abrufbar gemacht werden, die -- zusätzlich zu den eingetragenen Daten -- auch bekanntgemacht werden, insbesondere also bei Einzelkaufleuten und Personenhandelsgesellschaften der Gegenstand des Unternehmens (§ 24 der Handelsregisterverfügung), bei der GmbH die Angaben nach § 10 Abs. 3 und § 57b GmbHG, bei der AG die Angaben nach § 40, § 45 Abs. 3 und § 190 AktG und die einzelnen Gläubigeraufrufe bei Beendigung von Unternehmensverträgen und Umwandlungsvorgängen. Diese Daten sind für den Geschäftsverkehr oft von Bedeutung und sollten möglichst schnell -- ohne Einsichtnahme vor Ort bzw. im Bundesanzeiger -- verfügbar sein.

Kein Online-Abruf von Jahres- und Konzernabschlüssen und sonstiger Unterlagen

Der Gesetzgeber konnte sich nicht dazu durchringen, die Möglichkeit des Online-Abrufs auch auf die Jahresabschlüsse und Konzernabschlüsse auszudehnen. Nach der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses sollten vor einer Aufnahme der Abschlüsse in die abrufbaren Unterlagen noch weitere Stellungnahmen, insbesondere der mittelständischen Wirtschaft, eingeholt werden (BT-Drucks. 14/7348, S. 29). Daß die Abschlüsse insbesondere im Hinblick auf die zu erwartenden europarechtlichen Vorgaben in absehbarer Zukunft auch online abrufbar sein werden, stellt der Gesetzgeber aber nicht in Abrede (vgl BT-Drucks. 14/7348, S. 29). Dies würde vielleicht auch dazu führen, daß mehr Unternehmen als bisher ihrer Pflicht zur jährlichen Einreichung der Jahresabschlüsse nachkommen.

Wünschenswert, wenn technisch möglich, wäre auch eine Einstellung aller anderen im Sonderband der Akte sich befindenden Unterlagen, wie z.B. Gesellschafterbeschlüsse, Hauptversammlungsniederschriften, Unternehmensverträge, Umwandlungsurkunden und Anmeldungen (vgl. Noack, BB 2001, 1263 [1264]). Angesichts der zu bewältigenden Datenmenge und der zu erwartenden Probleme beim Einscannen alter Unterlagen wird eine Einstellung dieser Unterlagen noch länger auf sich warten lassen.

Gebühren und Vergleich mit privaten Anbietern

Der Online-Abruf kostet Geld, nämlich 8 DM pro Abruf bei einer Jahresgebühr von 300 DM bzw. 16 DM pro Abruf ohne Jahresgebühr bzw. die entsprechenden Euro-Beträge (§ 7b Justizverwaltungskostenordnung). Durch diese Gebühren sollen die Investitionskosten gedeckt werden. Rechtlich wird die Erhebung einer Gebühr für den online-Abruf angesichts der maßvollen Höhe und der jederzeitigen kostenlosen Einsichtsmöglichkeit vor Ort unproblematisch sein. Faktisch spart sich der Nutzer des Online-Abrufs die Personal- und Fahrtkosten zum Gericht, die um einiges höher liegen dürften als die erhobenen Gebühren. Allerdings bieten private Unternehmen die Daten aus dem Handelsregister preisgünstiger an (vgl. Noack, BB 2001, 1263 [1264]). Die Daten dieser privater Anbieter garantieren aber nicht deren Authentizität und erzeugen keinen Rechtsschein; sie können auch nicht für Bestätigungen nach § 21 BNotO oder als Existenz- bzw. Vertretungsnachweis gegenüber Behörden oder Gerichten verwendet werden. Bei online direkt aus dem Handelsregister abgerufenen Daten hingegen ist deren Richtigkeit gewährleistet. Ein Ausdruck dieser Daten entweder mit allen Eintragungen oder alternativ mit den aktuell gültigen Eintragungen wird möglich sein und die Abschrift aus dem Handelsregister ersetzen (vgl. § 9 Abs. 2 S. 4 HGB und § 64 Handelsregisterverfügung). In Form des "amtlichen" Ausdrucks ersetzt er die beglaubigte Abschrift und kann als Existenz- und Vertretungsnachweis verwendet werden. "Normale" Ausdrucke können dem Antragsteller auch elektronisch übermittelt werden (§ 64 Abs. 4 HRV).

Technische Umsetzung läßt noch auf sich warten

Leider hinkt die technische Umsetzung des online-Abrufs seiner rechtlichen Umsetzung hinterher. Zwar haben schon einige Registergerichte (z.B. Essen, Traunstein, München, Potsdam ...) ihren Registerbestand elektronisch erfaßt. Andere Registergerichte wie Berlin beginnen derzeit mit der Erfassung. Angesichts der zu bewältigenden Datenmengen, der Schwierigkeiten bei der Erfassung der Alt-Daten und der Personalknappheit wird die Erfassung aber noch länger dauern. Ein online-Abruf der bereits erfaßten Daten ist derzeit -- auch bei den o.g. Gerichten -- allenfalls im Probebetrieb möglich. Die für die Automatisierung eingesetzte Bund-Länderkommission muß sich zudem noch auf ein einheitliches Abrufsystem mit einheitlichen Masken verständigen. Es bleibt zu hoffen, daß die Länder genügend personelle und technische Mittel bereitstellen, um das von allen gewünschte elektronische Handelsregister möglichst zügig einzuführen und wieder Anschluß an den europäischen Standard zu finden.

 

* Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg und Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin.


Zurück