Dr. Wolfgang Leibner, LL.M.* / Christian Reinicke**

Die unerlaubte Rechtsberatung durch Steuerberater

I. Vorbemerkung

Die laufende Betreuung einer GmbH stellt an die jeweiligen Berater hohe Anforderungen. Dies gilt insbesondere deswegen, weil von diesen eine umfassende Begleitung auf allen Rechtsgebieten erwartet wird. Erster Ansprechpartner ist hierfür zumeist aufgrund des Dauermandates der steuerliche Berater. Für diesen besteht jedoch die Schwierigkeit, bei der bestehenden Rechtslage jeweils genau zwischen der ihm erlaubten, bzw. der ihm nicht erlaubten Rechtsberatung zu unterscheiden. Dies ist um so bedeutsamer, als die Rechtsfolgen einer unerlaubten Rechtsberatung durch einen steuerlichen Berater mit Blick auf den Versicherungsschutz bei einem Haftpflichtfall, die möglichen berufs- und wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen dramatisch sein können.

II. Beratung in steuerlichen Angelegenheiten

Die Beratung und Vertretung des Mandanten durch einen steuerlichen Berater darf nur in einer steuerlichen Angelegenheit, den sog. Steuersachen gemäß § 3 Nr. 1, § 33 StBerG erfolgen.
Besonders schwierig in der Praxis ist hierbei die Abgrenzung. Der steuerliche Berater ist befugt, rechtsberatend tätig zu werden, soweit dies zur Erfüllung des zulässigerweise übernommenen Auftrags unmittelbar erforderlich ist (BGH, NJW 1963, 2027; BGHZ 102, 128). Anders formuliert muß die Beratung in der steuerlichen Angelegenheit als die eigentliche Aufgabe im Vordergrund stehen und darf die Rechtsberatung nur deswegen erfolgen, weil ansonsten die steuerliche Beratung nicht ordnungsgemäß erledigt werden könnte.
Die praktische Handhabung dieser Differenzierung ist im konkreten Fall äußerst problematisch. Gegebenenfalls muß eine Orientierung an einzelnen Entscheidungen erfolgen.

Als unzulässige Rechtsberatung wurden z.B. folgende Fälle angesehen:

-- Beratung zum Unfallversicherungsschutz (OLG Köln, VersR 1990, 393)

-- Abfassen von Gesellschaftsverträgen (BGH, BB 1963, 787; Stbg. 1992, 441; OLG Koblenz, Az: 4 U 759/97)

-- Abfassen von Arbeitsverträgen (AG Elmshorn, DStR 1970, 675)

-- Außergerichtliche Vergleichsverhandlungen (BGH, NJW 1962, 807)

-- Abgabe von Gestaltungserklärungen für den Mandanten (OLG Karlsruhe, Stbg 1981, 101)

-- Geltendmachung von Schadensersatz- und Herausgabeansprüchen des Mandanten (OLG Düsseldorf, StBG 1985, 208; Belehrung über Fehler des Vorberaters ist aber erforderlich, OLG Hamm, Az: 25 U 31/84)

-- Vertretung in Verwaltungsverfahren (LG Itzehoe, NJW 1963, 210)

-- Entwurf Kaufvertrag über Gewerbebetrieb (LG Braunschweig, AnwBl. 1961, 23)

-- Abfassen von Agenturverträgen (LG Flensburg, AnwBl. 1962, 23)

-- Abfassen von sonstigen Verträgen, wie z.B. Sicherungsübereignungsverträgen (BGH, BB 1963, 187)

-- Darlehensverträge (BGH, NJW 1986, 1050)

-- Pachtverträge (LG Düsseldorf, NJW 1963, 1500)

-- Vertretung in kommunalen Abgabeangelegenheiten (VG Minden, Az: 7 K 431/84)

Als zulässige Rechtsberatung dagegen wurden z.B. beurteilt:

-- Darlegung der zivilrechtlichen Grundlagen, soweit sie zur steuerlichen Beratung notwendig sind (OLG Hamm, Stbg. 1993, 399)

-- Vertretung vor dem Verwaltungsgericht in einer Steuersache (VGH Baden-Württemberg, StB 1978, 209)

-- Erstattung wissenschaftlich begründeter Gutachten

-- Lieferung von Tatsachen, Material und Einschätzung zum wirtschaftlichen Stand des Mandanten (LG Koblenz, Stbg. 1993, 399)

-- Treuhandabrede zum Zahlungsverkehr (OLG Hamburg, Stbg. 1987, 100)

-- An- und Abmeldung bei Sozialversicherungsträgern (LG Lüneburg, DStR 1971, 129)

III. Allgemeine Rechtsfolgen einer unerlaubten Rechtsberatung

Die Unterscheidung zwischen der zulässigen und der unzulässigen Rechtsberatung durch den Steuerberater ist mit Blick auf die zahlreichen hieran anknüpfenden Rechtsfolgen von besonderer Bedeutung. Wird in einem Fall eine Beratungsleistung als unzulässige Rechtsberatung qualifiziert, so findet die Vorschrift des § 134 BGB auf den geschlossenen Vertrag Anwendung. Dies bedeutet zunächst, daß dem steuerlichen Berater ein Honoraranspruch nicht zusteht.
Trotzdem kann es jedoch zu entsprechenden Schadensersatzansprüchen nach vertragsrechtlichen Grundsätzen kommen (BGH, Az: IX ZR 139/98).
Die weit bedeutendste Folge ist in diesem Zusammenhang dann aber der Verlust des Haftpflichtversicherungsschutzes. Gerade der Verlust des Versicherungsschutzes kann bei komplexeren und wirtschaftlich bedeutsamen Mandaten für den betroffenen Berater sehr schnell existenzbedrohende Züge annehmen. Werden z.B. durch einen steuerlichen Berater im versicherungsrechtlichen Bereich Tätigkeiten entfaltet und ist der Versicherungsschutz des Mandanten später wegen der Nichtbeachtung von versicherungsrechtlich spezifischen Fristen infrage gestellt, kommen sehr schnell -- selbst bei Kurzberatungen -- erhebliche Regreßforderungen zustande. Die Problematik verschärft sich weiterhin dann noch, wenn die unerlaubte Rechtsberatung durch das Mitglied einer Steuerberatersozietät erbracht wurde und nunmehr alle Beteiligten sich mit einem entsprechenden Regreß konfrontiert sehen. Mit Blick auf die im Einzelfall unscharfen Abgrenzungskriterien sind also zwingend -- gerade bei Mandaten, die auf eine umfassende Beratung wie bei einer mittelständischen GmbH angelegt sind -- Vorsorgemaßnahmen aus Beratersicht erforderlich.
Von daher ist eine genaue Untersuchung bei problematischen Mandaten im Einzelfall vorzunehmen. Die vorstehende Problematik wird dabei nicht durch die interne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts -- was in der Praxis oft zu beobachten ist -- vermieden, denn ein Verstoß ist in dieser Konstellation trotzdem gegeben (OLG Hamm, DB 1986, 32).

IV. Sonstige rechtliche Folgen

Die unerlaubte Rechtsberatung ist ordnungswidrig gem. Art. 1 § 8 RBerG und kann mit Geldbußen bis zu 5.000 Euro geahndet werden. Das gilt allerdings nur bei Vorsatz, § 10 OWiG, der aber schon bei bedingtem Vorsatz, also dann vorliegt, wenn der Berater es für denkbar hält, daß er verboten handelt und dies dennoch billigend tut.
Ein Verstoß gegen das Verbot unerlaubter Rechtsberatung kann neben den bereits vorstehend erwähnten weitere zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Es ist anerkannt, daß ein nach dem Rechtsberatungsgesetz verbotenes Handeln zugleich gegen die guten Wettbewerbssitten i.S.d. § 1 UWG verstößt. Das führt zu Unterlassungs- und unter Umständen auch Schadensersatzansprüchen. Diese Ansprüche können insbesondere Rechtsanwälte, Rechtsbeistände, Anwaltvereine und Rechtsanwaltskammern geltend machen. In Zeiten härteren Wettbewerbs ist auch nicht auszuschließen, daß ein anderer steuerlicher Berater sich eines Verstoßes als wettbewerbswidrigem Vorsprung durch Rechtsbruch erwehren möchte.
Kommt es zu einer Auseinandersetzung, wird der vermeintlich Verletzte dem unerlaubt Rechtsberatenden meistens durch eine Abmahnung Gelegenheit geben, eine Unterlassungserklärung abzugeben, worin er sich verpflichtet, künftig nicht mehr wie konkret beanstandet zu handeln. Diese Erklärung muß dadurch gesichert sein, daß der Erklärende sich verpflichtet, für jeden weiteren Verstoß eine Vertragsstrafe an den Anspruchsteller zu zahlen. Deren Höhe ist von den Besonderheiten des Einzelfalles abhängig, wird aber selten unter 3.000 Euro liegen.
Beauftragt der Verletzte einen Rechtsanwalt oder ist er selbst Anwalt, muß der Berater ihm auch die Rechtsanwaltsgebühren erstatten. Kommt keine vorgerichtliche Einigung zustande, ist mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung zu rechnen. An dieses Verfahren kann sich dann unter Umständen noch eine Klage anschließen. Wegen der in Wettbewerbssachen hohen Streitwerte kann es folglich zu erheblichen Verfahrenskosten kommen.

V. Ausblick

Das Rechtsberatungsgesetz war wiederholt der Kritik von verschiedenen Seiten mit unterschiedlichen Ansätzen und Argumenten ausgesetzt. Die aktuelle Diskussion wird insbesondere mit Blick auf Aspekte des Verbraucherschutzes geführt.
So besteht das Bedürfnis, in bestimmten Bereichen, z.B. bei karitativen Einrichtungen, unentgeltliche Rechtsberatung eingeschränkt zu ermöglichen. Bei einer unentgeltlichen Leistung soll der Hilfesuchende dann aber nur einen eingeschränkten Leistungsumfang erwarten dürfen. Die vorstehend angesprochenen Fragen bezüglich der steuerlichen Berater werden derzeit nicht erörtert.
Veränderungen durch die Rechtsprechung sind ebenfalls kaum zu erwarten. Auch der EuGH hatte sich schon mit dem Rechtsberatungsgesetz zu befassen, erhob jedoch keine rechtlichen Bedenken. Nur der Gesetzgeber könnte also eine Änderung herbeiführen.
Wünschenswert wäre, daß der Gesetzgeber die teilweise problematischen Abgrenzungen mit der nötigen Trennschärfe versieht. Dann wäre z.B. besser zu vermeiden, daß ein steuerlicher Berater, der zur gemeinsamen Lösung eines Problems eigene rechtliche Überlegungen beisteuert, nicht mehr Gefahr läuft, in Konflikt mit dem Rechtsberatungsgesetz zu kommen, wie es gegenwärtig oft der Fall ist.

* Rechtsanwalt und Mediator, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Langenhagen.
** Rechtsanwalt, Hannover.


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