Dr. Klaus D. Höfner / Sandra Bäumler, Rechtsanwälte und Steuerberater, München*

 

Die Praxis der Offenlegungsverpflichtung im Spiegel aktueller Rechtsprechung

 

Mit der Erstellung des Jahresabschlusses wird derzeit für die Gesellschaften, deren Geschäftsjahr dem Kalenderjahr entspricht, das Thema der Offenlegung relevant. Zur Offenlegung ihrer Jahresabschlussunterlagen sind neben den börsennotierten Gesellschaften die Unternehmen verpflichtet, die aufgrund ihrer Größe unter das Publizitätsgesetz fallen, sowie alle Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften, die keine natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter haben. Dabei gibt es größenabhängig Erleichterungen für kleine und mittlere Kapitalgesellschaften, §§ 326 f. HGB. Seit dem 1.1.2008 wird die Erfüllung der Offenlegungsverpflichtung systematisch und von Amts wegen kontrolliert. Das zu diesem Zeitpunkt neu geschaffene Bundesamt für Justiz (BfJ) überprüft, ob publizitätspflichtige Gesellschaften ihrer Verpflichtung nachkommen.

 

Verfahren vor dem Bundesamt für Justiz

2008 wurden mehrere hunderttausend Androhung- und Festsetzungsbescheide durch das BfJ verschickt. Darin werden die Adressaten aufgefordert, die offenlegungspflichtigen Jahresabschlussunterlagen beim elektronischen Bundesanzeiger einzureichen oder innerhalb von sechs Wochen Einspruch beim BfJ einzulegen. Adressaten können sowohl die vertretungsberechtigten Organe der Gesellschaften, wie auch die Unternehmen selbst sein (§ 335 Abs. 1 HGB). Diese Anhörungsbescheide sind mit einer Gebühr von 53,50 € verbunden, wenn eine Pflicht zur Offenlegung bestand und das Unternehmen diese Pflicht innerhalb der gesetzlichen Frist von zwölf Monaten nicht erfüllt hat (vgl. LG Bonn v. 11.2.2009 -- 30 T 878/08, sämtliche nachfolgend zitierten Entscheidungen können unter www.nrwe.de abgerufen werden).

Hält ein Adressat einen Androhungsbescheid für fehlerhaft, kann er Einspruch einlegen. Dies kommt in Betracht, wenn er entweder seine Offenlegungsverpflichtungen schon erfüllt glaubt, oder der Auffassung ist, hierzu nicht verpflichtet zu sein. Der Einspruch hat keine aufschiebende Wirkung (§ 335 Abs. 3 S. 6 HGB). Hat der Einspruchsführer keinen Erfolg, verbleibt es bei der Offenlegungspflicht innerhalb der Sechs-Wochen-Frist (vgl. Wenzel, BB 2008, 769). Allerdings kann durch das Einspruchsverfahren ein erneuter Fristlauf in einem weiteren Androhungsverfahren vermieden werden.

Wird die sechswöchige Nachfrist für die Offenlegung überschritten, sieht das Gesetz ein Ordnungsgeld von mindestens 2.500 € vor (§ 335 HGB). Dies gilt auch für den Fall, dass nach Ablauf der Frist ein Einspruch verworfen wurde. Bei einem nur geringfügigen Überschreiten dieser Frist kann das Ordnungsgeld reduziert werden (§ 335 Abs. 3 HGB). Bekannt sind hier Reduzierungen auf 250 €, wenn die Frist um nicht mehr als eine Woche überschritten wird (LG Bonn v. 2.12.2008 -- 37 T 627/08 und v. 1.12.2008 -- 37 T 288/08). Umgekehrt kann ein einmal zu gering festgesetztes Ordnungsgeld nicht wieder erhöht werden. Hierfür fehlt es an einer Kompetenzgrundlage (LG Bonn v. 24.3.2009 -- 30 T 658/08).

Ist die sechswöchige Nachfrist verstrichen, kann mit einem Erlass des Ordnungsgeldes grundsätzlich nicht mehr gerechnet werden. Da ein Erlass gesetzlich nicht vorgesehen ist, muss das Ordnungsgeld auch bei wirtschaftlichen Problemen, schwieriger Liquiditätslage oder einem Einstellen des Geschäftsbetriebs entrichtet werden (LG Bonn v. 2.12.2008 -- 37 T 627/08). Nur für den Fall des bloßen Versäumens der Einspruchsfrist besteht die Möglichkeit, beim BfJ materielle Gründe gegen eine Offenlegung vorzubringen und eine Minderung des Ordnungsgeldes zu erreichen. § 136 FGG sieht vor, dass für den Fall eines begründeten Einspruchs gegen eine wiederholte (zweite) Androhungsverfügung, auch ein früher festgesetztes Ordnungsgeld aufgehoben oder ein geringeres festgesetzt werden kann, wenn die Umstände dies rechtfertigen. Diese Vorschrift ist über die Verweisung des § 335 Abs. 2 HGB auch im Ordnungsgeldverfahren anwendbar (LG Bonn v. 24.6.2008 -- 30 T 40/08). Es empfiehlt sich folglich in solchen Fällen, mit Verweis auf § 136 FGG beim BfJ die Gründe für eine rechtmäßig unterbliebene Offenlegung vorzutragen und eine Reduzierung des Ordnungsgeldes zu beantragen.

 

Beschwerdeverfahren vor dem LG Bonn

Wird der Einspruch durch das BfJ verworfen oder Ordnungsgeld festgesetzt, entscheidet das LG Bonn als letzte Instanz über eine sofortige Beschwerde, derzeit jeden Monat über mehrere Hundert. Die veröffentlichten Entscheidungen reichen inhaltlich von Verfahrensfragen über die Höhe des festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu einer Diskussion über die Verfassungsmäßigkeit der Offenlegungsverpflichtung.

Immer wieder wird von den Beschwerdeführern vorgebracht, die Unterlassung der Offenlegung sei nicht verschuldet gewesen. Zwar hat das LG Bonn entschieden, dass es eines Verschuldens grundsätzlich bedarf. Allerdings sind die Anforderungen an die Adressaten der Offenlegungspflicht so hoch, dass mangelndes Verschulden meistens nicht angenommen wurde. So wurde entschieden, dass weder eine Unkenntnis von der Offenlegungspflicht, noch mangelnde Liquidität für die Erstellung eines Jahresabschlusses (LG Bonn v. 2.12.2008 -- 37 T 627/08), noch personelle Engpässe oder gar ein fehlerhaftes Verhalten eines Erfüllungsgehilfen (Steuerberater) zu einem fehlenden Verschulden führen (LG Bonn v. 29.10.2008 -- 30 T 104/08; v. 21.10.2008 -- 39 T 48/08; v. 29.10.2008 -- 30 T 104/08). In den Pflichtenkreis offenlegungspflichtiger Gesellschaften falle, durch entsprechende organisatorische Maßnahmen Sorge zu tragen, dass die Jahresabschlussdaten vollständig und rechtzeitig an den Bundesanzeiger übermittelt werden (LG Bonn v. 21.10.2008 -- 39 T 48/08). Auch die Beschlagnahmung der Buchhaltungsunterlagen bedinget ebenso wenig fehlendes Verschulden (LG Bonn v. 28.7.2008 -- 30 T 52/08), wie die Tatsache, dass die Unterlagen aufgrund eines Insolvenzverfahrens bei Gericht verwahrt und erst spät den Organen der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wurden (LG Bonn v. 30.6.2007 -- 11 T 48/07). Ausdrücklich hat das Gericht auch festgestellt, dass es nicht darauf ankommt, ob der Jahresabschluss in der Nachfrist von 6 Wochen erstellt werden kann. An einem Verschulden fehlt es hingegen dann, wenn die Adressaten einer Androhungsverfügung nachweislich davon ausgehen durften, den Offenlegungspflichten durch Einreichung der Unterlagen beim elektronischen Bundesanzeiger nachgekommen zu sein (LG Bonn v. 10.12.2008 -- 30 T 190/08).

Bei insolventen Unternehmen stellt sich die Frage, wer Adressat der Offenlegungspflicht ist. Nach Auffassung des LG Bonn bleiben weiterhin die Organe des Unternehmens für die Erstellung und Offenlegung der Jahresabschlüsse verantwortlich. Sie hätten Sorge zu tragen, dass für die Erstellung und Offenlegung der Jahresabschlüsse ausreichend Liquidität zur Verfügung stehe. Dies gilt neben den "Alt-Abschlüssen" auch für Jahresabschlüsse während des Insolvenzverfahrens. Hierbei sei zwar i.d.R. nur das nicht zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu bilanzieren und -- da ein solches i.d.R. nicht vorliegt -- eine sog. "Null-Bilanz" zu erstellen. An der grundsätzlichen Verpflichtung hierzu ändere das Insolvenzverfahren jedoch nichts (LG Bonn v. 13.11.2008 -- 30 T 275/08, GmbHR 2009, 94).

Bei einer sofortigen Beschwerde über die Festsetzung des Ordnungsgeldes wird der Beschwerdeführer nicht mehr mit dem Argument gehört, die Verfügung mit der Aufforderung zur Offenlegung sei fehlerhaft gewesen (§ 139 Abs. 2 FGG). Adressaten eines möglicherweise fehlerhaften Androhungsbescheids sollten daher vorrangig die Möglichkeit eines Einspruchs erwägen. Denn erlangt der Androhungsbescheid durch Verstreichen der Einspruchsfrist Bestandskraft, ist auch das Beschwerdegericht an dessen Inhalt im Rahmen des weiteren Verfahrens gebunden. Dies gilt auch für den Fall, dass das BfJ einen fehlerhaften Bescheid erlassen hat, z.B. weil es ein nicht offenlegungspflichtiges Unternehmen hierzu aufgefordert hat (LG Bonn v. 27.10.2008 -- 30 T 187/08). Die Nachprüfung durch das Beschwerdegericht beschränkt sich darauf, ob Verfahrensfehler vorliegen, die Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes angemessen ist, ein rechtzeitiger Einspruch nicht beachtet worden ist oder die Publikationspflicht vor der Festsetzung bereits erfüllt ist. Auch bei einer sachlich falschen, jedoch bestandskräftigen Androhungsverfügung ist nach Ansicht des LG Bonn keine Korrektur geboten, weder unter Rechts- noch unter Billigkeitsgesichtspunkten (LG Bonn v. 24.6.2008 -- 30 T 40/08).

Schon im Jahr 2007 erging eine Entscheidung des LG Bonn zur Verfassungsmäßigkeit und Europarechtskonformität der Offenlegungsvorschriften (LG Bonn v. 19.1.2007 -- 11 T 19/05). Das Gericht meinte, die Publizität diene dem Schutz der Gläubiger und der übrigen Teilnehmer am Wirtschaftsleben. Dies rechtfertige die Einschränkung der informationellen Selbstbestimmung, der Berufsfreiheit und des Eigentumsschutzes. Die mit der Offenlegung verbundene Transparenz und Publizität der finanziellen Situation von Kapitalgesellschaften entspreche einem Anliegen, das in den letzen Jahren im Gesellschaftsrecht vom Gesetzgeber ausdrücklich verfolgt worden sei. Im Folgenden begnügte sich das Gericht mit einer Wiederholung der damaligen Argumentation. Hiergegen In jüngster Zeit finden sich wieder vermehrt Stimmen der Literatur, die die verfassungsrechtliche Problematik der Offenlegungsvorschriften diskutieren. Dabei wird mit beachtlichen Argumenten entweder die Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften im Ganzen in Frage gestellt (vgl. Brete, GmbHR 2009, 617 ff. -- in diesem Heft) oder diese zumindest dort bestritten, wo durch die Offenlegung Daten oder Einkommensverhältnisse von Einzelpersonen öffentlich werden.

Bis heute zeigte sich das Beschwerdegericht von diesen Argumenten unbeeindruckt. Mit Verweis auf den EuGH, der Deutschland zu einer Verschärfung der Offenlegungsvorschriften zwang (dazu Höfner, GmbHR 2004, R 481 f.), und auf das BVerfG, welches eine Beschwerde gegen eine Entscheidung des LG Bonn nicht zur Entscheidung angenommen hat (BVerfG v. 30.1.2006 -- 1 BvR 2126/05), werden verfassungsrechtliche Bedenken kurz abgehandelt. Inhaltlich verfolgt das Gericht damit einen sehr dogmatischen Ansatz, der sich im Wesentlichen am Wortlaut des Gesetzes orientiert und der Offenlegungspflicht Vorrang vor anderen Interessenslagen gibt.

 

Vermeidung der Offenlegung?

Wer für sich oder sein Unternehmen erhebliche Nachteile durch die Veröffentlichung befürchtet, fragt nach "Vermeidungsstrategien". Die HGB-Publizität kann nur durch eine Änderung der Rechtsform in eine Personengesellschaft mit mindestens einer natürlichen Person als persönlich haftenden Gesellschafter vermieden werden. Daneben gibt es noch Gestaltungsmodelle durch die zumindest einzelne Konzerngesellschaften von der Offenlegungspflicht befreit werden, wenn sie in einen Konzernabschluss einbezogen sind (vgl. hierzu Winkeljohann/Braun, ZGG 2009, 80, ferner Tromp/Nagler/Gehrke, GmbHR 2009, 641 ff. -- in diesem Heft). Kommen diese Gestaltungen nicht in Frage, so besteht Offenlegung keine Alternative, will man nicht wiederholt ein sich bis auf 25.000 € erhöhendes Ordnungsgeld in Kauf nehmen. Allerdings kann die Informationskraft der publizierten Daten reduziert werden, indem der Androhungsbescheid des Bundesamts für Justiz abgewartet und die Sechswochenfrist ausgenutzt wird. Mehr als bestenfalls ein paar Monate können mit dieser Verzögerungstaktik allerdings nicht gewonnen werden. Publizitätspflichtigen Unternehmen ist daher zu raten, den Jahresabschluss mit Blick auf die Offenlegung aufzustellen. Denn durch Inanspruchnahme der gesetzlichen Erleichterungen und Vermeidung von unnötigen Informationen kann der Informationsgehalt der offen zu legenden Daten oftmals signifikant verringert werden. Zu guter Letzt bleibt noch ein hoffnungsvoller Blick nach Brüssel: Dort werden im Rahmen der Entbürokratisierungsinitiative der EU Überlegungen angestellt, die Offenlegungsverpflichtung für kleine Unternehmen abzuschaffen.

 

*      Partner bzw. Mitarbeiterin bei Peters, Schönberger und Partner GbR.

 

 




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