Dr. Wolfgang Lingemann, Köln*

Von der Ausbildung der Steuerbeamten zur Fortbildung aller Steuerrechtsanwender

Was hat die Steuerbeamten-Ausbildung mit dem materiellen Steuerrecht zu tun? Auf den ersten Blick nichts. Und doch sollte das Wort "Steuer" in einem Gesetzestitel den aufmerksamen Beobachter der Gesetzgebungsszene direkt hellhörig machen. Was sich im Entwurf der Bundesregierung noch als Randgebiet ansah, ist durch den Drang des Steuergesetzgebers nach (Er-)Neuerung im laufenden Gesetzgebungsverfahren flugs wieder zu einem Omnibusgesetz geworden. Der Gesetzgeber fügte nämlich dem Gesetzentwurf der Bundesregierung weitere zwölf Unterartikel 1a bis 1l hinzu, in denen sich Änderungen des EStG, KStG, UmwStG, GewStG, der GewStDV, AO, des GrEStG, UStG, des InvZulG 1999, SolZG 1995 und des Wohnungsbauprämiengesetzes nebst dessen Durchführungsverordnung verstecken. Ich meine, die Damen und Herren des Finanzausschusses haben einen Orden dafür verdient, daß sie wenigstens vorschlugen, den Gesetzestitel in "Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen" fortzudichten (BT-Drucks. 14/8887 v. 24.4.2002). Ob das Gesetzgebungspaket wirklich unbeschädigt nach Durchführung des Vermittlungsverfahrens (!) durch die beiden Gesetzgebungsorgane durchkommt und rechtzeitig zum 1.7.2002 in Kraft tritt, stand bei Redaktionsschluß noch nicht ganz fest. Wir glauben indes daran, daß sich solche Qualität der Nachbesserungsgesetzgebung nur durchsetzen kann ...

Aber Spaß beiseite: Neben unspektakulären Modernisierungen der Ausbildung von Steuerbeamten "an zeitgemäße Formen der Wissensvermittlung" tut sich nun ein bunter Strauß von "redaktionellen Änderungen und Klarstellungen in bereits beschlossenen Steuergesetzen" auf, dessen genaues Verständnis dem Intellekt der übrigen Steuerrechtsanwender bestimmt ebenso gehörige Anspannung abverlangt. Man ahnt es schon, es geht um weitere Berichtigungen bereits ins Werk gesetzter Steuergesetzgebung. Und darüber hinaus gibt es einige Fortentwicklungen des materiellen Steuerrechts. Hier interessiert uns zwar nicht so sehr, daß z.B. der stufenweise bis zum Jahr 2005 abschmelzende Haushaltsfreibetrags auch für diejenigen Alleinerziehenden wieder eingeführt wird, die erstmals im Jahr 2002 allein erziehend werden.

Abzugsbeschränkung des § 3c Abs. 2 EStG bei der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile

Aber bemerkenswert ist doch, daß die hälftige Abzugsbeschränkung des § 3c Abs. 2 S. 1 EStG zukünftig auch dann wieder gelten soll, wenn einbringungsgeborene Anteile veräußert werden und die Einnahmen in ihrer gesamten Höhe nach § 3 Nr. 40 S. 3 und 4 EStG steuerpflichtig sind. Die bisherige Regelung sei nämlich nur versehentlich gestrichen worden.

Ausdehnung der Reinvestitionsrücklage bei Kapitalgesellschaftsanteilen (§ 6b Abs. 10 EStG) auch auf Herstellungskosten bestimmter Wirtschaftsgüter

Die aus dem Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz stammende Erweiterung des § 6b EStG auf Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen soll sich nicht wie bisher nur auf die Anschaffungskosten, sondern in Zukunft auch auf die Herstellungskosten abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter oder Gebäude erstrecken.

Seitenlange Anwendungsvorschriften im KStG

Der Finanzausschuß fügt dem Entwurf noch einmal die gesamte Anwendungsvorschrift des § 34 KStG mit insgesamt 14 Absätzen hinzu. Dort werden die zeitlichen Anwendungsbereiche des gesamten KStG und insbesondere der neuen Regelungen zur Dividendenfreistellung (§ 8b KStG), der Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland (§ 12 Abs. 2 KStG) und für die Organschaft in verschiedenen Zeitabschnitten neu formuliert und durchnummeriert. In der Sache soll sich dadurch, abgesehen von der Korrektur eines Redaktionsversehens, nichts ändern.

Übergang zum Halbeinkünfteverfahren: Neufassung von § 38 Abs. 1 S. 1 KStG zur Körperschaftsteuer-Erhöhung

Hatte der Gesetzgeber sich bei der Verkündung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes doch tatsächlich so verhaspelt, daß ein "verstümmelter Teilsatz" in § 38 Abs. 1 S. 1 KStG aus Versehen stehengeblieben war, so deckt dies die Begründung der neuen, lesbareren Fassung, die der Finanzausschuß gibt, als ein Mißgeschick freimütig auf.

Umwandlungssteuergesetz

Im UmwStG sollen die Regelungen des § 10 UmwStG über die Körperschaftsteuerminderung und Körperschaftsteuererhöhung auch die Ermittlung der Körperschaftsteuerschuld der übertragenden Körperschaft nach den neuen Vorschriften der §§ 27 ff. KStG enthalten.

Gewerbsmäßige Steuerhinterziehung nach § 370a AO wird im Vermittlungsverfahren abgeschwächt

Wie aus der Tagespresse verlautete, kommt es bei dem an sich nahezu unverfänglichen Steuerbeamten-Ausbildungsgesetz jetzt zu einem Vermittlungsverfahren als gesetzgeberischer Hechtsprung in ein laufendes Steueränderungesetz hinein, weil der neue Tatbestand der "gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung" (§ 370a AO), der als Verbrechen eine Freiheitsstrafe zwischen einem und zehn Jahren nach sich ziehen kann, nun doch im Gesetz wieder selbst eingeschränkt werden soll. Wegen des leicht schon erfüllten Begriffs der "Gewerblichkeit" ging ein Sturm der Entrüstung durch die Beraterschaft, weil bereits mehrfache Schummelei in Bezug auf dieselben Punkte bei der Steuererklärung als Schaffung einer fortlaufenden Einnahmequelle aufzufassen und folglich nach der Lehre der Strafrechtler "gewerbsmäßig" sein könnten. Zusätzliche Verschärfungen gegenüber der einfachen Steuerhinterziehung bestehen in der fehlenden Selbstanzeigemöglichkeit und den versperrten Möglichkeiten, das Strafverfahren wegen geringer Schuld oder gegen Erfüllung von Auflagen einzustellen. Über die endgültige Ausgestaltung der Regelung ist noch nichts bekannt.

Trojaner des Gesetzgebers

Kurzum, was auch immer aussieht wie ein harmloses Steuerbeamten-Ausbildungs-Pferd, kann noch ganz beachtlich mit Stoff für den Steuerpflichtigen und seinen Berater bepackt werden.

 

* Schriftleiter der "Finanz-Rundschau".

 


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