Dr. Volker Geyrhalter,
Rechtsanwalt, München

Neues zum Haftungssystem in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts

I. Haftung auch des neu eintretenden Gesellschafters

Nach der Grundsatzentscheidung des BGH zur Haftung der Gesellschafter einer GbR v. 29.1.2001 -- II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 -- Volltext = GmbHR 2001, R 67 (Pressemitteilung)liegt mit dem Urt. v. 7.4.2003 -- II ZR 56/02 -- Volltext = GmbHR 2003, R 196 (Pressemitteilung) eine weitere Entscheidung des obersten deutschen Zivilgerichts zum Haftungssystem einer GbR vor. Der eingeschlagene Weg weg von der Lehre der Doppelverpflichtung hin zur Akzessorietätstheorie findet darin seine Fortsetzung. Wenn auch das Ergebnis angesichts der Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 2001 zu erwarten war, ist das Urteil dennoch unter Klarstellungsgesichtspunkten zu begrüßen.
Von je her war umstritten, ob ein beitretender Gesellschafter einer GbR auch für vor seinem Beitritt entstandene Altverbindlichkeiten mit seinem Privatvermögen haftet. Nach der früheren Rechtsprechung des BGH wurde dies im Hinblick auf die vorherrschende Lehre der Doppelverpflichtung abgelehnt. Da der Gesellschafter zum Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit nicht Gesellschafter der GbR war, konnte dieser durch den handelnden Gesellschafter im Rahmen einer Vollmachtsfiktion nicht mitverpflichtet werden. Die Akzessorietätstheorie kam hier zu einem anderen Ergebnis. Die Gesellschafterhaftung wurde danach "akzessorisch" an die Haftung der Gesellschaft selbst gekoppelt, mit der Folge, daß die Gesellschafter eine Haftung traf, wenn diese gegen die Gesellschaft begründet war. Unterschiedliche Ergebnisse zwischen beiden Theorien ergaben sich auch im Falle einer deliktischen Haftung eines handelnden Gesellschafters.
Mit der Grundsatzentscheidung des BGH v. 29.1.2001 zeichnete sich eine Richtungswendung ab. Der BGH stellte in dieser Entscheidung fest, daß eine GbR rechtsfähig ist und daß das Verhältnis zwischen den Verbindlichkeiten der Gesellschaft und der Haftung ihrer Gesellschafter derjenigen einer oHG (Akzessorietät) entspricht. Eine Aussage, wie die Haftung eines eintretenden Gesellschafters bei der GbR zukünftig ausgestaltet sein sollte, war der damaligen Entscheidung allerdings noch nicht zu entnehmen. Ein Blick auf das Haftungssystem einer oHG legt die nunmehr getroffene Entscheidung allerdings nahe. Gemäß § 130 HGB haftet der einer oHG beitretende Gesellschafter auch für die vor seinem Beitritt begründeten Verbindlichkeiten in vollem Umfang persönlich. Es erscheint daher durchaus konsequent, wenn der BGH das Bekenntnis zur Akzessorietätstheorie bei der GbR auch insoweit anwendet, daß dies auch für die Haftung eines beitretenden Gesellschafters gilt.
Diese Änderung der Rechtsprechung zu diesem Thema ist auch sachlich durchaus gerechtfertigt. Der BGH begründet die Haftung eines eintretenden Gesellschafters für Altschulden einer GbR aus dem Wesen der Personengesellschaft. Personengesellschaften verfügen über kein eigenes, ausschließlich zur Erfüllung ihrer Schulden bestimmtes Vermögen. Daher ist gerade die persönliche Haftung der Gesellschafter das notwendige Korrelat zum Fehlen der Kapitalerhaltungsregeln, das auch vor der Haftung von Neugesellschaftern einer GbR nicht "Halt" machen könne. Im übrigen ist § 130 HGB keine Sondervorschrift für die oHG. Gemäß § 173 HGB für Kommanditgesellschaften, § 8 Abs. 1 S. 2 PartGG für Partnerschaftsgesellschaften oder Art.26 Abs.2 EWIV-VO für Europäische Wirtschaftliche Interessengemeinschaften gelten vergleichbare gesetzgeberische Wertungen.
Die frühere Rechtsprechung des BGH konnte gerade für Gesellschaftsgläubiger von Dauerschuldverhältnissen oder langfristigen Vertragsverhältnissen zu unangemessenen Ergebnissen führen. So konnte es z.B. passieren, daß für die Rückzahlung einer Kreditsumme nach einer zehnjährigen Laufzeit kein Gesellschafter mehr haftet: Der Neueintretende nicht, weil die Aufnahme der Kreditverbindlichkeit vor seinem Eintritt in die Gesellschaft geschah und der ausgeschiedene Altgesellschafter nicht, weil die Nachhaftungsfrist nach § 736 Abs. 2 BGB, § 160 HGB abgelaufen war. Zukünftig wird es für die Frage einer persönlichen Gesellschafterhaftung bei der GbR nicht mehr darauf ankommen, zu welchem Zeitpunkt eine Verbindlichkeit begründet wurde.

II. Anwendung auch für Freiberufler-GbR

Nach Ansicht des BGH gelten die dargestellten Grundsätze auch für eine GbR, in denen sich Angehörige freier Berufe zur gemeinsamen Berufsausübung zusammengeschlossen haben. Offen gelassen hat er jedoch, ob der dargestellte Grundsatz der vollumfänglichen Haftung für Altschulden auch für Verbindlichkeiten aus beruflichen Haftungsfällen Anwendung findet. Über § 8 Abs. 2 PartGG gilt hier eine Haftungsbeschränkung für Partner einer Partnerschaftsgesellschaft. Nur der mit der Bearbeitung des Auftrags befaßte Partner haftet persönlich und unbeschränkt mit seinem Privatvermögen neben der Partnergesellschaft und auch nur dann, wenn sein Bearbeitungsbeitrag nicht nur von untergeordneter Bedeutung war. Die Norm sieht eine gesetzliche Haftungskonzentration vor, die den Mitgliedern von freien Berufen Rechts- und Planungssicherheit geben und die Haftungsrisiken aus einem Zusammenschluß kalkulierbarer machen soll. Aufgrund des Ausnahmecharakters von § 8 Abs. 2 PartGG für die Partnerschaftsgesellschaft spricht einiges dafür, daß daraus nicht der Rückschluß gezogen werden kann, daß ein ähnliches Privileg für die Mithaftung der Gesellschafter einer GbR zur Verfügung steht. Die weitere Entwicklung zu dieser Frage muß abgewartet werden.

III. Keine Anwendung für Alt-Fälle und Enthaftungsvereinbarung

Aus Gründen des Vertrauensschutzes ist es zu begrüßen, daß der BGH die Änderung seiner Rechtsprechung auf zukünftige Beitrittsfälle beschränkt. Dies erscheint sachgerecht, da durch die Entscheidung v. 7.4.2003 die frühere Rechtsprechung des BGH zu diesem Thema aufgehoben wurde. Für alle nun folgenden Fälle gilt dagegen der bereits dargestellte Grundsatz, daß § 130 HGB analog nunmehr auch auf das Haftungsregime einer GbR Anwendung findet und eine Haftung der Neugesellschafter für Altverbindlichkeiten der BGB-Gesellschaft besteht. Ein wirksamer Ausschluß der Haftung eines beitretenden Gesellschafters kann gemäß § 128 S. 2 HGB analog nur durch eine Vereinbarung mit den Gesellschaftsgläubigern vereinbart werden. Ist dies nicht möglich, ist einem beitretenden Gesellschafter zumindest anzuraten, sich auf einen solchen Ausschluß mit seinen Mitgesellschaftern zu einigen. Dadurch würde sich zwar nichts an der Außenhaftung des Beitretenden ändern, jedoch würde ein Freistellungsanspruch im Innenverhältnis begründet, der den Regreß erleichtern kann. In jedem Falle ist einem Beitretenden anzuraten, sich die wirtschaftliche Situation einer GbR vor der Erklärung seines Beitritts (noch) gründlicher anzuschauen, um böse Überraschungen zu vermeiden.

* Partner der Sozietät Lovells.


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