Johannes Weßling / Marco Romswinkel*

§ 8a KStG -- ein Musterbeispiel für verfehlte Gesetzgebung und ungeklärte Einzelfragen

Die Neufassung des § 8a KStG hat bereits in den Entwurfsfassungen im letzten Jahr für einiges Aufsehen gesorgt, mutierte sie doch von einer Vorschrift des internationalen Steuerrechts -- die zudem in der Praxis oft vermieden werden konnte -- zu einer zentralen Norm der Gewinnermittlung der deutschen Körperschaftsbesteuerung. Hahn, Schnitger, Golücke/Franz und Grotherr haben in Beiträgen in dieser und den letzten Ausgaben (GmbHR 2004, 277, 334, 708 und 850 -- in diesem Heft) versucht ein wenig Licht in das Dunkel des § 8a KStG (a.F und n.F.) zu bringen.

Hahn als Vertreter der Finanzverwaltung hat sich mit dem Kernproblem des § 8a KStG im Outbound-Fall beschäftigt -- der Problematik, daß Zinsen von ausländischen Tochtergesellschaften zukünftig steuerfrei zu vereinnahmen sind, sofern aus deutscher Sicht die Zinsen bei der Tochterkapitalgesellschaft unter § 8a KStG fallen. Auf das Problem haben die Verfasser bereits im Rahmen des Entwurfs hingewiesen (Weßling/Romswinkel, GmbHR 2003, 925, dem folgend Kessler, DB 2003, Heft 36, S. I), es wird sicherlich insoweit noch spannend. Für den Berater und die Wirtschaft erschreckend ist die von Hahn aufgezeigte Alternative evtl. verdeckte Gewinnausschüttungen der Steuerbefreiung des § 8b Abs. 1 KStG zu entziehen. Damit wäre die Besteuerung der Auslandszinsen im Inland sichergestellt, aber aus Sicht der Verfasser würde durch eine solche Regelung aber das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Ebenso wäre denkbar die Regelung des § 8a KStG in den Bereich des § 4 Abs. 5 EStG zu verlagern, wie dieses unsere niederländischen Nachbarn konzeptionell getan haben, aber auch eine solche Norm hätte im Inland eine Doppelbelastung zur Folge, die in einem belastungsgerechten Steuersystem nichts zu suchen hat (hierfür nunmehr auch als Auslegungsergebnis des § 8a KStG in der neuen Fassung Wassermeyer, DStR 2004, 749, u.E. so nicht zutreffend).

Aus Beratersicht analysiert Schnitger, welche Reichweite die Entscheidung des EuGH in der Rs. "Lankhorst-Hohorst" (EuGH v. 12.12.2002 -- Rs. C-324/00, GmbHR 2003, 44) bezogen auf die Altfälle des § 8a KStG (Inbound-Fälle) unter besonderer Berücksichtigung des Erl. des FinMin. NRW v. 26.5.2003 (GmbHR 2003, 860) hat. Hier bestehen nach wie vor Probleme im Bereich der Einbeziehung von EWR-Staaten und der Bedeutung des abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbots. Gänzlich kompliziert wird es, wenn Dreiecksbeziehungen vorliegen. Da jeder Berater nun intensiv prüfen muß, ob gegen die Anwendung des § 8a KStG in den Altjahren bis 2003 noch vorgegangen werden kann, werden diese Fragen sicherlich noch die Gerichte beschäftigen. Obwohl es sich um auslaufendes Recht handelt ist mit Spannung zu erwarten, ob und wieweit ein abkommensrechtliches Diskriminierungsverbot angenommen werden kann.

Als Praktiker analysieren Golücke/Franz den Entwurf des BMF-Schr. zu § 8a KStG. Nicht verwunderlich ist, daß diese der Auffassung des BMF nicht in allen Fällen zu folgen vermögen. Trotzdem ist zumindest positiv festzuhalten, daß die Finanzbehörde sich zeitnah zu dem drängenden Problemkreis äußert.

Eher aus steuersystematisch -- wissenschaftlicher Sicht geht Grotherr den Bereich des § 8a KStG an. Grotherr systematisiert die Outbound -- Fälle anhand mehrerer Ebenen. Hier ergeben sich unter Berücksichtigung der Vorschriften des Außensteuergesetzes und der Spezialfälle des neuen § 8a KStG mehr als 80 (achtzig!) verschiedene Varianten. Grotherr hält selber fest, daß Steuerpflichtiger und Finanzverwaltung erheblicher Phantasie bedürfen, um die Fälle auch nur annähernd lösen zu können.

Den Verfassern sind ergänzend folgende Themenkomplexe aufgefallen, die bezogen auf den § 8a KStG virulent, jedoch noch völlig ungeklärt sind.

Anwendung des § 8a KStG auch auf Personengesellschaften?

Es erscheint auf den ersten Blick abwegig, § 8a KStG auch auf Personengesellschaften anzuwenden, wo es sich doch um eine Regelung des Körperschaftsteuergesetzes handelt. Schnell wird der geneigte Rechtsanwender hier eines besseren belehrt, sobald er mit der Lektüre bei § 8a Abs. 5 KStG angelangt ist.

Die Anwendung von Fremdfinanzierungsregelungen auf 100 %ige Tochterpersonengesellschaften von Kapitalgesellschaften (klassischerweise in der Rechtsform der GmbH & Co. KG) ist dabei der Fall, der eingängig erscheint.

Weniger überzeugend ist jedoch das Ergebnis, betrachtet man den Grundfall der GmbH & Co. KG im Inland, wie er täglich vorkommt. Der Kommanditist ist 100 %iger Gesellschafter der GmbH und hat mit dieser eine klassische GmbH & Co. KG gegründet. Die GmbH & Co. KG hat Schuldzinsen zu tragen, z.B. zur Finanzierung des Anlagevermögens, die 250.000 Euro übersteigen, für die sich der Kommanditist gegenüber der refinanzierenden Bank verbürgt hat (der save hafen sei annahmegemäß auch überschritten).

Auf den Kommanditist ist § 8a KStG nicht (direkt) anwendbar.

Die Komplementär-GmbH ist jedoch zusammen mit anderen nahe stehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG (dem Kommanditisten als 100 %iger Anteilseigner der GmbH) an der GmbH & Co. KG beteiligt (§ 8a Abs. 5 S. 1 KStG, auch ein mit 0 % Beteiligter ist ein Beteiligter!), da sich der Anteilseigner der GmbH für die Verbindlichkeiten der GmbH verbürgt hat, gilt das Fremdkapital der Komplementär GmbH als überlassen (§ 8a Abs. 5 S. 2 KStG). Die GmbH & Co. KG hat in diesen Fällen ein um die nicht abzugsfähigen Aufwendungen höheres Ergebnis, das jedoch allein der GmbH zuzuweisen ist, da die Darlehen bei der der Komplementär-GmbH als nicht abzugsfähig gelten. Diesen "Nutzungsvorteil" wendet die GmbH ihrem Gesellschafter zu (Sonderbetriebseinnahmen, auf die § 3 Nr. 40 EStG Anwendung findet), der diesen Nutzungsvorteil sogleich wieder verbraucht. Auf letzteren Verbrauch (im Sonderbetriebsvermögen) ist jedoch § 3c Abs. 2 EStG anzuwenden, so daß im Ergebnis die Anwendung des § 8a KStG zu einer Erhöhung des zu versteuerndem Einkommen bei der Komplementär GmbH (Körperschaftsteuer) und des Gewerbeertrags der GmbH & Co. KG führt. Abgesehen davon, daß hier die Übermaßbesteuerung des § 3c Abs. 2 EStG deutlich wird, stellt sich die Frage, wie die GmbH die Steuerlast bezahlen soll. Zwar wird die Problematik durch die Aussagen im Entwurf des BMF-Schr. zu der Problematik des Rückgriffsberechtigten relativiert, diese ist jedoch aus dem Gesetz nach Ansicht der Verfasser nicht herzuleiten. Wenn folglich in diesen Fällen aus einem anderen Grund ein entsprechender Bescheid zu den Finanzgerichten gelangt, wird die Problematik "Rückgriffsrecht" erhebliche Bedeutung bekommen können.

Bei als Kommanditisten beteiligten Körperschaften, z.B. Stiftungen, ergibt sich hier sogar ein Gestaltungsspielraum, da die verdeckten Gewinnausschüttungen an diese zu 95 % steuerfrei sind (§ 8b Abs. 1 und 5 KStG), der Verbrauch der verdeckten Gewinnausschüttung jedoch vollständig abzugsfähig ist, so daß insoweit eine 95 %ige Zuweisung eines negativen Ergebnisses erfolgen würde.

Da die verdeckte Gewinnausschüttung i.S.d. § 8a KStG ferner kapitalertragsteuerpflichtig sein dürfte (ebenso Grotherr, GmbHR 2004, 850 -- in diesem Heft), stellt sich die weitere Frage, ob die GmbH die Kapitalertragsteuer überhaupt zivilrechtlich an den Gesellschafter weiterbelasten kann, oder ob der 25 %ige Kapitalertragsteuerabzug Anwendung findet (§ 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG), mit der wiederum bestehenden Frage, wie die "ausschüttende" Gesellschaft die Kapitalertragsteuer bezahlen soll.

Europarechtswidrigkeit des § 8a KStG im Inbound-Fall?

§ 8a KStG ist erkennbar dazu geschaffen worden, um im Ergebnis ausländische Anteilseigner zu belasten. Die insoweit im Outbound-Fall zu generierenden "weißen" Einkünfte hat der Gesetzgeber in Kauf genommen, fraglich ist jedoch auch, ob das vom Gesetzgeber gewünschte Ziel im Inbound Fall europarechtskonform erreicht wurde.

Erhebliche Zweifel sind den Verfassern gekommen, wenn folgende Fälle vergleichen werden:

Ein ausländischer Gesellschafter gründet eine deutsche Betriebsstätte und diese schafft Wirtschaftsgüter an, welche von einer Bank refinanziert werden. Die Betriebsstätte kann die Aufwendungen im Rahmen ihrer inländischen Gewinnermittlung als Betriebsausgaben abziehen.

Gründet der ausländische Gesellschafter hingegen eine deutsche Kapitalgesellschaft und reicht diese das Darlehen der Bank lediglich weiter oder verbürgt sich der ausländische Gesellschafter bei der Bank zugunsten der Tochtergesellschaft (unterstellt diese nimmt die Darlehen eigenständig auf), so findet jeweils § 8a KStG Anwendung, und die Zinsen sind nicht abzugsfähig, obwohl wirtschaftlich völlig vergleichbare Sachverhalte vorliegen.

Unter Berücksichtigung der Rs. "avoir fiscal" (EuGH v. 28.1.1986 -- Rs. 270/86 -- Kommission/Frankreich, Slg. 1986, 273) dürfen Steuerausländer in der Wahl der Rechtsform ihrer inländischen Betätigung nicht eingeschränkt werden. Augenblicklich wird jedoch die Kapitalgesellschaft diskriminiert, vergleicht man deren Besteuerungssituation mit der einer inländischen (beschränkt steuerpflichtigen) Betriebsstätte. Die Verfasser haben erhebliche Zweifel, ob der EuGH bei einem entsprechenden Prüfungsverfahren die Systematik des § 8a KStG oder des deutschen Körperschaftsteuersystems als Rechtfertigung für diese Diskriminierung anerkennen wird, zumal die Neuregelung des § 8a KStG ersichtlich als Reaktion auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rs. "Lankhorst/Hohorst" ergangen ist.

Die Probleme des § 8a KStG sind mit den obigen Ausführungen natürlich nicht annähernd umfassend umschrieben, dies kann auch zum jetzigen Zeitpunkt niemand leisten. Prof. Dr. Wilhelm Haarmann schätze auf der DAI-Tagung "Der Unternehmenskauf" am 26./27.3.2004 in Frankfurt die Chance auf Abschaffung oder erhebliche Veränderung des § 8a KStG auf 50 %. Es bleibt für alle zu hoffen, daß er Recht behält und auch die "richtigen" 50 % eintreten. Betrachtet man ferner die auf der 55. Steuerrechtlichen Jahresarbeitstagung in Wiesbaden vorgetragenen -- zum Teil diametral gegensätzlichen -- Auffassungen zu dem gesamten Problembereich § 8a KStG, ist klar, daß es so kann es nicht bleiben kann! Die Besteuerung von in das Ausland abfließenden Zinsaufwendungen ist durch eine "überdachende" Quellensbesteuerung besser zu lösen, was die Verfasser bereits im letzten Jahr dargelegt haben (Weßling/Romswinkel, GmbHR 2003, 925). Zwar wäre insoweit eine Änderung der Zinsrichtlinie zwischen verbundenen Unternehmen nötig (Richtlinie 2003/49/EG des Rates v. 3.6.2003), aber es bleibt wohl ohnehin das Geheimnis einiger Auserwählter warum diese Richtlinie von Deutschland unterschrieben wurde, wo doch bereits im April (Koch/Steinbrück-Papier) erkennbar war, daß eine Abschaffung der Regelungen zur Gesellschafterfremdfinanzierung nicht geplant war.

 

* Dipl.-Kfm. Johannes Weßling ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater sowie Partner, Dipl.-Finw. Marco Romswinkel ist Steuerberater sowie Mitarbeiter der Sozietät Lauscher, Rechtsanwälte Notar Wirtschaftsprüfer Steuerberater in Greven.

 


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