Prof. Dr. Ulrich Seibert,
Ministerialrat, Berlin*

GmbH-Reform und alternative Konzepte

Das Konzept des MoMiG

Wir stehen am Beginn einer längeren Reformdiskussion um die GmbH. Das Bundesministerium der Justiz hat am 7.6.2006 den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vorgelegt. Das Konzept dieses Entwurfs ist: Die GmbH wird modernisiert, dereguliert, bekannt gewordene Missbräuche werden bekämpft. Wettbewerb ist bekanntlich ein Ansporn, das eigene Produkt zu verbessern; ohne Wettbewerb kein Fortschritt. Wir nehmen die Herausforderung durch die Limited an. Die GmbH soll keinen Vergleich scheuen müssen.

Es gibt noch andere denkbare Konzepte: Man könnte die GmbH, wie wir sie kennen, durch eine radikale Neukodifizierung ersetzen. Es ist natürlich richtig, wenn wir bei Null anfangen würden und eine neue Gesellschaft mit beschränkter Haftung für den Mittelstand schreiben müssten, würde man manches anders formulieren, als im GmbHG. Freilich: Ein solches Projekt würde sehr viel Zeit und Kraft kosten, sehr viele politische Widerstände wären zu überwinden. Man muss sorgfältig abwägen, ob das Ergebnis den hohen Einsatz wirklich rechtfertigen würde. Wir haben schließlich drängendere Probleme, als dieses.

Brüderchen und Schwesterchen

Es sind noch weitere Konzepte in der Diskussion: Man kann auch die gute alte GmbH so lassen wie sie ist, und ihr, wie Karsten Schmidt so schön gesagt hat, "Brüderchen oder Schwesterchen" (DB 2006, 1096) zur Seite stellen, also neue kleine GmbH-Sonderformen mit möglicherweise geringerem Schutzniveau. Derzeit im Gespräch sind eine Unternehmensgründergesellschaft (UGG), eine Basisgesellschaft mbH, ein Einzelkaufmann mbH, eine Personengesellschaft mbH (PmbH). Solche Versuche sind in den vergangenen Jahrzehnten immer einmal wieder unternommen worden (Einzelkaufmann mit beschränkter Haftung, Kommanditgesellschaft auf Einlagen). Sie sind regelmäßig versandet. Das mag daran liegen, dass es im Grunde immer um dasselbe geht:

Das Interesse der Wirtschaft ist unternehmerisches Handeln mit kalkulierbarem Risiko. Dazu dient die Haftungsbeschränkung. Das Interesse des Rechtsverkehrs ist es, nicht betrogen zu werden. Er möchte insbesondere nicht, dass die Gesellschafter die Gesellschaft ausplündern und die Gläubiger mit ihren Forderungen leer ausgehen. Außerdem sind die Interessen von Gesellschaftern gegen die des Managements und die Interessen von Minderheitsgesellschaftern gegen die der Mehrheitsgesellschafter auszutarieren.

Nullsummenspiel

Diese widerstreitenden Interessen sind in der GmbH zu einem fairen Ausgleich gebracht; die GmbH ist eine gute Rechtsform, die große Verbreitung gefunden hat. Die Britische Limited bringt dieselben Interessen zum Ausgleich vereinfacht gesagt durch geringere formale Anforderungen am Anfang, insbesondere beim Haftkapital, und höhere persönliche Haftungsrisiken der Geschäftsführer und Gesellschafter am Ende. Was das bessere Konzept ist, mag jeder für sich beurteilen. Die hohen Folgekosten und die Haftungsgefahren am Ende blenden viele Befürworter der Britischen Limited völlig aus. Sie werden ein böses Erwachen erleben.

Im Grunde heißt das also: Es ist ein Nullsummenspiel, es müssen immer dieselben Anforderungen zum Ausgleich gebracht werden. Man kann noch so viele neue Rechtsformen erdenken, wenn man sie ordentlich macht und alle berechtigten Interessen berücksichtigt, sehen sie am Ende meistens aus wie eine GmbH, aber vielleicht noch komplizierter.

Erhöhung der Komplexität

Man sollte auch nicht vergessen: Die GmbH ist die Rechtsform für den Mittelstand. Mittelständler haben in der Regel keine zwei juristischen Prädikatsexamina und die sollen sie auch nicht brauchen. Jede neue Rechtsform erhöht aber die Komplexität, erhöht den Informations- und Beratungsbedarf, nicht nur für die, die sie selber wählen, sondern auch für alle anderen, die mit ihr als Gläubiger, Lieferanten, Kunden Fiskus usw. zu tun haben. Es verblüfft, dass dieselben, die ständig Deregulierung und Entbürokratisierung anmahnen, im nächsten Augenblick völlig neue Regelwerke favorisieren. Hinzukommen noch die ganzen supranationalen Rechtsformen (Europäische Aktiengesellschaft, EWIV, Europäische Genossenschaft, Europäische Privatgesellschaft u.s.w.). Da bleibt nur die resignierte Feststellung: "Die zunehmende Regelungsdichte bedeutet den Herbst einer Gesellschaft."

Das Ansehen der GmbH nicht beschädigen

Nun gibt es ein sehr ernstzunehmendes Argument für eine kleine GmbH-Sonderform neben der GmbH, das besagt: Die GmbH hat sich in mehr als 100 Jahren ein hohes Ansehen erworben, viele seriöse Mittelständler arbeiten mit ihr. Wir wollen, dass unsere GmbH ihr Ansehen behält und deshalb soll sie bleiben, wie sie ist. Wir machen deshalb daneben eine neue, kleine Leicht-Rechtsform für Existenzgründer. Aber:

1. Auch dieser Leichtmatrose muss die oben genannten Interessen angemessen berücksichtigen. Ein Schmuddelkind des Gesellschaftsrechts ist in Deutschland schwer vorstellbar.

2. Zweitens ist auch die Prämisse zu hinterfragen. Diese geht davon aus, dass die Reputation unserer GmbH durch die Reform beschädigt werden könnte. Wenn man sich die Reformvorschläge des MoMiG, die auf dem Tisch liegen, ansieht, dann muss man das klar verneinen. Es geht doch überhaupt nicht darum, die Seriosität der GmbH zu schmälern. Im Gegenteil: Die Vorschläge des MoMiG-Entwurfs werden Funktionalität und Ansehen der GmbH steigern: Die Beschleunigung der Gründung, der gutgläubige Erwerb der Geschäftsanteile gegenüber der derzeitigen Rechtsunsicherheit, die Verlagerung des Eigenkapitalersatzes ins Insolvenzrecht, wo es hingehört, die Vermeidung von Missbräuchen, das Aufräumen mit der Bestattungsunsitte, die Inpflichtnahme der Gesellschafter, wenn sie ihre Gesellschaft ohne Geschäftsführer durch den Rechtsverkehr irren lassen, wie einen PKW ohne Fahrer.

3. Der einzige Punkt, der dann noch bleibt und für eine "GmbH-light" angeführt wird, ist die im MoMiG vorgeschlagene Herabsetzung des Mindeststammkapitals von 25.000 auf 10.000 €.Und das ist ein besonders unwichtiger Punkt in der Gesamtreform -- hier liegen mediale Wahrnehmung und Substanz weit auseinander. Man bedenke: Das Haftkapitalsystem insgesamt wird durch das MoMiG nicht angetastet. Es geht nur um das Mindeststammkapital. Das aber ist das schwächste Glied im ganzen System. Wenn die GmbH insolvent ist, ist das Mindeststammkapital schon lange weg und die durchschnittliche GmbH-Insolvenz liegt bei 800.000 €, da kommt es auf die Differenz zwischen 10 und 25 Tausend Euro kaum an.

4. In Europa geht zudem ein eindeutiger Trend auf Herabsetzung oder Aufgabe des Mindestkapitals. Wir befinden uns mittlerweile zusammen mit Österreich in Europa an der absoluten Obergrenze. Mit 10.000,- € würden wir uns im komfortablen Mittelfeld befinden. Aber, das Mindestkapital scheint mehr eine Glaubensfrage zu sein und sollte vielleicht auch so diskutiert werden.

Schlussbemerkung

Ich sagte eingangs: Wir stehen am Beginn einer längeren Reformdiskussion um die GmbH. Schon die unterschiedlichen Konzepte zeigen: Es wird noch viel geredet und viel geschrieben werden. Mit dem MoMiG-Entwurf ist jedenfalls ein starker erster Schritt getan. Die Verbände und Länder können bis Mitte September 2007 dazu Stellung nehmen, der Regierungsentwurf wird wohl erst Anfang 2007 zu erwarten sein. Man wird sehen, ob der 1.1.2008 für ein Inkrafttreten erreicht wird. Erreicht wurde jedenfalls jetzt schon eines. Der Entwurf gibt ein Signal: Die GmbH kommt zurück, sie wird am Ende schlanker und moderner sein.

 

* Bundesministerium der Justiz, Berlin, Honorarprofessor an der Juristischen Fakultät der Universität Düsseldorf. Der Beitrag basiert auf einem Statement zur Podiumsdiskussion auf der Konferenz des DIHK "Neue Gesellschaftsrechtsformen für den Mittelstand", Berlin am 6.6.2006



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