Dr. Gerhard Pilger, Rechtsanwalt und Notar, Frankfurt a. M.

 

Die Anzeige der Verpfändung eines GmbHG-Geschäftsanteils nach Inkrafttreten des MoMiG

 

I. Vor MoMiG: Meinungsstreit

Vor Inkrafttreten des MoMiG am 1.11.2008 (BGBl. I 2008, 2026 ff.) war heftig umstritten, ob, aufgrund welcher Norm und mit welcher Rechtsfolge die Verpfändung des Geschäftsanteils an einer GmbH dieser angezeigt werden muss oder jedenfalls soll.

Einig waren sich alle -- zusammen mit dem Reichsgericht (RGZ 57, 414 ff.) --, dass § 1280 BGB grundsätzlich nicht zur Anwendung kommen kann, da es sich bei einem Geschäftsanteil nicht um eine Forderung handele, sondern um ein "Bündel von Forderungen und Rechten" in Gestalt einer Mitgliedschaft (Reymann, DNotZ 2005, 425 [429]; Damrau in Münch.Komm.BGB, 4. Aufl. 2004, § 1274 Rz. 54). Außerdem genügt bei Geschäftsanteilsverpfändungen nicht der bloße Abtretungsvertrag i.S.d. § 1280 BGB, sondern zusätzliche Wirksamkeitsvoraussetzung ist dessen notarielle Beurkundung.

§ 16 GmbHG a.F. fand auf die Pfandrechtsbestellung nicht unmittelbar Anwendung, da die Bestellung des Pfandrechts keinen unmittelbaren Mitgliedschaftswechsel zur Folge hat (H. Winter/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 16 Rz. 44; s. auch Bruhns, GmbHR 2006, 587 [589]). Es kam deshalb nur eine analoge Anwendung in Frage, wobei H. Winter/Seibt (aaO) § 16 Abs. 2 GmbHG a.F. heranzogen, während Hueck/Fastricht in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 16 Rz. 2 auf § 16 Abs. 1 u. 2 GmbHG a.F. analog verwiesen.

Einig war man sich, dass die Anzeige gem. § 16 GmbHG a.F. analog keine absolute Wirksamkeitsvoraussetzung zur Entstehung des Pfandrechts sei; ohne sie sei das Pfandrecht lediglich gegenüber der Gesellschaft, d.h. also relativ, unwirksam (Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, §16 Rz. 2, m.w.N.). Die Pfändung entfalte (gegenüber der Gesellschaft) ihre Wirksamkeit erst, wenn das Pfand nach Zustellung entweder im Wege der Versteigerung oder in sonstiger Weise realisiert werde.

Einige Autoren folgerten daraus, man brauche sich -- auch im Hinblick auf § 1274 Abs. 1, § 413, § 407 Abs. 1 BGB -- um die Anzeige grundsätzlich gar nicht zu kümmern (Kolkmann, MittRhNotK 1992, 1 [15]).

Ein Teil der Autoren meinte, § 16 Abs. 1 GmbHG sei nur dann -- analog -- anzuwenden, wenn es sich um ein Nutzungspfandrecht handle, d.h. wenn gegenwärtig schon bestehende und / oder zukünftige Forderungen mit dem Anteil verbunden sind und diese also gemeinsam mit dem Geschäftsanteil an den Pfandnehmer verpfändet werden (Damrau, in Münch.Komm.BGB, 4. Aufl. 2004, § 1274 Rz. 27b). Auch § 1280 BGB (Forderungspfändung) soll zusätzlich oder allein in diesem Falle Anwendung finden mit der Folge, dass die Pfändung, solange sie nicht angezeigt ist, nicht wirksam werden kann (Kolkmann, MittRhNotK 1992, 1 [15]).

Die Praxis hat sich damit beholfen, generell "gemäß § 1280 BGB, § 16 GmbHG" die Verpfändung der Gesellschaft unverzüglich nach Beurkundung anzuzeigen bzw. anzumelden oder den Notar damit zu beauftragen.

Auf diese Weise blieb der Theoriestreit ohne praktische Bedeutung.

 

II. Erhebliche Änderung durch das MoMiG

Das MoMiG hat die Rechtslage nun erheblich verändert. An die Stelle der Anzeige des Gesellschafterwechsels in § 16 Abs. 1 GmbHG a.F. ist die Eintragung des neuen Gesellschafters in die im Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste getreten (§ 16 Abs. 1 S. 1, § 40 GmbHG). Da die Verpfändung eines Geschäftsanteils anders als dessen Übertragung nicht in die Gesellschafterliste aufgenommen wird, ist insoweit eine Anmeldeobliegenheit aus § 16 GmbHG nicht mehr ableitbar.

Folgt man der bisher h.M., ist auch § 1280 BGB nicht anwendbar, so dass festzuhalten ist: eine Anzeige oder Anmeldung der Verpfändung ist gesetzlich nicht vorgesehen.

Es wird allerdings nur selten vorkommen, dass die Verpfändung von Geschäftsanteilen lediglich in gesetzlichem Umfange (§§ 1273, 1275 ff. BGB) erfolgt. In Deutschland ist die Verpfändung von Geschäftsanteilen als Sicherungsmittel ohnehin fast bedeutungslos (statt vieler Herget in Bankrecht und Bankpraxis (BuB), Rz. 4 / 586c; zur Formbedürftigkeit der Verpfändung von Kommanditanteilen an einer GmbH & Co. KG s. zuletzt Werner, GmbHR 2008, 755 ff., allerdings mit nicht ganz zweifelfreiem Ergebnis). Dagegen spielt sie im Bereich der international verflochtenen Konzerne eine erhebliche Rolle. So werden in dem heute typischen Falle eines Share Pledge Agreements (SPA) zwischen einem internationalen Kreditkonsortium und der kreditnehmenden Muttergesellschaft die Geschäftsanteile an der deutschen Tochter-GmbH i.d.R. mit folgender Klausel verpfändet:

... 4. Scope of the Pledges

4.1 ... The Pledges constituted by this Agreement include:

4.1.1 the present and future rights to receive:

(i) dividends payable in relation to the Shares;

(ii) liquidation proceeds, redemption proceeds (Einziehungsentgelt), repaid capital in case of a capital decrease, any compensation in case of termination (Kündigung), withdrawal (Austritt) as a shareholder of the company, or the surplus in case of surrender (Preisgabe) of the Shares in the Company;

(iii) all other pecuniary claims (geldwerter Vorteil) associated with the Shares;

4.1.2 the right to subscribe for newly issued Shares; and

4.1.3 all other rights and benefits attributable to the Shares.

4.2. Notwithstanding that the dividends are pledged hereunder, the Pledgor shall be entitled to receive and retain all dividend payments whether in cash, by the issue of any loan note, debt instrument, or other financial instrument in respect of the Shares until the occurrence of an Enforcement Event.

... 6. Exercise of Membership Rights

... The membership rights, including the voting rights, attached to the Shares remain with the Pledgor ...

Die Klausel erweitert die Rechte des Pfandnehmers auf die Vorteile, die der Gebrauch der Rechte gewährt, d.h. auf die Nutzung i.S.d. § 1273 Abs. 2, § 1213 Abs. 1, § 99, § 100 BGB.

Die zusätzliche Erweiterung auf "... all other rights and benefits attributable to the Shares" wird durch die Bestimmung des Verbleibs des Stimmrechts beim Verpfänder (Ziff. 6) konkretisiert.

Hintergrund dieser besonderen Art der "Sicherheit" ist nicht die Werthaltigkeit der Geschäftsanteile, sondern die Kontrolle der Beteiligungen: Die Kreditgeber wollen nicht, dass ihr Geld in eine Tochtergesellschaft fließt, und diese sodann unbemerkt verkauft wird! Ob die deutsche Verpfändung für diese Ziele das geeignete Instrument ist, mag dahinstehen. Die deutschen Kreditgeber bevorzugen jedenfalls die Sicherungsabtretung.

Die vorstehenden Überlegungen, angewandt auf den üblichen Share Pledge bedeutet: Auch wenn die Ausübung der Nutzungsrechte einstweilen dem Verpfänder überlassen bleibt, sind die Rechte erst einmal dem Pfandnehmer zugeordnet, weshalb von einem Nutzungspfand i.S.d. § 1213 BGB auszugehen ist. Dies hat zur Folge, dass hier ein Pfandrecht i.S.d. § 1279 BGB vorliegt (Pfandrecht an einer / mehreren Forderungen), sodass die Verpfändung gem. § 1280 BGB erst wirksam wird, wenn der Gläubiger die Verpfändung dem Schuldner angezeigt hat.

 

III. Schlussbemerkung

Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass nach Inkrafttreten des MoMiG die Verpfändung von Geschäftsanteilen im gesetzlichen Umfange dem Schuldner, also hier der Gesellschaft gegenüber, weder angemeldet noch angezeigt werden muss; dass eine Anzeige des Gläubigers / Pfandnehmers nach § 1280 BGB jedoch erforderlich ist, wenn -- wie im (internationalen) Normalfall -- einzelne Rechte und Forderungen dem Gläubiger schon vor dem Verwertungsfall eingeräumt werden.




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