Dr. Hans-Peter Löw, Rechtsanwalt, Frankfurt a. M.*

Die Rentenreform aus Sicht der Unternehmenspraxis

Mit der Beschlußfassung im Bundesrat am 11.5.2001 ist die Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz) Gesetz geworden. Zweck des Gesetzes ist es, den Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung kurz- bzw. mittelfristig unter oder zumindest bei 20 % zu halten und ihn auf längere Sicht nicht über 22 % steigen zu lassen. Mit der Senkung des Beitragsanstiegs verbunden ist eine Herabsetzung des Leistungsstandards der gesetzlichen Rentenversicherung. Langfristig soll das Niveau in der gesetzlichen Rentenversicherung von circa 70 % des Nettoeinkommens auf 64 % gesenkt werden. Um hierfür einen Ausgleich zu schaffen, soll den Arbeitnehmern ein Anreiz für den Aufbau einer privaten oder betrieblichen Altersversorgung gegeben werden.

Steuerliche Fördermaßnahmen

Der Aufbau einer privaten oder betrieblichen Altersvorsorge wird durch steuerliche Fördermaßnahmen flankiert, die auch und gerade Bezieher kleinerer Einkommen und Familien mit Kindern besonders unterstützen sollen. Es sollen besondere Sparanreize gesetzt werden. Die gesetzlichen Regelungen hierzu sind – ähnlich wie bei der Kindergeldregelung – im Einkommensteuergesetz als kombinierte Zulagen-/Sonderausgaberegelungen verankert.

Förderfähig ist die betriebliche Altersversorgung in Form von Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds sowie als private kapitalgedeckte Altersvorsorge Rentenversicherungen, Fonds- und Banksparpläne. Nach langem politischen Streit ist die Einbeziehung von Wohneigentum in die Förderung in Form des modifizierten Entnahmemodells geregelt worden. Danach kann zur Herstellung oder zum Erwerb von selbstgenutztem inländischen Wohneigentum ein Betrag zwischen 10.000 und 50.000 DM aus dem Altersvorsorgevertrag förderunschädlich entnommen werden. Der entnommene Betrag muß – ohne Zinsen – in monatlichen, gleichbleibenden Raten bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres in einen Altersvorsorgevertrag zurückgezahlt werden.

Im folgenden werden die wesentlichen Regelungen, die für die Unternehmen relevant sind, im einzelnen dargestellt.

Keine zusätzliche Belastung des Arbeitgebers

Die betriebliche Altersversorgung in Form der Entgeltumwandlung belastet mit Ausnahme des Verwaltungsaufwands den Arbeitgeber nicht zusätzlich, da der Arbeitnehmer seine Altersversorgung selbst finanziert. Nach einer repräsentativen Umfrage im Jahre 1998 waren daher auch 70 % der Unternehmen bereit, unversorgten Arbeitnehmern eine Altersversorgung in Form der Entgeltumwandlung zu gewähren. Für den Arbeitnehmer ist die Entgeltumwandlung rentabel, da der Verzicht auf einen Anteil des Bruttoeinkommens in aller Regel einen Verzicht auf einen bedeutend geringeren Nettobetrag darstellt.

Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltumwandlung

Während bislang dem Arbeitnehmer nur die Möglichkeit eingeräumt wurde, auf Teile seines Barlohns zu verzichten und dafür eine wertgleiche betriebliche Altersversorgung zu erhalten, wird dem Arbeitnehmer nunmehr ein individueller Anspruch auf Entgeltumwandlung i.H.v. bis zu 4 % der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze eingeräumt. Dieser Anspruch kann erfüllt werden durch Vereinbarung (§ 1a Abs. 1 S. 2 BetrAVG), dies bedeutet durch Individualvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag. Nach § 17 Abs. 5 BetrAVG können allerdings Entgeltansprüche, die auf einem Tarifvertrag beruhen, nur soweit umgewandelt werden, wie dies durch Tarifvertrag vorgesehen oder zugelassen ist.

Soweit der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltumwandlung hat und die betriebliche Altersversorgung über einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung durchgeführt wird, kann er verlangen, daß die Regelung so ausgestaltet wird, daß die Voraussetzungen für einen Sonderausgabenabzug nach § 10a Abs. 2 S. 4 und 5 EStG erfüllt werden.

Wird die betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung finanziert, ist der Arbeitgeber nach § 16 Abs. 5 BetrAVG verpflichtet, die Leistungen mindestens entsprechend § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG jährlich anzupassen oder für den Fall der Durchführung über eine Direktversicherung oder Pensionskasse sämtliche Überschußanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen zu verwenden.

Ist der Arbeitgeber zur Durchführung der Entgeltumwandlung über einen Pensionsfonds oder eine Pensionskasse bereit, so ist die betriebliche Altersversorgung auf diesem Durchführungswege zu gestalten. Das heißt, der Arbeitgeber darf die Durchführung des Anspruchs darauf beschränken. Andernfalls kann der Arbeitnehmer verlangen, daß der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer eine Direktversicherung abschließt. Dabei trifft der Arbeitgeber die Auswahl des Direktversicherers, da vermieden werden soll, daß der Arbeitgeber mit einer Vielzahl von Versicherern verhandeln muß.

Anders als für die Durchführungsform hat das Gesetz die Nichteinigung über den Leistungsinhalt nicht geregelt. Dies betrifft etwa die Frage, ob nur die Altersleistung oder auch die Invaliditätsleistung erfaßt werden soll. Im Streitfall ist dann wohl nach dem Rechtsgedanken des § 315 Abs. 3 S. 2 BGB eine Lösung über die Gerichte zu suchen.

Der Anreiz zur Entgeltumwandlung liegt in der Ersparnis von Beiträgen zur Sozialversicherung und steuerlichen Vorteilen. Da andererseits durch die Reform die Beiträge zur Sozialversicherung stabilisiert werden sollen, ist die Möglichkeit der beitragsfreien Entgeltumwandlung zeitlich begrenzt. Beitragsfreie Entgeltumwandlung wird für alle Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung auf 4 % der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung begrenzt und nur bis Ende 2008 zugelassen. Die Pauschalversteuerung des Aufwands bei der Direktversicherung nach § 40b EStG sowie die Finanzierung von Direktzusagen und Zusagen über Unterstützungskassen und Pensionsfonds durch Bildung von Rückstellungen oder als Betriebsausgaben durch den Arbeitgeber nach § 4d, § 4e und § 6a EStG bleiben aufrechterhalten. Zuführungen in einen Pensionsfonds oder in eine Pensionskasse werden für den Arbeitgeber bis zur Grenze von 4 % dauerhaft steuer- und beitragsfrei gestellt (§ 3 Nr. 63 EStG).

Änderung von Unverfallbarkeitsregelungen

Im gleichen Zusammenhang wurden wesentliche Unverfallbarkeitsregelungen geändert. Während bislang eine Anwartschaft in der betrieblichen Altersversorgung unverfallbar wurde, wenn der Arbeitnehmer mindestens 35 Jahre alt war und entweder die Versorgungszusage für ihn mindestens zehn Jahre bestanden hat oder der Beginn der Betriebszugehörigkeit mindestens zwölf Jahre zurücklag und die Versorgungszusage für ihn mindestens drei Jahre bestanden hat, tritt in Zukunft die Unverfallbarkeit ein, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles nach Vollendung des 30. Lebensjahres endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt fünf Jahre bestanden hat. Dies ist eine Konsequenz der Rechtsprechung, wonach Altersversorgungsansprüche Entgelt für die Arbeitsleistung darstellen, und bedeutet auch eine Angleichung an die Regelungen in anderen Ländern der Europäischen Union.

Die Versorgungsansprüche aus Entgeltumwandlung sind nach § 1b Abs. 5 BetrAVG sofort unverfallbar. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des BAG.

Verbesserung der Mitnahmemöglichkeiten von Anwartschaften zu neuem Arbeitgeber

Schließlich wurde die Möglichkeit der Mitnahme von Anwartschaften zu einem neuen Arbeitgeber verbessert. Zum einen wird nunmehr die Möglichkeit eröffnet, Anwartschaften auch bei einem Wechsel in einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union zu erhalten. Zum anderen ist der Arbeitgeber verpflichtet, auf Verlangen des Arbeitnehmers ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Barwert der unverfallbaren Anwartschaft auf einen neuen Arbeitgeber oder einen Versorgungsträger des neuen Arbeitgebers zu übertragen, wenn der neue Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine dem übertragenen Barwert wertmäßig entsprechende Zusage erteilt. Dies gilt nicht für Anwartschaften, die auf Zusagen beruhen, die vor dem 1.1.2001 erteilt worden sind.

Fazit

Alle Arbeitgeber mit Versorgungsordnungen werden ihre bestehenden Regelungen im Lichte der Neuregelung überprüfen müssen. Gewerkschaften und Betriebsräte werden mit Vorstellungen zur Neuregelung bestehender Systeme oder zum Abschluß neuer Versorgungsordnungen aufwarten. Pensionskassen und Pensionsfonds werden die Durchführungswege der Zukunft sein. Pensionsfonds bieten größere Anlagefreiheiten sowie eine verstärkte Möglichkeit für den Arbeitgeber, "defined contributions"-Zusagen zu geben. Es kann allerdings als sicher unterstellt werden, daß die Gewerkschaften bei der Verwaltung der Pensionsfonds Mitspracherechte reklamieren werden. Auf den sozialversicherungsrechtlichen Teil des Altersvermögensgesetzes, dessen Beurteilung weniger schmeichelhaft ausgefallen wäre, wurde hier nicht eingegangen.

* Lovells Boesebeck Droste.

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