Jürgen E. Milatz / Christian A. Tempich*

"GZSZ" im Steuerrecht oder:
Gute -- alte -- Zeiten / Schlechte -- neue -- Zeiten?

Die guten alten Zeiten

Vom 1.1.2004 bis zum 31.3.2005 bestand in Deutschland die Möglichkeit, hinterzogenes Vermögen im Wege einer Steueramnestie in die Legalität zurückzuholen. Diese "goldene Brücke" des Gesetzgebers wurde von einer Vielzahl von Steuerpflichtigen genutzt und stellte für Steuerberater und Rechtsanwälte einen festen Bestandteil ihrer Beratungspraxis dar. Über den Erfolg der Amnestie wird gestritten: Während Kritiker weiter die umfangreichen Amnestiemöglichkeiten verurteilten, können sich Bund, Länder und Gemeinden über Zusatzeinnahmen i.H.v. rund 1,5 Mrd. Euro freuen. Aus Sicht des Bundesfinanzministers Hans Eichel, der mit ca. 5,0 Mrd. Euro rechnete, waren die Einnahmen eher enttäuschend. Aus Sicht der beratenden Berufe spiegeln die Einnahmen den Erfolg der Amnestie wieder. Sicher hätte der Erfolg noch größer ausfallen können, wenn es der Finanzverwaltung gelungen wäre, bei den Steuerpflichtigen ausreichendes Vertrauen zu schaffen. Denn neben den laufenden Steuereinnahmen wurde auch steuerrelevantes Vermögen von rund 30 Mrd. Euro dem Staat für eine zukünftige Besteuerung offen gelegt.

Die guten Zeiten sind vorbei

Mit dem "Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit" vom 23.12.2003 (BGBl. 2003, 2928), dessen wesentlicher Bestandteil das "Gesetz über die strafbefreiende Erklärung" war, sind auch diverse flankierende Maßnahmen geschaffen worden, die zum einen der Rechtfertigung der Steueramnestie dienten und zum anderen den Druck auf die Steuerpflichtigen nach Auslaufen der Steueramnestie erhöhen sollten.

Eine dieser Kernmaßnahmen ist der in § 93 AO geregelte Kontenabruf. Seit dem 1.4.2005 können u.a. die Finanzbehörden über das Bundesministerium für Finanzen folgende Informationen abrufen lassen:

Kontenbewegungen und Kontenstände können auf diesem Weg nicht ermittelt werden. Allerdings kann dies in einem zweiten Schritt -- durch Nachfrage beim Steuerpflichtigen bzw. danach folgend beim Kreditinstitut -- leicht erfolgen.

Dunkle Wolken ziehen auf: Die schlechten -- neuen -- Zeiten nahen

Die Kontenabfrage trifft alle Steuerpflichtigen und nicht nur vermeintliche Steuerhinterzieher. Sie findet im Verborgenen statt und wird dem Steuerpflichtigen nicht zwingend mitgeteilt. Zudem gibt es Hinweise darauf, daß die Finanzämter angehalten sind, bei jedem Beleg, jeder Quittung und sogar bei Spendenbescheinigungen zu prüfen, ob das angegebene Konto bereits amtsbekannt ist. In Fällen, in denen ein bisher nicht bekanntes Konto entdeckt wird, erfolgt eine Kontenabfrage und somit eine "Durchleuchtung" des Steuerpflichtigen.

Diese Hinweise spiegeln sich bereits in den ersten bekannten Zugriffszahlen wieder. Demnach werden 2.000 bis 2.500 Datensätze pro Tag abgefragt. Eine höhere Abfragezahl ist denkbar, stößt momentan aber auf technische Schranken. Mit der vollautomatisierten Abfrage sollen in Zukunft bis zu 50.000 (!) Abfragen pro Tag möglich sein.

Die schlechten Zeiten sind da

Die Folgen dieser Praxis durch die Finanzverwaltung sind absehbar. Die Deutschen Kreditinstitute haben nach eigenen Angaben bis zu 100 Mio. Euro für Technik und Personal ausgegeben. Diese Kosten sollen über Bankgebühren auf die Kunden abgewälzt werden. Vor allem österreichische und schweizerische Institute nutzen daher die Möglichkeit der inländischen Kontenabfrage zur Werbung neuer deutscher Kunden.

Die zu befürchtende Abwanderung des Kapitals führt zur Schwächung des hiesigen Markts und gibt vielen bisher unbescholtenen Steuerpflichtigen Anlaß und Gelegenheit, darüber nachzudenken, neue "Schwarzgeld-Depots" anzulegen. Das Ziel der Steueramnestie -- die Erträge aus den zurückgeführten Vermögen langfristig der Besteuerung zuzuführen und das Steueraufkommen so zu erhöhen -- scheint gefährdet, wird zumindest aber durch die Kontenabfrage konterkariert.

Durch den Pauschalverdacht der Steuerpflichtigen, die teilweise geheime Abfrage und die Nähe zu strafrechtlich sanktionierten Taten trägt die Möglichkeit der Kontenabfrage zu keiner Verbesserung des Vertrauens zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung bei. Im Gegenteil spiegelt sie doch eine sich immer weiter abzeichnende Grabenbildung zwischen den Beteiligten wieder.

Silberstreifen am Horizont?

Es ist zu hoffen, daß entweder das Bundesverfassungsgericht bezüglich der Kontenabfrage verfassungsrechtliche Schranken aufzeigt oder die Einsicht bei Bund und/oder Ländern einkehrt, daß eine Vision von Georg Orwell, möglicherweise kurzfristig die Kassen füllen könne, langfristig aber sowohl den Wirtschaftsstandort als auch die Attraktivität und Qualität des Lebensmittelpunkts Deutschland nachteilig belasten wird.

Trotz der negativen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, die Negierung sämtlicher Datenschutzgesichtspunkte und die Äußerungen der Politiker geben erste Bemühungen der Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg Hoffnung, daß die nahezu schrankenlose Abfragepraxis zugunsten der verfassungsrechtlich garantierten informellen Selbstbestimmung zurückgedrängt wird. Jedoch liegt bereits in einer Einführung und der weitgehenden Nutzung der Finanzverwaltung die Gefahr, daß die Berücksichtigung elementarer Bedenken an einer faktischen Umsetzung scheitern wird.

 

* Jürgen E. Milatz ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater sowie Partner, Christian A. Tempich ist Rechtsanwalt und Steuerberater sowie Mitarbeiter der Sozietät Esche Schümann Commichau in Hamburg.



Zurück