Thomas Wachter, Notar, Osterhofen (Bayern)

Erhöhung der Erbschaftsteuer zum Jahreswechsel?

Am 11.6.2004 hat die schleswig-holsteinische Landesregierung im Bundesrat einen bereits seit längerem angekündigten "Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Erbschaftsbesteuerung (ErbStRefG)" in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht (BR-Drucks. 422/04). Kern des Gesetzesentwurfes ist eine Neubewertung aller Vermögenswerte für die Zwecke der Erbschaftsteuer, die sich am tatsächlichen Verkehrswert orientieren soll. Dies dürfte vor allem für die Übertragung von Grundstücken und Betriebsvermögen in vielen Fällen zu einer deutlich höheren Steuerbelastung führen. Darüber hinaus sollen "nicht begünstigungswürdige Gestaltungen" ausgeschlossen werden. Dies betrifft vor allem die derzeit noch bestehenden Möglichkeiten einer Optimierung der Steuerbelastung durch die Errichtung von vermögensverwaltenden Gesellschaften. Nach der amtlichen Gesetzesbegründung sollen künftig vor allem die "Erwerber größerer Vermögen in angemessener Weise an der Finanzierung staatlicher Aufgaben beteiligt werden". Der wesentliche Inhalt des 118-Seiten starken Gesetzesentwurf, der bereits zum 1.1.2005 in Kraft treten soll, wird nachfolgend kurz zusammengefaßt.

Immobilien

Die Bewertung von unbebauten Grundstücken soll weitgehend unverändert bleiben, da diese bei der Erbschaftsteuer bereits derzeit mit ca. 72% des tatsächlichen Verkehrswerts angesetzt werden. Maßgebend ist demnach der jeweilige Bodenrichtwert, der von den Gemeinden aufgrund der tatsächlichen Kaufpreise ermittelt wird. Der bislang gewährte Abschlag i.H.v. 20% soll allerdings auf 10% reduziert werden.

Bei der Bewertung von bebauten Grundstücken sieht der Gesetzesentwurf einen grundlegenden Systemwechsel vor. Hier soll es zu einer deutlich höheren Bewertung kommen, da bebaute Grundstücke im Durchschnitt derzeit nur mit ca. 51% des tatsächlichen Verkehrswerts bewertet werden. Der Gesetzesentwurf sieht eine Differenzierung zwischen verschiedenen Grundstücksarten vor. Grundsätzlich soll für selbst genutzte Grundstücke ein Sachwertverfahren und für vermietete Grundstücke ein Ertragswertverfahren zur Anwendung kommen.

Der (Sach-)Wert eines selbst genutzten Ein- oder Zweifamilienwohnhauses ergibt sich in Zukunft im wesentlichen aus der Summe des Bodenwerts (Wert des unbebauten Grundstücks) und des Gebäudewerts (der auf der Grundlage der typisierten Gebäudeherstellungskosten ermittelt werden soll). Der so ermittelte Wert wird dann noch mit einer sogenannten Wertzahl zwischen 0,7 bis 1,3 multipliziert. Dies führt im Ergebnis zu einem Zuschlag für bebaute Grundstücke in Gegenden mit hohen Grundstückspreisen. Schließlich wird ein pauschaler Sicherheitsabschlag i.H.v. 10% gewährt.

Der (Ertrags-)Wert eines Mietswohngrundstücks soll künftig aus der Summe des Bodenwerts (Wert des unbebauten Grundstücks) und des Gebäudeertragswerts (der unter Berücksichtigung der Jahresmiete und vorgegebener Vervielfältiger bestimmt werden soll) ermittelt werden. Auch in diesem Fall wird ein Abschlag von 10% gewährt.

Die getrennte Bewertung des Bodens und der Gebäude hat eine erhebliche Erhöhung der steuerlichen Wertansätze zur Folge. Dies gilt in besonderer Weise für bebaute Grundstücke in Gegenden mit hohen Grundstückspreisen, bei denen derzeit für die Besteuerung vielfach nur der Wert des Grund und Bodens (und nicht auch der Wert der Gebäude) herangezogen wird, so daß bebaute Grundstücks und unbebaute Grundstücke -- steuerlich -- vielfach den gleichen Wert haben.

Das neue Bewertungsverfahren dürfte aufgrund der zahlreichen Differenzierungen und Abgrenzungsschwierigkeiten außerordentlich streitanfällig sein und erscheint daher für Zwecke der Erbschaftsteuer kaum geeignet.

Vermögensverwaltende Gesellschaften

Die Erbschaft- und Schenkungsteuer läßt sich derzeit durch die Einbringung von Privatvermögen (z.B. Grundstücken oder Wertpapieren) in vermögensverwaltende Gesellschaften (Familienpool) in vielen Fällen in erheblichem Umfang reduzieren. Sollte der Gesetzesentwurf tatsächlich in Kraft treten, hätte dies wohl das Ende vieler solcher Gesellschaften zur Folge. Denn gewerblich geprägte Gesellschaften sollen künftig für Zwecke der Erbschaftsteuer nicht mehr als Betriebsvermögen gelten. Darüber hinaus sieht der Gesetzesentwurf vor, daß die besonderen Freibeträge und Begünstigungen für Betriebsvermögen in Zukunft nicht mehr für Gesellschaften gelten sollen, die überwiegend eigenes Vermögen verwalten.

Unternehmensnachfolge

Die ohnehin vielfach schwierige Gestaltung der Unternehmensnachfolge bei kleinen und mittleren Betrieben soll durch eine Erhöhung der Erbschaftsteuerbelastung weiter erschwert werden. Dies gilt zunächst für die Unternehmensbewertung.

Für Anteile an Personengesellschaften sollen in Zukunft nicht mehr die Steuerbilanzwerte gelten. Vielmehr sollen die Aktiva und Passiva (mit Ausnahme von Betriebsgrundstücken und Anteilen an Kapitalgesellschaften) mit den Teilwerten bewertet werden. Damit unterliegen auch die stillen Reserven der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Darüber hinaus soll bei der Bewertung von Personengesellschaften künftig nicht nur der Substanzwert, sondern auch der Ertragswert berücksichtigt werden. Für die Ermittlung des Ertragswerts soll dabei der Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Ertrag der letzten drei Jahre und einem Nominalzinssatz von 5,5 % maßgebend sein.

Für Anteile an nicht börsennotierten Kapitalgesellschaften soll es zwar im Grundsatz bei dem Stuttgarter Verfahren verbleiben. Allerdings soll der Vermögenswert künftig unter Ansatz der Teilwerte (und nicht mehr der Steuerbilanzwerte) ermittelt werden und für den Ertragswert ein Nominalzinssatz von 5,5 % (statt bisher 9 %) zugrunde gelegt werden. Aufgrund des geringeren Vergleichszinssatzes sind dann nicht mehr 68 % der Summe aus Vermögenswert und fünffachem Ertragswert maßgebend, sondern 78 % des so ermittelten Werts. Allein letzteres führt dazu, daß die Bewertung von GmbH-Anteilen um mindestens 14,7 % steigt.

Die besonderen Begünstigungen für unternehmerisches Vermögen, insbesondere der Freibetrag von 225.000 Euro und der Bewertungsabschlag von 35% werden abgeschafft. An deren Stelle soll ein -- auf den ersten Blick -- großzügiger Freibetrag von 2 Mio. Euro und eine erweiterte Stundungsmöglichkeit treten. Indes soll nur noch die Übertragung von solchen Unternehmensbeteiligungen begünstigt sein, die einen "Einfluß auf die Geschäftsführung" gewähren. Bei Personengesellschaften dürfte dafür grundsätzlich die Übertragung der Stellung als persönlich haftender Gesellschafter erforderlich sein. Die in der Praxis übliche Einräumung einer Kommanditbeteiligung dürfte demgegenüber regelmäßig nicht ausreichend sein. Bei Kapitalgesellschaften soll der Freibetrag nur dann gewährt werden, wenn dem Erwerber mindestens 25% des Unternehmens übertragen werden. Mit diesen Gesetzesänderungen würde die sukzessive Übertragung von Unternehmen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge in vielen Fällen unmöglich gemacht.

Lebensversicherungen

Lebensversicherungen werden derzeit für Zwecke der Erbschaftsteuer regelmäßig nur mit zwei Dritteln der eingezahlten Prämien und nicht mit dem höheren Rückkaufswert bewertet. Dieses Bewertungsprivileg soll gleichfalls entfallen. Künftig soll stets der Rückkaufswert am jeweiligen Übertragungsstichtag maßgebend sein.

Steuersätze

Die derzeit geltenden Steuersätze von 7% bis 50% sollen nur geringfügig geändert werden. Bei Vermögenswerten von bis zu 5,113 Mio. Euro sollen die Steuersätze um einen Prozentpunkt gesenkt werden, so daß der Eingangssteuersatz auf 6% sinken würde. Bei Erwerben von 5,113 bis 12,783 Mio. Euro sollen die Steuersätze unverändert bleiben. Bei Erwerben von über 12,783 Mio. Euro soll es zu einer Erhöhung der Steuersätze um jeweils einen Prozentpunkt kommen. Der Spitzensteuersatz läge dann bei 51%.

Änderungen der persönlichen Freibeträge (derzeit u.a. 205.000 Euro für Kinder und 307.000 Euro für Ehegatten) sind in dem Gesetzesentwurf nicht vorgesehen.

Insgesamt hätte der Gesetzesentwurf in vielen Fällen eine deutlich höhere Erbschaft- und Schenkungsteuerbelastung zur Folge. Bei der Übertragung von bebauten Grundstücken käme es allein aufgrund der neuen Bewertungsvorschriften vielfach nahezu zu eine Verdoppelung der Steuerbelastung. Die derzeit noch bestehenden Möglichkeiten für eine steuergünstige Vermögensübertragung wären vielfach nicht mehr realisierbar.

Der Gesetzesentwurf weist darauf hin, daß Deutschland in Bezug auf Vermögen im internationalen Vergleich eine der niedrigsten Steuerquoten aufweist. Für die Erbschaft- und Schenkungsteuer erscheint dies jedoch zweifelhaft. Eine Vielzahl von Ländern hat die Erbschaft- und Schenkungsteuer in den letzten Jahren ganz abgeschafft (z.B. Italien, Portugal, zahlreiche Kantone in der Schweiz und aus dem Kreis der neuen Mitgliedsländer der EU etwa Estland, Lettland, die Slowakei und Zypern). In vielen anderen Ländern ist zumindest die Übertragung zwischen Ehegatten vollständig steuerfrei (z.B. in Irland, Dänemark, Slowenien und Schweden). Andere Länder haben teilweise deutlich günstigere Steuersätze als Deutschland. Der Spitzensteuersatz in Steuerklasse I beträgt in Österreich mit 15% z.B. gerade einmal die Hälfte des vergleichbaren Steuersatzes in Deutschland (künftig sogar 31%). Die Sorge der Gesetzesverfasser, daß Deutschland im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer eine Steueroase sein könnte, erweist sich demnach bei näherer Betrachtung als unbegründet. Vielmehr wird sich der Steuerwettbewerb innerhalb der Europäischen Union zunehmend auch auf die Übertragung von Vermögenswerten erstrecken. Allein mit dem Aufbau von weiteren Wegzugshindernissen wird man in diesem Steuerwettbewerb nicht erfolgreich bestehen können.

Derzeit läßt sich nicht absehen, ob und wann der schleswig-holsteinische Gesetzesvorstoß zur Erhöhung der Erbschaftsteuer Erfolg haben wird. Bei den derzeitigen politischen Verhältnissen kann man jedoch kaum etwas ausschließen. Zumindest bis zum Ende des Jahres 2004 kann man noch von den zahlreichen Möglichkeiten einer steuergünstigen Vermögensübertragung profitieren. Was danach kommt, weiß derzeit niemand. Nur soviel ist sicher: Besser wird die Situation für die Steuerpflichtigen und deren Erben nicht werden.


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