Dipl.-Volksw. Dietmar Engel,
Steuerberater, Bielefeld*

Bewegung bei der Bilanzierung von Altersteilzeitrückstellungen

Trotz aller beschäftigungspolitischen Verwerfungen stellt das Verfahren der Altersteilzeit immer noch ein beliebtes Vehikel für Arbeitnehmer und Arbeitgeber dar, gemeinsame Interessen zu bündeln: So kann der Arbeitnehmer ohne wesentliche Lohneinbußen in der Schlußphase seiner beruflichen Laufbahn entweder weniger arbeiten (Gleichverteilungsmodell) oder im Rahmen des Blockmodells nach Beendigung der sog. Beschäftigungsphase, bei nur geringfügig reduziertem Gehalt in der Freistellungsphase, das Arbeitsleben faktisch beenden und sich seinen (hoffentlich vorhandenen) privaten Interessen widmen.

Auch der Arbeitgeber hat ein Interesse an Altersteilzeitvereinbarungen, kann doch so, insbesondere beim Blockmodell, die Verjüngung der Belegschaft beschleunigt oder ein sozialverträglicher Arbeitsplatzabbau betrieben werden.

Gerade das Blockmodell hat sich in der Vergangenheit daher starker Beliebtheit erfreut (z.T. wird die Verjüngungskur auch noch vom Staat subventioniert). Kontrovers diskutiert wurde jedoch seit jeher die Frage der Rückstellungsbilanzierung derartiger Regelungen in Handels und Steuerbilanz. Nachdem ein Beitrag von Bode/Hainz, DB 2004, 2436 zu Auswirkungen der Neuerungen im Insolvenzsicherungsrecht im übrigen Schrifttum noch relativ unbeachtet blieb und auch von den versicherungsmathematischen Gutachtern bei der Berechnung der Altersteilzeitrückstellung zum 31.12.2004 noch auf das geltende BMF-Schreiben (vgl. BMF v. 11.11.1999 -- IV C 2 - S 2176 - 102/99, BStBl. I 1999, 959) abgestellt wurde (so zumindest die Erfahrung des Autors), sollte die nunmehr veröffentlichte Entscheidung des FG Hessen v. 23.9.2004 -- 4 K 1120/02, EFG 2005, 392 -- Rev. eingelegt (Az. des BFH: I R 110/04) mehr Beachtung finden und Bewegung in die Diskussion bringen:

Die Entscheidung des FG Hessen

Das FG Hessen hatte zu entscheiden, ob beim Blockmodell neben dem allgemeinen Erfüllungsrückstand aus dem Altersteilzeitvertrag auch für den sog. Aufstockungsbetrag (Zuzahlung zur vertraglichen Vergütung, um die Lohn/Gehaltszahlung im Rahmen der Altersteilzeit nicht wesentlich unter die normale Vergütung absinken zu lassen) eine Rückstellung mit steuerlicher Wirkung gebildet werden muß. Handelsrechtlich hat das IDW eine derartige Rückstellungspflicht immer bejaht (vgl. IDW RS HFA 3, WPg. 1998, 1063). Die Finanzverwaltung vertritt dagegen in o.g. BMF-Schreiben die Auffassung, daß sich für das Arbeitsverhältnis ein Ausgleich von Leistung und Gegenleistung ergibt. Eine Rückstellungsbildung für den Aufstockungsbetrag, der ja im Rahmen der Freistellungsphase ohne Gegenleistung erbracht wird, kommt daher lt. Finanzverwaltung nicht vor Beginn der Freistellungsphase in Betracht.

Das FG hat zwar nicht dem vollen Antrag des Klägers zugestimmt (dieser wollte die Rückstellung in voller Höhe zu Beginn der Beschäftigungsphase bilanzieren), sich jedoch für eine Regelung ausgesprochen, die durchaus, sofern die Rechtsauffassung in der eingelegten Revision Bestand hat, erhebliche Auswirkungen auf die Bilanzierung von Altersteilzeitrückstellungen haben dürfte:

Das FG sieht es als erwiesen an, daß bereits während der Beschäftigungsphase ein Verpflichtungsüberhang seitens des Arbeitgebers hinsichtlich des noch zu zahlenden Aufstockungsbetrages entsteht. Es ist nämlich davon auszugehen, daß ein Arbeitnehmer, der sich einmal für ein Altersteilzeitmodell entschieden hat, dieses aufgrund der zu erwartenden Vorteile auch zu Ende führt. Hierdurch entsteht beim Blockmodell die Verpflichtung des Arbeitgebers, den zugesagten Aufstockungsbetrag in der Freistellungsphase zu leisten. Für diese ungewisse Verbindlichkeit ist nach Auffassung des FG Hessen eine Rückstellung zu bilden, die allerdings ratierlich, d.h. zeitanteilig über die Laufzeit der Beschäftigungsphase, aufzubauen ist.

Ablehnend steht das FG der Auffassung gegenüber, daß auch für potentielle Altersteilzeitverträge eine Rückstellung gebildet werden muß (die Tarifverträge sehen in Abhängigkeit von der Gesamtbelegschaft grundsätzlich eine prozentuale Belastungsobergrenze für den Arbeitgeber vor, bis zu welcher Altersteilzeitverträge abgeschlossen werden können und bei Antrag abgeschlossen werden müssen. Das IDW sieht auch für solche theoretischen Altersteilzeitfälle eine Rückstellungsverpflichtung vor). Diese Auffassung wird im Rahmen des Revisionsverfahrens zu überprüfen sein. Für den Ansatz des FG spricht, daß erst ab Beginn der Beschäftigungsphase es hinreichend wahrscheinlich ist, daß die Verpflichtungen zur Lohnfortzahlung und zur Zahlung des Aufstockungsbetrages in der Freistellungsphase entstehen. Die rein theoretische Möglichkeit, daß ein gewisser Prozentsatz der Belegschaft ein solches Altersteilzeitverhältnis abschließen wird, reicht nicht aus, die Rückstellungsverpflichtung hinreichend zu begründen.

Änderungen bei der gesetzlichen Insolvenzregelung für Verpflichtungen aus Altersteilzeitverträgen

Wie Bode/Hainz, DB 2004, 2436 ausgeführt haben, führt die Neuregelung bei der Insolvenzsicherungspflicht für Wertguthaben aus Altersteilzeitverpflichtungen in § 8a ATG zumindest ab dem 1.7.2004 zu einer gesetzlichen Klarstellung dergestalt, daß in der Beschäftigungsphase gerade nicht, wie von der Finanzverwaltung in o.g. BMF-Schreiben unterstellt, Leistung und Gegenleistung gleichwertig gegenüberstehen. Vielmehr erbringt der Arbeitnehmer eine "Mehrleistung", die als Erfüllungsrückstand zurückzustellen ist. Darüber hinaus führen aber auch die noch zu erwartenden Aufstockungsbeträge und Rentenversicherungsbeiträge zu zukünftigen Belastungen des Unternehmers, die, da hinreichend konkretisiert, ebenfalls eine ungewisse Verbindlichkeit darstellt. Eine Rückstellung ist somit auch für diese Beträge zu bilden.

Folgen für die betriebliche Praxis

Die unterschiedliche Bewertung von Altersteilzeitrückstellungen in Handels- und Steuerbilanz führen in Jahren, in denen sich der Mitarbeiter in der Beschäftigungsphase befindet zu steuerlichen Mehrbelastungen des Unternehmens, da die durch die Finanzverwaltung anerkannte Rückstellung(-szuführung) geringer ist als handelsrechtlich. Je nach Größe des Unternehmens und Ausgestaltung der Altersteilzeitregelung können sich erhebliche Unterschiede ergeben, die aufgrund der verzögerten steuerlichen Berücksichtigung eine deutliche Liquiditätsbelastung des Unternehmens bedeuten (vgl. Beispiel von Wulf/Petzold, DB 2001, 2157). Der Steuerpflichtige hat somit durchaus ein Interesse, die höheren Werte auch für Zwecke der Steuerbilanz anzusetzen. Aufgrund der nunmehr vorliegenden Entscheidung des FG Hessen sollten für Zeiträume vor 2004 die Steuerbescheide im Wege des Einspruchsverfahrens bzw. durch Vorläufigkeitsvermerke offen gehalten werden, bis eine Revisionsentscheidung ergangen ist. Für Zeiträume ab 2004 können unter Berufung auf das vorstehende Urteil, aber auch unter Hinweis auf die geänderte Rechtslage bei der Insolvenzsicherung bereits in den Steuerbilanzen die höheren Werte angesetzt werden. Entgegenstehende Festsetzungen der Finanzverwaltung sind ebenfalls im Wege des Einspruchs anzufechten.

Man mag zum beschäftigungspolitischen Instrument der Altersteilzeitregelungen stehen wie man mag, die bislang erfolgte Beschneidung der Abbildung der tatsächlichen Kosten in der Steuerbilanz während der Beschäftigungsphase wird dank des anhängigen Revisionsverfahrens nunmehr einer genaueren Prüfung unterzogen werden.

 

* HLB Dr. Stückmann & Partner, Bielefeld.



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