Dr. Wolfgang Lingemann,
Rechtsanwalt, Köln*

Unternehmensteuerreform 2008 -- Vom Leistungsfähigkeitsprinzip zum Dummensteuerprinzip

Jetzt ist sie also beschlossen und erblickt im Bundesgesetzblatt das Licht der Welt (BGBl. I 2007, -- Fundstelle lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor): die Unternehmensteuerreform 2008. Die erste ohne zwei "s". Denn bis vor kurzem schrieb man "Unternehmenssteuern" ja noch mit zwei "s". Das Bundesgesetzblatt aber adelt, und so sind einstige an die korrekte Schreibweise nur angenäherte Internetdomains jetzt doch wertvoller, weil richtiger geworden (www.unternehmensteuerreform.de). Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

I. Bekannte Grausamkeiten -- "He loves cash"

Die gute Nachricht: die Körperschaftsteuersätze sinken -- aber die schlechte: Der Spitzensteuersatz für Gesellschafter von Personengesellschaften wird dank der Reichensteuer von 42 auf 45 % erhöht! Das vergisst sich leicht bei allen Klagen über Zinsschranke und Mantelkauf-Dammbrüche. Von der Absenkung des Körperschaftsteuersatzes, dem Ausbau der verwünschten Gewerbesteuer, der nur wenig modifizierten Zinsschranke, dem neuen "quotenformalen" Verlustuntergang bei Veräußerungen von Kapitalgesellschaftsanteilen und der neuen Abgeltungsteuer auf Kapitaleinkünfte berichten Watrin/Wittkowski/Strom, GmbHR 2007, 785 ff. -- in diesem Heft -- in ihrem Überblick noch einmal sehr ausführlich. Die "Unternehmensteuerreform" betrifft aber nicht nur die Körperschaften und Personengesellschaften, sondern ordnet auch die gesamte Besteuerung von Kapital- und privaten Veräußerungseinkünften neu. Hierzu bedarf es in nächster Zeit ebenso einer ausführlichen Diskussion in der Fachwelt wie z.B. zur Zinsschranke, vgl. das Themenschwerpunktheft FR 15 "Unternehmensfinanzierung" vom 5.8.2007 mit Wiedergabe der letzten Berliner Steuergespräche. Und man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass das Bundesverfassungsgericht mindestens eine Hand voll weitere Verfahren aus dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 wird bescheiden dürfen. Wenn da nur nicht die Zeit vor einer Entscheidung des Gerichts wäre, für die es unter normalen Umständen anscheinend kaum Aussicht auf rückwirkende Steuerentlastung mehr gibt. Der Gesetzgeber spielt auf Zeit, und er hat allen Grund dazu, die Kassen von Peer Steinbrück erst einmal zu füllen -- "he loves cash", sagt man seit dem Kabinettsbeschluss zum Haushalt 2008.

Aus allem nun Beschlossenen folgt: Nur noch der steuerlich gut Beratene wird mit den Vorzügen der Unternehmensteuerreform 2008 gut leben, der Laie steckt in den Fängen der rigiden Gegenfinanzierungsregeln. Prof. Dr. Stefan Homburg benannte es zutreffend so: Die Reform geht vom Leistungsfähigkeitsprinzip weg zum "Beraterprinzip", in der Sachverständigenanhörung zum Unternehmensteuerreformgesetz und in SteuerConsultant 2007, 18 (23), der Nachfolgezeitschrift der "INF" aus dem Haufe-Verlag.

II. Multitasking im 2. Halbjahr 2007

Mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 aber ist es wie mit dem Betrachter des Rheines bei Köln: Legt dieses Gesetzesschiff zuerst und allein an, oder wird es nicht zugleich schon von weiteren Kähnen ein- und überholt? Mit dreieinhalb weiteren "Dampfern", deren Anwendung ebenfalls für den 1.1.2008 anliegt, ist schon jetzt zu rechnen:

1. Jahressteuergesetz 2008

Da ist zunächst das "Jahressteuergesetz 2008" (Referentenentwurf v. 14.6.2007, Volltext, (PDF-Dokument) erster Überblick bei Levedag, GmbHR 2007, R 214). Das Gesetz liest sich wie ein Rachefeldzug gegen den I. BFH-Senat. In ihm findet sich schon eine Ergänzung des § 8b KStG in § 8b Abs. 3 S. 4 -- 7 KStG, in denen Gesellschafterdarlehen stärkeren Missbrauchsbeschränkungen unterworfen werden sollen: Nach § 8b Abs. 3 S. 3 KStG sind Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit einem Anteil i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG stehen, bei der Ermittlung des Einkommens nicht zu berücksichtigen. Durch die Hingabe von Gesellschafterdarlehen werde, so die Gesetzesbegründung, u.a. unter Hinweis auf Gestaltungsempfehlungen in der Literatur (z.B. Gosch in Gosch, KStG, 2005, § 8b Rz. 277), versucht, die Abzugsverbote des § 8b KStG zu umgehen.

Künftig wird bei Darlehen, die der zu mehr als 25 % beteiligte Gesellschafter, eine nahe stehende Person oder ein rückgriffberechtigter Dritter an die Gesellschaft gibt, grundsätzlich von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung ausgegangen. Alle mit dem Darlehen in Zusammenhang stehenden Gewinnminderungen unterliegen somit dem Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 KStG. Darunter fallen insbesondere Gewinnminderungen aus der Teilwertabschreibung auf Gesellschafterdarlehen, dem Ausfall eines Gesellschafterdarlehens oder dem Verzicht auf Forderungen aus einem Gesellschafterdarlehen. Erfasst werden des Weiteren auch Aufwendungen des Gesellschafters aus der Inanspruchnahme aus Sicherheiten oder Bürgschaften. Der Darlehensgeber hat allerdings die Möglichkeit nachzuweisen, dass unter den gleichen Umständen und zu den gleichen Konditionen auch ein fremder Dritter das Darlehen ausgereicht oder im Krisenfall stehen gelassen hätte. In den nachgewiesenen Fällen kommt das Abzugsverbot nicht zur Anwendung. Eine Darlehensüberlassung ist aber insbesondere in den folgenden Fällen nicht als fremdüblich anzusehen: unverzinsliche Darlehen, verzinsliche Darlehen ohne Sicherheiten, in der Krise stehen gelassene Darlehen. Aus Billigkeitsgründen bleiben mit den nach § 8b Abs. 3 S. 3 KStG hinzugerechneten Gewinnminderungen korrespondierende Gewinnerhöhungen aus späteren Wertaufholungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG in voller Höhe steuerfrei.

Apropos Missbrauch: Die Neuformulierung des § 42 AO, bewusst gegen die Rechtsprechung des I. BFH-Senats zu den Dublin-Dock-Gesellschaften gerichtet, hat bereits einige Proteste ausgelöst: In Zukunft sollten wohl alle "Steuergestaltungen" missbräuchlich sein, von denen der Steuerpflichtige nicht nachweist, dass es für sie einleuchtende außersteuerliche Gründe gibt. Da wird also Beweis angetreten, dass es für die Eheschließung mit dem günstigen Splitting auch außersteuerliche Gründe gab ...

2. Gesetzenwurf zur Anzeigepflicht von Steuergestaltungen

Aber es kommt jetzt noch besser: Nach dem Aufschrei der Fachwelt und z.B. des Deutschen Steuerberaterverbands e.V. gegen die Beweislastumkehr geht das Gerücht um, der § 42 AO werde nun doch nicht konvertieren, sondern durch eine "Anzeigepflicht von Steuergestaltungen" ergänzt. Nach einem weiteren "Gesetzentwurf zur Anzeigepflicht von Steuergestaltungen" v. 25.6.2007, der uns bekannt geworden und der noch ganz kurz ist, hat jeder "Vermarkter" einer Steuergestaltung dem Bundeszentralamt für Steuern eine Steuergestaltung anzuzeigen, sofern sein Umsatz aus ihr voraussichtlich mehr als 250.000 € beträgt. Was sollen jetzt nur die Redaktionen von Steuer-Tipp-Fachzeitschriften tun? Sollen sie dem Bundeszentralamt gleich ein Freiabonnement einrichten? Wer die erste spannende Definition, was denn eine Steuergestaltung ist, lesen möchte, dem ist der Gesetzentwurf wärmstens empfohlen (§ 138 Abs. 2 AO-E), Volltext. (PDF-Dokument) Eine Steuergestaltung liegt z.B. vor, "wenn ein Wirtschaftsgut in mehreren Steuerrechtsordnungen berücksichtigt" wird, oder "Vorschriften eines DBA durch die Vertragsstaaten unterschiedlich ausgelegt und angewandt werden!" Was das mit eigener Willensbetätigung des Steuerpflichtigen und seiner Berater zu tun hat, die eine "Steuergestaltung" vornehmen wollten, erschließt sich wohl nur den Vätern oder Müttern des Gesetzentwurfs.

3. Das neue MoRaKG

Am 29.6.2007 ist aus dem BMF erstmals der Referentenentwurf eines "Gesetzes zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen" bekannt geworden (Volltext (PDF-Dokument)). Darin wird die schon beim Kabinettsbeschluss des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 von der Kanzlerin vermisste "Mittelstandsförderung" angepackt, mit dem Wagniskapitalbeteiligungsgesetz (WKBG) und einer Reform des schon existierenden Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (UBGG). Allerdings ist die Zielgruppe ein wenig eng auf die sog. Heuschrecken beschränkt, nämlich die Austeilung von Geschenken für Wagniskapitalbeteiligungen. Und darin findet sich zufällig eine Erhöhung des Freibetrags des § 17 Abs. 3 EStG von 9.060 € auf 20.000 € für sog. Business Angels. Der Nachfolger der Mantelkaufregelung (§ 8c KStG) erhält darin schon seinen ersten Absatz 2:

"Ein nach Absatz 1 nicht abziehbarer Verlust kann im Falle eines unmittelbaren schädlichen Beteiligungserwerbs an einer Zielgesellschaft im Sinne von § 2 Abs. 3 des Wagniskapitalbeteiligungsgesetzes durch eine Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 des Wagniskapitalbeteiligungsgesetzes anteilig abgezogen werden, soweit er auf stille Reserven des Betriebsvermögens der Zielgesellschaft entfällt (abziehbarer Verlust); ..."

In diesem Fall gibt es einen Verlustabzug nach der Fünftelregelung, s. i.E. dazu Watrin/Wittkowski/Strom, GmbHR 2007, 785 ff. -- in diesem Heft. Im Infopapier zum MoRaKG findet sich schließlich der Hinweis auf ein hierzu in einem Junctim stehendes geplantes Gesetz zur Begrenzung der Risiken von Finanzinvestitionen. Ich bin gespannt, welche Korrekturen des Unternehmensteuerrechts darin noch untergebracht werden können.

4. Reparaturgesetz zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008?

Angesichts vieler offener Fragen, insbesondere zur neuen Zinsschranke, zeichnet sich schon ab, dass es ein "Fortführungsunternehmensteuerkorrekturgesetz", vielleicht auch noch vor dem Jahresende 2007 geben müsste; die Bezeichnung verdanke ich Prof. Dr. Rudolf Hickel in der Sachverständigenanhörung durch den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am 25.4.2007, Protokoll Nr. 16/56, S. 8 unten rechts (im Internet unter http://www.bundestag.de/ausschuesse/a07/anhoerungen/index.html). Denkbar ist, dass ein solches Reparaturgesetz auch noch ungelöste Fragen des neuen Umwandlungssteuerrechts nach dem SEStEG behandeln muss, die nicht durch Verwaltungserlass zu regeln sind; obwohl das BMF mittlerweile nach Paukenschlägen aus Luxemburg in Sachen Rewe Zentralfinanz Gesetze per Verwaltungserlass außer Kraft setzt, z.B. so: "§ 2a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG ist auf negative Einkünfte mit Bezug auf die Mitgliedsstaaten der EU oder des EWR ... nicht weiter anzuwenden", mit Ausnahme Liechtenstein, BMF v. 11.6.2007 -- IV B 3 - S 3118-a/07/0003, GmbHR 2007, 784.

III. Fazit

Steuerberatung ist gefragt wie nie! Ob Beratung und Steuerrechtsverlage über das vorzeitige Erscheinen von Steuerrechtsreformgesetzen glücklicher sein können, als wenn diese erst zum Jahresende ergingen, habe ich Zweifel. Die Änderungsrallye beginnt offenbar nur eher, i.Ü. bleibt es bei der Änderungswut des Gesetzgebers in jedem 2. Jahreshalbjahr!

 

* Schriftleiter der Finanz-Rundschau.




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