Prof. Dr. Walter Bayer / Dipl.-Kfm. Thomas Hoffmann, Universität Jena

 

Die Musterprotokoll-Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)

 

I. Vorab: Die Erfolgsgeschichte der UG

Die (zahlenmäßige) Erfolgsgeschichte der haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft (UG) geht weiter. Mittlerweile wurde gar die Marke von deutschlandweit 10.000 UG durchbrochen -- und dies innerhalb von nicht einmal 7 Monaten seit Inkrafttreten des MoMiG (vgl. die Aufstellung unter http://www.rewi.uni-jena.de/Forschungsprojekt_Unternehmergesellschaft-page-15120.html). Schon ein erster grober Blick auf die UG-Gründungsdokumente ergibt:

Die UG-Gründungen erfolgten mehrheitlich im vereinfachten Verfahren gemäß § 2 Abs. 1a GmbHG, d.h. unter Verwendung des in der Anlage zum GmbH-Gesetz vorgegebenen Musterprotokolls. Durch den Rückgriff auf das Musterprotokoll lassen sich bekanntlich in geringem Umfang Gründungskosten einsparen (vgl. z.B. Wachter in Römermann/Wachter (Hrsg.), Sonderheft GmbHR 10/2009 S. 25 [29]). Diese Ersparnis ist allerdings auch schon der einzige Vorteil gegenüber der auf klassischem Wege gegründeten Gesellschaft. Denn einerseits mangelt es dem Musterprotokoll an Flexibilität zur individuellen Ausgestaltung der Gesellschafterbeziehungen (z.B. sind Vinkulierungsklauseln, statutarische Einziehungs- und Abfindungsvereinbarungen sowie Regelungen zum Wettbewerbsverbot nicht möglich, vgl. hierzu auch bereits Bayer/Hoffmann/J. Schmidt GmbHR 2007, 953 [955 ff.]). Andererseits scheint die "vereinfachte" Gründung nicht auch gleichzeitig mit der vom Gesetzgeber beabsichtigten "beschleunigten" Gründung einher zu gehen. So wurde unlängst in der F.A.Z. von Erfahrungen deutscher Notare berichtet, dass die Verwendung von Musterprotokollen sogar zu Verzögerungen bei den Handelsregistereintragungen führe, da die Registergerichte akribisch prüfen müssen, ob denn auch der zwingende Wortlaut des Musterprotokolls eingehalten wurde. Zudem dauere es, so der im Zeitungsbericht zitierte Notar, wegen der Finanzknappheit der UG-Gründer oft Wochen, bis die Einzahlung selbst geringer Stammkapitalbeträge von wenigen hundert Euro durch entsprechende Bankbelege nachgewiesen werde (vgl. F.A.Z. v. 18.3.2009, S. 23).

Am Institut für Rechtstatsachenforschung zum Deutschen und Europäischen Unternehmensrecht der Friedrich-Schiller-Universität in Jena wurden alle bisher (Stand: 15.5.2009) im Freistaat Thüringen erfolgten UG-Gründungen -- und hier insbesondere von im vereinfachten Verfahren gegründeten Rechtsträgern -- ausgewertet. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden. Ziel ist es, einen ersten Eindruck zur Verbreitung und Ausgestaltung von Musterprotokoll-UGen zu erhalten. Die Erkenntnisse aus der Thüringer GmbH-Landschaft sind freilich nur exemplarisch. Man kann jedoch erwarten, dass sich die vorgefundenen Ergebnisse zumindest vom Grundsatz her auch auf andere Bundesländer übertragen lassen.

 

II. Vorrangig Einpersonen-Gründungen

Von den 204 in Thüringen insgesamt bis Mitte Mai 2009 in das Handelsregister (zuständig ist das Amtsgericht Jena als Registergericht für den gesamten Freistaat) eingetragenen UG-Gründungen erfolgten 159 (d.h. 78 %) im vereinfachen Verfahren. Dabei wurde in 128 Fällen das Musterprotokoll für die Gründung einer Einpersonengesellschaft (Anlage zu § 2 Abs. 1a GmbHG Alt. a) und in 31 Fällen das Musterprotokoll für die Gründung einer Mehrpersonengesellschaft mit bis zu drei Gesellschaftern (Anlage zu § 2 Abs. 1a GmbHG Alt. b) verwendet. Die Musterprotokoll-Gründungen waren demnach vorrangig Einpersonen-Gründungen. Durchschnittlich wiesen die Thüringer Musterprotokoll-UGen ein Stammkapital von 1.214 € auf (Median: 500 €). Man sparte also durch die Verwendung des Musterprotokolls maximal 150 € an Gründungskosten, zahlte jedoch durchschnittlich über 1.200 € mehr in das Stammkapital ein als gesetzlich notwendig. (Anm.: Das gesetzliche Mindeststammkapital bei Musterprotokoll-UGen liegt je nach Anzahl der Gründungsgesellschafter bei ein, zwei oder drei Euro).

 

 

III. Verfahrensdauer

Bei den 159 im vereinfachten Verfahren gegründeten Thüringer UGen dauerte es im Mittel 48 Tage von der Beurkundung des Musterprotokolls bis zur Eintragung in das Handelsregister (Median: 43 Tage). Anders sah es bei den ohne Verwendung des Musterprotokolls gegründeten UGen aus. Hier erfolgte die Eintragung im Durchschnitt innerhalb von 40 Tagen nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags (Median: 36 Tage). UGen, die mit einem Musterprotokoll gegründet worden sind, brauchten demnach ca. eine Woche länger bis zur Eintragung. Damit bestätigen sich die oben zitierten Erfahrungen aus der Notarpraxis zumindest bei den bisher vorliegenden UG-Gründungen in Thüringen.

 

 

Diese doch recht langen Gründungs- und Eintragungszeiten bei der Musterprotokoll-UG sind partiell vielleicht nur "Kinderkrankheiten" oder dem aktuellen "Run" auf derartige Rechtsträger geschuldet. Auch muss in einer detaillierteren Untersuchung noch genauer aufgeschlüsselt werden, welchen Anteil die "Bearbeitungszeit" beim Registergericht an der Zeitverzögerung im Einzelnen ausmacht. So viel lässt sich jedoch sicher sagen: Mit der britischen Limited oder der spanischen 48-Stunden-Blitz-GmbH (Sociedad Limitada Nueva Empresa -- SLNE), kann die deutsche Musterprotokoll-UG im Geschwindigkeitstest gegenwärtig (jedenfalls noch) nicht mithalten. Bei der Limited wirbt das Companies House für die Standardregistrierung (Gebühr: 20 £, bei elektronischer Einreichung: 15 £) mit einer Bearbeitungsdauer von 5 Tagen ab Eingang; darüber hinaus ist gegen eine erhöhte Gebühr von 50 £ (bei elektronischer Einreichung: 30 £) sogar ein "same day incorporation service" zu haben (vgl. BERR, Company Formation, GBF 1, May 2009, Version 23, abrufbar unter http://www.companieshouse.gov.uk/about/pdf/gbf1.pdf; s. dazu sowie allgemein zum Vergleich von UG und Limited: J. Schmidt [2008] 9 GLJ 1093 ff.). Bei der spanischen SLNE erfolgt die Anmeldung zum Handelsregister durch ein elektronisches Gesellschaftsgründungsdokument innerhalb von 24 Stunden nach Erstellung der Gründungsurkunde. Das Register bestätigt bei Verwendung der offiziellen Standardsatzung die Eintragung dann innerhalb weiterer 24 Stunden (vgl. Bascopé/Hering, GmbHR 2005, 609 [610]).

 

IV. Art und Umfang der Vertretungsbefugnis

Erhebliche Unterschiede bestanden bei den durch das Institut für Rechtstatsachenforschung untersuchten Thüringer Musterprotokoll-UGen hinsichtlich der Anmeldung von Art und Umfang der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer gem. § 8 Abs. 4 Nr. 2 GmbHG. Über die korrekte Formulierung dieser Anmeldung herrscht in der Tat bisher große Unsicherheit in der Praxis (vgl. Wachter, ZNotP 2009, 82 [97]). Im Unterschied zum Regierungsentwurf befindet sich in der vom Gesetzgeber verabschiedeten Fassung des MoMiG nämlich kein Muster für die Handelsregisteranmeldung, so dass diese -- einschließlich der Anmeldung der Vertretungsregelung -- individuell erstellt werden muss. Die bei der Formulierung zu beachtenden Anforderungen wurden nun jedoch kürzlich durch das OLG Stuttgart in seiner Entscheidung v. 28.4.2009 -- 8 W 116/09, GmbHR 2009, 827 -- vgl. dazu Wachter, GmbHR 2009, 785 ff. -- beide in diesem Heft -- in Anknüpfung an Vorschläge aus der Literatur (z.B. Katschinski/Rawert, ZIP 2008, 1993 [1999], Weigl, notar 2008, 378 [380]; Wicke, NotBZ 2009, 1 [9]) konkretisiert. Die Vertretungsregelung hat danach aus einem allgemeinen und einem konkreten Teil zu bestehen. Im allgemeinen Teil wird danach zunächst abstrakt im Sinne der allgemeinen gesetzlichen Regelung die Vertretung der Gesellschaft dahingehend geregelt, dass dann, wenn nur ein Geschäftsführer bestellt ist, dieser die Gesellschaft allein vertritt und dann, wenn mehrere Geschäftsführer bestellt sind, sie alle nur gemeinsam zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt sind. Anschließend ist konkret mitzuteilen, wer zum ersten Geschäftsführer bestellt wurde und dass dieser die Gesellschaft gemäß der allgemeinen Vertretungsregelung vertritt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist.

Beispiel (nach Wicke, NotBZ 2009, 1 [9]):

"Die Vertretung der Gesellschaft ist allgemein wie folgt geregelt: Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, sind alle nur gemeinsam zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt.

Zum Geschäftsführer ist bestellt: ... Der bestellte Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft gemäß der allgemeinen Vertretungsregelung und ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit."

Nur bei etwa der Hälfte (79 von 159) der Thüringer Musterprotokoll-UGen stimmte die im Anmeldungsdokument formulierte Vertretungsregelung mit den vom OLG Stuttgart aufgestellten Anforderungen überein. Bei weiteren 21 (13 %) Gesellschaften wurde (bei korrekt formulierter konkreter Vertretungsregelung) auf die Angabe der abstrakten Vertretungsregelung verzichtet, und 47 (30 %) der untersuchten Anmeldungen enthielten einer der Auffassung des OLG Stuttgart und der überwiegenden Meinung im Schrifttum widersprechende Angabe der abstrakten Vertretungsregelung. Statt entsprechend der gesetzlichen Vertretungsregelung wurde eine abweichende allgemeine Vertretungsregelung angegeben, meist dahingehend, dass die Gesellschaft generell nur einen Geschäftsführer hat und dieser vom Verbot des § 181 BGB befreit sei. Weitere 12 Anmeldungen enthielten bei korrekt angegebener oder fehlender abstrakter Vertretungsregelung eine unzutreffende bzw. missverständliche konkrete Vertretungsregelung. Meist dahingehend, dass der benannte erste Geschäftsführer stets allein vertritt. Richtig wäre jedoch, dass auch der erste Geschäftsführer nur solange allein vertritt, wie er alleiniger Geschäftsführer ist.

 

V. Fazit

Abschließend seien die wichtigsten Erkenntnisse der Untersuchung zu den Thüringer UGen noch einmal zusammengefasst:

1. Die UG wurde hauptsächlich als Musterprotokoll-Gesellschaft und hier wiederum als Einpersonen-Musterprotokoll-Gesellschaft gegründet.

2. Die mittels Musterprotokoll gegründeten Gesellschaften brauchten durchschnittlich länger bis zur Handelsregistereintragung als solche, bei denen das Musterprotokoll nicht verwendet wurde.

3. Hinsichtlich der Formulierung der Vertretungsbefugnis in der Handelsregisteranmeldung war bislang eine große Variationsbreite zu verzeichnen. Ob sich die strenge Auffassung des OLG Stuttgart auf Dauer in der Praxis wirklich durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.

 

 

 




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