Investitionszulage: Vertretung einer Einpersonen-GmbH bei Antragstellung

AO 1977 § 150 Abs. 3; InvZulG 1993 § 6 Abs. 1, § 6 Abs. 3 S. 1

Ein gesetzlicher Vertreter einer Einmann-GmbH ist an der zulagenrechtlich notwendigen eigenhändigen Unterschrift unter den jeweils nur wie eine Jahreserklärung einzureichenden Investitionszulagen-Antrag nicht stets allein schon i.S.v. § 150 Abs. 3 AO 1977 mit der Folge gehindert, daß ein Bevollmächtigter wirksam unterzeichnen dürfte, weil sich der gesetzliche Vertreter auf einer seit längerem geplanten mehrwöchigen Urlaubsreise im europäischen Ausland aufhält. Vielmehr hängt die Zulässigkeit der Vertretung bei der Unterschrift davon ab, ob im Einzelfall eine postalische Verbindung möglich und deren Inanspruchnahme dem gesetzlichen Vertreter im Hinblick auf die Bedeutung eines Investitionszulagen-Antrags und die gebotene zügige verwaltungsmäßige Durchführung des Bewilligungsverfahrens zumutbar ist.

BFH, Urt. v. 29.3.2001 – III R 48/98

Gründe:

I.

Die Klägerin (Kl.in) ist eine Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter-Geschäftsführer war in den Jahren 1994 und 1995 der Prozeßbevollmächtigte Steuerberater X.

Die Kl.in beantragte mit Investitionszulagenantrag v. 29.9.1995 Investitionszulage für das Streitjahr 1994 i.H.v. 8 v.H. bzw. 5 v.H. aus einer Bemessungsgrundlage von 10 650,40 DM = 628,60 DM. Der Antrag ist für die Kl.in mit "i.V. A.O." unterzeichnet worden. Zwischen Frau A.O. als Praxisinhaberin (einer eigenen Steuerberatungspraxis) und Steuerberater X als Vertreter war unter dem 2.4.1990 ein sog. Vertretungsvertrag mit unbefristeter Laufzeit (§ 1 Abs. 1 des Vertrags) abgeschlossen worden. Auf telefonischen Hinweis des FA v. 2.10.1995, daß ein Investitionszulagenantrag für eine juristische Person von deren gesetzlichem Vertreter zu unterschreiben sei und die ordnungsgemäße Unterschrift nur noch bis zum Ablauf des Tages fristgemäß erfolgen könne, übersandte die Kl.in mit Anschreiben vom 6.10.1995 eine von Steuerberater X unterzeichnete Kopie des Investitionszulagenantrags für 1994, die am 9.10.1995 beim FA einging.

Das FA setzte die Investitionszulage für 1994 mangels wirksam gestellten Antrags auf 0 DM fest (Bescheid v. 22.11.1995). Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage (im Verfahren nach § 94a FGO) mit in EFG 1999, 249 veröffentlichtem Urteil statt. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus, nach § 150 Abs. 3 AO 1977 dürfe anstelle einer eigenhändigen Unterschrift der Investitionszulagenantrag durch einen Bevollmächtigten unterzeichnet werden, wenn der eigentlich Unterzeichnungspflichtige infolge längerer Abwesenheit an der Unterschrift gehindert sei. Der gesetzliche Vertreter der Kl.in (§ 34 AO 1977) habe glaubhaft vorgetragen und durch entsprechende Unterlagen belegt, daß er über eine längere Zeit hin ortsabwesend und zum Teil wegen eines Aufenthalts auf einem Segelschiff offenbar auch nicht telefonisch erreichbar gewesen sei. Infolgedessen habe die vom Geschäftsführer der Kl.in bevollmächtigte Steuerberaterin O den Antrag wirksam unterzeichnen können. Es sei nicht unbedingt erforderlich gewesen, daß der Geschäftsführer nach Rückkehr von seiner mehrwöchigen Reise die Unterschrift gemäß § 150 Abs. 3 S. 2 AO 1977 nachgeholt habe. Unter diesen Umständen komme es auch nicht auf die Erfüllung der Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO 1977 an. Da das FA die Höhe der begehrten Investitionszulage nicht bezweifelt habe und Anhaltspunkte für eine unrichtige oder überhöhte Antragstellung nicht erkennbar seien, sei der Klage insgesamt zu entsprechen.

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 6 Abs. 3 InvZulG 1993; § 150 Abs. 3 AO 1977).

Nach § 6 Abs. 3 S. 1 InvZulG 1993 sei der Investitionszulagenantrag u.a. vom Anspruchsberechtigten eigenhändig zu unterschreiben. Dazu sei bei juristischen Personen, wie der Kl.in, die Unterzeichnung durch deren gesetzlichen Vertreter (§ 34 Abs. 1 AO 1977) erforderlich. Im Unterschied zu früheren Gesetzesfassungen sei die Unterzeichnung durch rechtsgeschäftlich Bevollmächtigte ausgeschlossen. Das FG habe die von der Kl.in vorgelegte Vertretungsvollmacht aus dem Jahr 1990 zu Unrecht als wirksam angesehen. Seit der Neufassung des § 69 StBerG durch Art. 1 des Sechsten Steuerberatungsänderungsgesetzes v. 24.6.1994 (BGBl. I, 1387) handele es sich dabei mit Wirkung ab Juli 1994 nur um eine allgemeine Vertretung in beruflichen Angelegenheiten des Steuerberaters, hingegen nicht um eine Vertretungsvollmacht für eine etwa auszuübende gesetzliche Vertretung. Darüber hinaus werde der Vertreter nach der Neuregelung abweichend von dem Vertretungsvertrag nur für einen bestimmten Zeitraum, längstens jedoch für die Dauer von zwei Jahren, bestellt. Im Zeitpunkt der Antragstellung sei die Vertretungsvollmacht mithin abgelaufen gewesen.

Schließlich habe auch keine längere Abwesenheit i.S.v. § 150 Abs. 3 S. 1 AO 1977 bestanden. § 150 Abs. 3 AO 1977 enthalte einen eng auszulegenden Ausnahmetatbestand. Die Kl.in habe keine Umstände vorgetragen, aus denen sich ergäbe, daß der gesetzliche Vertreter verhindert gewesen sei, die vom InvZulG bestimmte Antragsfrist einzuhalten. Das FG habe zudem nicht ermittelt, warum der Investitionszulagenantrag nicht vom gesetzlichen Vertreter der Kl.in vor dessen Abreise gefertigt und unterschrieben worden sei.

Der Investitionszulagenantrag sei somit nicht rechtzeitig gestellt und Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Antragsfrist seien nicht gegeben.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kl.in beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das FA habe weder anhand der Rspr. noch des einschlägigen Schrifttums dargetan, weshalb § 150 Abs. 3 AO 1977 unanwendbar sein solle. Der Geschäftsführer der Kl.in habe 1995 das 72. Lebensjahr bereits vollendet gehabt und sei schwer herzkrank gewesen. Deshalb habe er sich Erfüllungsgehilfen bedienen müssen. Für den Fall eines jederzeit möglichen Ausfalls habe er eine Kollegin und einen Kollegen nach § 72 StBerG mit seiner ständigen Vertretung beauftragt. Dieser Vertretungsvertrag sei fortlaufend bedarfsweise mündlich verlängert worden. Es bestünden dafür keine Formvorschriften.

Nach h.L. sei die Vorschrift in § 150 Abs. 3 AO 1977 nicht bürokratisch-formalistisch zu handhaben. Daher sei nicht nur an Urlaube, Kuraufenthalte, Geschäftsreisen und Auslandsaufenthalte zu denken. Da Antragsfristen voll ausgenutzt werden dürften, sei eine "längere Abwesenheit" auch dann noch anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige erst kurz vor Fristablauf abreise. Dieses weite Verständnis sei auch im Hinblick darauf geboten, daß das FA die Nachholung der eigenhändigen Unterschrift gemäß § 150 Abs. 3 S. 2 AO 1977 verlangen könne (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, 16. Aufl., § 150 AO 1977 S. 22).

Dies sei auf fernmündliche Anforderungen des FA nach Rückkehr des Geschäftsführers aus dessen Urlaub am 6.10.1995 auch geschehen. Zu Unrecht habe das FA einen Nullbescheid, statt eines rechtsbehelfsfähigen Bescheids erlassen.

Die Klärung des Anwendungsbereichs des § 72 StBerG erscheine von wesentlicher Bedeutung. Eine kleine Steuerberatungs-GmbH mit nur einem Gesellschafter-Geschäftsführer sei bei dessen urlaubsbedingter Abwesenheit oder noch mehr bei einem plötzlichen Wegfall, nämlich anderenfalls in vollem Umfange, handlungsunfähig.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Das angefochtene Urteil ist materiell-rechtlich fehlerhaft, weil nach dessen Entscheidungsgründen nicht nachvollziehbar ist, aus welchen Tatsachen das FG seine Schlußfolgerung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gezogen hat, der gesetzliche Vertreter der Kl.in sei i.S.v. § 150 Abs. 3 AO 1977 infolge längerer Abwesenheit an der eigenhändigen Unterschrift unter dem Investitionszulagenantrag für 1994 innerhalb der bis zum 30.9.1995 laufenden Antragsfrist gehindert gewesen.

Das FA hat die Feststellungen des FG zwar nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen. Grundsätzlich binden die Feststellungen des FG das Revisionsgericht, sofern sie zumindest möglich sind. Jedoch stellen unzureichende Sachverhaltsdarstellungen im finanzgerichtlichen Urteil einen materiell-rechtlichen Fehler dar, der auch ohne diesbezügliche Rügen zum Wegfall der Bindungswirkung nach § 118 Abs. 2 FGO führt (vgl. BFH v. 22.4.1998 – X R 101/95, BFH/NV 1998, 1481 unter B I. 2., m.w.N.).

1. Unterzeichnung durch Bevollmächtigten nur ausnahmsweise bei Verhinderung des gesetzlichen Vertreters der GmbH

a) Nach § 6 Abs. 3 S. 1 InvZulG 1993 ist der Antrag auf Gewährung von Investitionszulage nach amtlichem Vordruck zu stellen und vom Anspruchsberechtigten eigenhändig zu unterschreiben. Für die Kl.in als juristische Person in der Rechtsform einer GmbH, die zwar als solche steuerrechtsfähig und gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 InvZulG 1993 anspruchsberechtigt, jedoch verfahrensrechtlich nicht handlungsfähig ist, handelt nach § 79 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 AO 1977, § 34 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. § 35 Abs. 1 GmbHG der Geschäftsführer als gesetzlicher Vertreter (vgl. BFH v. 15.10.1998 – III R 58/95, BFHE 187, 141 = BStBl. II 1999, 237).

b) Wie sich aus § 150 Abs. 3 S. 1 AO 1977 ergibt, ist dem Erfordernis der Eigenhändigkeit der Unterschrift durch den gesetzlichen Vertreter nur dann genügt, wenn dieser tatsächlich die Unterschrift höchstpersönlich leistet. Die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten ist als Ausnahme hiervon nur dann zulässig, wenn der gesetzliche Vertreter infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes oder durch längere Abwesenheit an der Unterschrift gehindert ist. In diesem Falle kann allerdings die eigenhändige Unterschrift von der Finanzbehörde nachträglich verlangt werden, wenn der Hinderungsgrund weggefallen ist (§ 150 Abs. 3 S. 2 AO 1977).

aa) Entsprechendes gilt auch für die Eigenhändigkeit der Unterschrift des Anspruchsberechtigten nach § 6 Abs. 3 S. 1 InvZulG 1993. Dabei hat es der erkennende Senat offen gelassen, ob diese Rechtsfolge unmittelbar aus § 150 Abs. 3 AO 1977 oder über die Verweisung in § 7 Abs. 1 S. 1 InvZulG 1993 auf die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO 1977 zu entnehmen sei (vgl. BFH v. 16.6.1989 – III R 119/85, BFHE 158, 270 = BStBl. II 1989, 1022). Zumindest ist § 150 Abs. 3 AO 1977 insoweit entsprechend anwendbar (s. im Einzelnen die Begründung im Urt. des erkennenden Senats in BFHE 187, 141 = BStBl. II 1999, 237). Wie bei Steuererklärungen dient die Eigenhändigkeit der Unterschrift unter dem Investitionszulagenantrag dazu, den Anspruchsberechtigten die Verantwortung für die Richtigkeit der der Erklärung zugrunde liegenden Tatsachen und Belege übernehmen zu lassen und insbesondere für die im Investitionszulagenvordruck geforderten Absichtserklärungen sowie andere, strafrechtlich bedeutsame Erklärungen.

Die eigenhändige Unterschrift ist innerhalb der Antragsfrist zu leisten. Anderenfalls ist der Investitionszulagenantrag als Verfahrenshandlung unwirksam (BFH v. 17.12.1998 – III R 87/96, BFHE 188, 182 = BStBl. II 1999, 313 unter Ziff. II. 5.; in BFHE 187, 141 = BStBl. II 1999, 237).

bb) Nur ausnahmsweise ist die eigenhändige Unterschrift innerhalb der Antragsfrist gemäß § 150 Abs. 3 S. 1 Halbs. 2 AO 1977 dann entbehrlich und die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten wirksam, wenn der gesetzliche Vertreter infolge einer längeren Abwesenheit an der rechtzeitigen Unterschriftsleistung gehindert ist (vgl. BFH v. 30.6.1998 – III R 5/97, BFH/NV 1999, 363; in BFHE 187, 141 = BStBl. II 1999, 237).

Der Begriff der "längeren Abwesenheit" wird im Gesetz nicht definiert. § 150 Abs. 3 AO 1977 ist auf Wunsch der Länder in die AO 1977 eingefügt worden. Soweit Einzelsteuergesetze die eigenhändige Unterschrift des Steuerpflichtigen bei Steuererklärungen verlangen, sollte bei der Unterschriftsleistung eine Vertretung nur in besonderen Einzelfällen zulässig sein. § 150 Abs. 3 AO 1977 wurde als lex specialis zu § 80 Abs. 1 AO 1977 verstanden (vgl. Mittelsteiner/Schaumburg, AO 1977, 2. Aufl., S. 250; ferner BFH v. 29.2.2000 – VII R 109/98, BFHE 191, 311 = BStBl. II 2000, 573; vom 7.11.1997 – VI R 45/97, BFHE 184, 381 = BStBl. II 1998, 54).

Bereits § 107 Abs. 1 AO 1977 (vgl. dazu BFH v. 8.6.1971 – VII R 75/68, BFHE 103, 18 = BStBl. II 1971, 726, 727, m.w.N.) räumte in Ausnahmefällen die Möglichkeit ein, sich auch bei der Unterzeichnung von Steuererklärungen vertreten zu lassen. Im Schrifttum wurde zu dieser Vorschrift seinerzeit die Auffassung vertreten, das Tatbestandsmerkmal der "Abwesenheit" sei als "längerer Aufenthalt in weiterer Entfernung", z.B. aufgrund eines Auslandsaufenthalts, einer Geschäftsreise, Kur oder eines Urlaubsaufenthalts zu verstehen. Ein Steuerpflichtiger sollte in einer solchen Situation seine steuerlichen Pflichten durch einen Bevollmächtigten erfüllen lassen können (vgl. Slapio, DStR 1995, 753 [754], m.w.N.). § 150 Abs. 3 AO 1977 hat im Vergleich zu § 166, § 107 AO 1977 die Zulässigkeit einer Stellvertretung bei der Unterzeichnung von Steuererklärungen weiter konkretisiert (vgl. Schuhmann, BB 1977, 692 [693]) und hinsichtlich der Voraussetzung der Abwesenheit die seinerzeit im Schrifttum zu § 107 AO 1977 vertretene Auslegung im Wesentlichen übernommen. In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und ebenso überwiegend im Schrifttum wird dementsprechend die Auffassung vertreten, ein Daueraufenthalt im Ausland bzw. der Wegzug in das Ausland sei als "längere Abwesenheit" zu betrachten (vgl. FG Düsseldorf v. 13.9.1977 – XIII 254/77 L, EFG 1978, 24; FG Berlin v. 8.11.1985 – III 403/83, EFG 1986, 326; FG Niedersachsen v. 27.1.1993 – III 295/88, EFG 1993, 560; FG München v. 21.4.1998 – 2 K 3415/96, EFG 1998, 1102; Tipke/Kruse, aaO, § 150 AO 1977 Tz. 18; Trzaskalik in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 10. Aufl., § 150 AO 1977 Rz. 38).

Im weiteren wird die Ansicht vertreten, § 150 Abs. 3 AO 1977 lasse nicht erkennen, daß insoweit zeitliche oder räumliche Aspekte für die Auslegung maßgebend sein sollten. Zeitlich müsse vielmehr eine Abwesenheit schon dann als länger angesehen werden, wenn sie geeignet sei, die Wahrnehmung steuerlicher Rechte und Pflichten zu gefährden. Insoweit sei einzelfallbezogen zu entscheiden (vgl. Slapio, DStR 1995, 753 [755]). Nicht als entscheidungsrelevant dürften die theoretischen Möglichkeiten gewertet werden, daß der Steuerpflichtige auswärts postalisch erreichbar sei; denn § 150 Abs. 3 S. 1 AO 1977 gebe dem Steuerpflichtigen die Ausschöpfung derartiger Möglichkeiten nicht auf. Dies könne nämlich im Einzelfall auch aus Kostengründen unbillig sein. Ebenso wenig rechtserheblich sei es, daß der Steuerpflichtige nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Erklärung unterschrieben und eingereicht habe. Fristen, die nach dem Gesetzeszweck stets auch Bedenkfristen seien, dürften nämlich bis zum Ende genutzt werden (zum Ganzen Slapio, DStR 1995, 753 [755 und 756], m.w.N.). Zum Teil wird aus der Ermächtigung des FA, die Unterschriftsleistung des gesetzlichen Vertreters nachträglich verlangen zu können (vgl. § 150 Abs. 3 S. 2 AO 1977), auch abgeleitet, die Norm wolle primär vorübergehende Hinderungsgründe erfassen (vgl. Schick, StuW 1988, 301 [317]). Als selbstverständlich wird insoweit allerdings davon ausgegangen, daß ein dauerhafter Hinderungsgrund, wie ein Wegzug ins Ausland, die Unterzeichnung durch den Bevollmächtigten stets rechtfertigt (Hübschmann/Hepp/Spitaler, aaO, § 150 AO 1977 Rz. 38; Tipke/Kruse, aaO, § 150 AO 1977 Tz. 18). Teilweise wird auch einschränkend auf den Gesichtspunkt der Zumutbarkeit abgestellt, z.B. wenn eine relativ kurze Heimfahrt per Auto möglich wäre (vgl. Tipke/Kruse, aaO, § 150 AO 1977 Tz. 18). Einzelne Autoren wollen darüber hinaus den Wortlaut des § 150 Abs. 3 S. 1 AO 1977 einschränkend auslegen. So soll nach Brockmeyer/Klein (AO, 7. Aufl., § 150 Rz. 11) eine kurzfristige Abwesenheit von z.B. zwei Wochen nicht ausreichen. Vielmehr sei es in solchen Fällen Sache des Steuerpflichtigen, die Unterschrift so rechtzeitig zu leisten, daß die Frist eingehalten werden könne (a.A. z.B. FG Sachsen v. 23.5.1996 – 2 K 22/95, EFG 1997, 760 [761], rechtskräftig).

Stöcker (in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 150 AO 1977 Rz. 52) will nicht nur bloße kürzere Abwesenheiten nicht als Hinderungsgrund ausreichen lassen. Vielmehr mache auch eine zeitlich längere Abwesenheit nur in seltenen Ausnahmefällen eine eigenhändige Unterschrift des Erklärungspflichtigen entbehrlich. Denn die längere Abwesenheit verhindere eine eigenhändige Unterschrift des Steuerpflichtigen nur dann, wenn der Erklärungspflichtige postalisch nicht erreichbar sei.

cc) Der Senat geht – jedenfalls für das Investitionszulagenrecht – in Anlehnung an die vorerwähnten Ausführungen von Stöcker davon aus, daß auch bei einer längeren Abwesenheit nicht notwendig eine Verhinderung an der persönlichen Unterschriftsleistung vorliegt, sondern diese nur dann anzunehmen ist, wenn es dem Investor – unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – nicht zuzumuten ist, den Investitionszulagenantrag trotz der Abwesenheit zum Fristende eigenhändig zu unterzeichnen. Ausschlaggebend für dieses strengere Verständnis der Vorschrift ist insbesondere einmal der Umstand, daß der Investitionszulagenantrag wie eine Art Jahreserklärung erst bis zum 30.9. des dem Investitionszulagejahr nachfolgenden Kalenderjahres einzureichen ist. Ferner ist für den Senat der Gesichtspunkt bestimmend, daß die für die Gewährung der Investitionszulage erforderlichen tatsächlichen Erklärungen (als Wissenserklärungen) dem strafrechtlichen Verantwortungsbereich des Antragsberechtigten oder seines gesetzlichen Vertreters zugeordnet sind (BFH in BFHE 188, 182 = BStBl. II 1999, 313), und zum anderen der das Investitionszulagenrecht beherrschende Verfahrensgrundsatz, daß die Antragsvoraussetzungen der Investitionszulage im Interesse der zur Verwirklichung des Förderungszwecks gebotenen raschen Gewährung der Investitionszulage zügig überprüfbar sein müssen (vgl. BFH v. 4.8.1999 – III R 60/97, BFHE 189, 268 = BStBl. II 1999, 791).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist eine eigenhändige Unterzeichnung auch bei längerer Abwesenheit, die der Senat für das Investitionszulagenrecht mit mehr als zwei Wochen annimmt, insbesondere dann zumutbar, wenn der Anspruchsberechtigte oder sein gesetzlicher Vertreter wegen geringer Entfernung den Firmensitz ohne größeren zeitlichen und finanziellen Aufwand aufsuchen kann. Aber auch bei weiterer Entfernung ist es dem Antragsberechtigten im Hinblick darauf, daß es sich beim Investitionszulagenantrag nicht um ein alltägliches, sondern ein langfristig planbares Geschäft handelt, in der Regel zumutbar, eine ordnungsgemäße und fristgerechte Unterzeichnung durch den gesetzlichen Vertreter im Wege entsprechender organisatorischer Maßnahmen sicherzustellen (vgl. o.V. Anmerkung in HFR 1999, 397).

Deshalb ist der gesetzliche Vertreter in der Regel nicht an der eigenhändigen Unterzeichnung verhindert, wenn er sich während einer längeren Abwesenheit im In- oder europäischen Ausland aufhält und postalisch ohne Schwierigkeit erreichbar ist. Im Einzelfall kann sich unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit etwas anderes ergeben, wenn konkret mit Verzögerungen und Verlusten während des Postlaufs zu rechnen ist oder zur Überprüfung des Antrags umfangreiche Unterlagen gesichtet werden müssen (z.B. sehr zahlreiche begünstigte Wirtschaftsgüter).

2. Postalische Erreichbarkeit bei Urlaubs- und Tagungsreise?

a) Das FG hat den unter Beifügung verschiedener Belege unterbreiteten klägerischen Vortrag, der gesetzliche Vertreter der Kl.in, der Alleingesellschafter-Geschäftsführer Steuerberater X, sei vom 6.9. bis 5.10.1995 wegen einer Urlaubs- und Tagungsreise von Berlin abwesend gewesen, als glaubhaft angesehen. Es hat desweiteren angenommen, der gesetzliche Vertreter sei i.S.v. § 150 Abs. 3 S. 1 AO 1977 über längere Zeit ortsabwesend und zum Teil wegen eines Aufenthalts auf einem Segelschiff offenbar auch nicht telefonisch erreichbar gewesen.

Ob der gesetzliche Vertreter noch vor Antritt seiner – nach Aktenlage – möglicherweise bereits längere Zeit vorher geplanten Auslandsreise noch den Investitionszulagenantrag für 1994 hätte fertigen und unterschreiben können, hat das FG ebenso wenig geprüft, wie die weitere Frage, ob der gesetzliche Vertreter der Kl.in in zumutbarer Weise postalisch hätte erreicht werden können, so daß jedenfalls eine Abgabe eines ordnungsgemäß unterzeichneten Investitionszulagenantrags für 1994 noch innerhalb der Antragsfrist möglich gewesen wäre.

Das FG hat zu dem konkreten Ablauf der gesamten Auslandsreise überhaupt keine nachprüfbaren Feststellungen getroffen. Geht man vom Schriftsatz des Prozeßvertreters im finanzgerichtlichen Verfahren v. 13.11.1996 aus, so hielt sich der gesetzliche Vertreter vom 17.9. bis 22.9.1995 in Cannes zwecks Teilnahme am IFA-Kongress auf und war insoweit – wohl vor Antritt der Reise zuverlässig planbar – postalisch erreichbar.

b) Das FG hat – wie im übrigen bereits das FA in der Einspruchsentscheidung v. 12.9.1996 – ebenso wenig nachvollziehbar festgestellt, woraus sich eine Bevollmächtigung der den Investitionszulagenantrag für 1994 unterschreibenden Steuerberaterin O ableiten lassen soll. Der Senat kann nicht beurteilen, ob im Streitfall die Voraussetzungen für die Bestellung eines allgemeinen Vertreters auf vertraglicher, nicht formgebundener Grundlage nach § 69 Abs. 1 S. 1 und 3, Abs. 5, § 72 Abs. 1 StBerG (dazu Gehre, Steuerberatungsgesetz, 4. Aufl., § 69 Rz. 7, 10, 13 und 15) erfüllt sind.

Die Kl.in hat im finanzgerichtlichen Verfahren geltend gemacht, es handele sich bei Frau O um eine Dauervertreterin. Mit der Klageschrift v. 12.10.1996 hatte die Kl.in vorgetragen, die Steuerberaterin sei, wie auch schon vorher in anderen dringenden Fällen, fernmündlich gebeten worden, gemäß schriftlichem Vertretungsvertrag v. 2.4.1990 den Antrag zu unterschreiben. Abgesehen davon, daß das FG den Vertretungsvertrag in keiner Weise konkret in Bezug genommen hat und dementsprechend umso weniger den genauen Inhalt dieses Vertrages festgestellt hat, lässt sich dem in der Investitionszulagenakte befindlichen Vertretungsvertrag allenfalls eine umgekehrte Bevollmächtigung des Steuerberaters X als Vertreter von Steuerberaterin O als Praxisinhaberin entnehmen. Eine auch zumindest wechselseitige Vertretung im Verhinderungsfalle kann gleichfalls nicht aus diesem Vertrag abgeleitet werden.

c) Die Kl.in hat zwar unter dem 6.10.1995, eingegangen beim FA am 9.10.1995, in Kopie den vom gesetzlichen Vertreter der Kl.in unterzeichneten Investitionszulagenantrag für 1994 auf den fernmündlichen Hinweis des FA hin nachgereicht. Dieser Antrag war allerdings erst nach Ablauf der Antragsfrist zwar formwirksam, aber verfristet gestellt worden. Das FA hat von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht offen gelassen, ob die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Ausschlußfrist gemäß § 110 Abs. 1 und 2 AO 1977 i.V.m. § 7 Abs. 1 S. 1 InvZulG 1993 erfüllt sind (vgl. zur Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Antragsfrist als Ausschlußfrist BFH in BFHE 187, 141 = BStBl. II 1999, 237 unter Ziff. 3.; in BFH/NV 1999, 363 unter Ziff. 4.) und dementsprechend auch keine diesbezüglichen Feststellungen getroffen.

3. Keine Entscheidungsreife

Das angefochtene Urteil war danach aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die nach Maßgabe der ausgeführten Rechtsansicht des erkennenden Senats erforderlichen Feststellungen nachholen. – sg –
 
 

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