Sebastian Barta,
Rechtsanwalt, Berlin/Köln*

Transparenz- und Publizität in Unternehmen:
Der Aufsichtsrat soll in Zukunft einfach noch besser aufpassen!

Der Aufsichtsrat hat gegenüber der Gesellschaft die Aufgabe die Geschäftsführung zu überwachen (§ 111 Abs. 1 AktG). Dies gilt ebenso wie für den in der AG zwingenden für den in der Regel in der GmbH fakultativen Aufsichtsrat (§ 52 Abs. 1 GmbHG). Die Kontrolle erstreckt sich neben der Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung auch auf deren Ordnungsmäßigkeit, die eine sinnvolle Organisation insbesondere unter den Gesichtspunkten der Planung und Bilanzierung verlangt, und deren Zweckmäßigkeit, die im Sinne von Wirtschaftlichkeit, d.h. ergebnisorientiert zu verstehen ist.

Stärkung der Aufsichtsratsposition

Im Rahmen der Diskussion um eine Verbesserung der Corporate Governance hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität -- TransPuG (BGBl. I 2002, 2681) neben der im Vordergrund stehenden Inkorporation einer Entsprechungserklärung des Vorstands und des Aufsichtsrats zu den Regelungen des Corporate Governance Kodexes in § 161 AktG die Position des Aufsichtsrat und der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder in der Gesellschaft weiter verstärkt (Zu den einzelnen Änderungen im Überblick schon Wieland-Blöse, GmbHR 2002, R 277). So ist insbesondere die bisher gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG optionale Schaffung von Zustimmungsvorbehalten zu bestimmten Geschäften durch Regelung in der Satzung oder Aufsichtsratsbeschluß zwingend vorzunehmen. Zwar läßt die Neuregelung offen welche Maßnahmen einem Zustimmungsvorbehalt unterfallen sollen, jedoch wird es nicht ausreichen, nur pro forma einen Katalog mit besonders seltenen oder abseitigen Geschäften aufzustellen (RegE, BT-Drucks. 14/8769, S. 17; Ihrig/Wagner, BB 2002, 789 [794]). Vielmehr soll durch diese Neuregelung die präventive Überwachung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat weiter ausgedehnt werden. Der Corporate Governance Kodex der Regierungskommission sieht demnach unter Ziff. 3.3 auch einen Zustimmungsvorbehalt für Geschäfte von grundlegender Bedeutung vor, wozu alle Entscheidungen und Maßnahme gehören sollen, die die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens grundlegend verändern (so insgesamt auch Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. 2002, Rn. 57, 104). Dies dürfte entsprechend auch als allgemeine Richtlinie für die zwingend in jedem Katalog festzulegenden zustimmungspflichtigen Geschäfte gelten (vgl. auch RegE, BT-Drucks. 14/8769, S. 17; Götz, NZG 2002, 599 [602 f.]).

Berichtspflicht des Vorstands

Dieser Aufgabe kann der Aufsichtsrat nur gerecht werden, wenn er über alle hierfür wesentlichen Informationen verfügt. Wie schon mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz in Unternehmen -- KonTraG (BGBl. I 1998, 786) hat der Gesetzgeber hierfür erneut die Berichtspflichten des Vorstands weiter konkretisiert.

Inhalt der Regelberichte

Nach § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG muß der Vorstand in seinen Regelberichten nunmehr neben der beabsichtigten Geschäftspolitik und anderen grundsätzlichen Fragen der Unternehmensplanung auch mitteilen, ob früher berichtete Ziele erreicht worden sind und ggf. Abweichungen hiervon entsprechend begründen. Da diese sog. "follow-up"-Berichterstattung jedoch nach Ansicht des Gesetzgebers auch schon nach altem Recht bestanden hat, soll hiermit nur eine ausdrückliche Klarstellung erreicht werden (RegE, BT-Drucks. 14/8769, S. 13). Ebenfalls nur klarstellenden Charakter hat der neu eingefügte Satz 2 in § 90 Abs. 1 AktG, der bestimmt, daß sich der Bericht auch auf Tochter- und Gemeinschaftsunternehmen (§ 310 Abs. 1 HGB) zu erstrecken hat, wenn die Gesellschaft Mutterunternehmen i.S.d. § 290 Abs. 1 und 2 HGB ist. Der Vorstand soll nicht nur die vorhandenen, sondern sämtliche in erforderlichen und zumutbaren Umfang zu beschaffende Informationen über die Konzerngesellschaften weiterleiten, unabhängig davon, ob im Einzelfall ein Konzernabschluß zu erstellen ist (RegE, BT-Drucks. 14/8769, S. 14).

Anforderungsberichte

Der Vorstand ist aber nicht nur zur Abgabe der Regelberichte verpflichtet, sondern muß gemäß § 90 Abs. 3 S. 1 AktG auch gezielten Auskunftsverlangen des Aufsichtsrats nachkommen. Im Rahmen dieser Anforderungsberichte wird jetzt auch die Rechtsposition des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds gestärkt. Denn während bisher ein solches Verlangen von einem Aufsichtsratsmitglied gegen den Willen des Vorstands nur durchsetzbar war, wenn ein weiteres Aufsichtsratsmitglied das Verlangen unterstützt hat, ist dies nach der Neuregelung des § 90 Abs. 3 S. 2 AktG künftig nicht mehr erforderlich. Der Vorstand kann die Berichterstattung an den Aufsichtsrat auf Verlangen eines Aufsichtsratsmitglieds somit nur noch verweigern, wenn die konkrete Gefahr einer mißbräuchlichen Verwendung der Information besteht (RegE, BT-Drucks. 14/8769, S. 14, so auch Götz, NZG 2002, 599 [601 mwN.]; Eine Zurückweisungsmöglichkeit ganz ablehnend wohl Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl. 2002, Rn. 213).

Form und Zeitpunkt der Berichte

In § 90 Abs. 4 AktG ist nunmehr die Form und der Zeitpunkt der Berichterstattung geregelt. Danach sollen die Berichte "möglichst rechtzeitig" und "in der Regel in Textform" erstattet werden. "Rechtzeitig" bedeutet, daß die Berichte zur Vorbereitung einer Aufsichtsratssitzung zeitlich so übermittelt werden, daß die Aufsichtsratsmitglieder die Möglichkeit haben, sie zu lesen, im übrigen muß die Gelegenheit zu einer Stellungnahme oder sonstigen Reaktion gewährleistet sein (RegE BT-Drucks. 14/8769, S. 15). Der Begriff der Textform verweist auf § 126 b BGB. Durch die Begriffsverwendung "in der Regel" soll hier dem Vorstand jedoch in formaler ebenso wie in zeitlicher Hinsicht ("möglichst rechtzeitig") eine gewisse -- freilich eingeschränkte -- Flexibilität eingeräumt werden, wann und wie er dem Aufsichtsrat Bericht erstattet (RegE, BT-Drucks. 14/8769, S. 14).

Mit dem Informationsanspruch korrelierende Verschwiegenheitspflicht des Aufsichtsrats

Die umfangreiche Information des Aufsichtsrats als Voraussetzung für eine effektive Überwachung der Geschäftsführungstätigkeit des Vorstands erfordert als Korrelat eine Verschwiegenheitsverpflichtung der Aufsichtsratsmitglieder. Um diese dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied stärker vor Augen zu führen, wird in § 116 AktG ein Satz 2 angefügt, wonach die Aufsichtsratsmitglieder "insbesondere zur Verschwiegenheit über erhaltene vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen verpflichtet" sind. Auch diese Neuregelung hat nur klarstellende Funktion und führt nicht zu einer Änderung der bisherigen Rechtslage, da die Aufsichtsratsmitglieder auch bereits nach § 116 a.F. i.V.m § 93 Abs. 1 S. 2 AktG zur Verschwiegenheit verpflichtet waren. Flankiert wird die nur klarstellende Neuregelung des § 116 S. 2 AktG jedoch durch die materiellrechtliche Änderung in § 404 AktG, die den Strafrahmen bei Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht für Organmitglieder börsennotierter Gesellschaften erheblich erweitert. Danach kann nunmehr bei diesen die Verletzung der Geheimhaltungspflicht mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren und bei Handeln gegen Endgeld oder in Schädigungs- oder eigen- oder fremdnützlicher Bereicherungsabsicht mit bis zu drei Jahren geahndet werden.

Fazit

Zwar haben die dargestellten Neuregelungen in weiten Punkten nur einen klarstellenden Charakter zur bisherigen Rechtslage, jedoch kommt eindeutig der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, daß der Aufsichtsrat vom Vorstand umfassend über die Geschäftsdaten des Unternehmens informiert werden soll. Somit wird insgesamt die Position des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder gegenüber dem Vorstand weiter gestärkt, damit die Geschäftsführung mit dem Mittel, das das deutsche Aktienrecht hierfür bietet, möglichst gründlich überwacht werden kann: Der Aufsichtsrat soll in Zukunft einfach noch besser aufpassen!

 

* Sebastian Barta ist Rechtsanwalt in Berlin und Redakteur der Zeitschrift "Die Aktiengesellschaft" in Köln.

 


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