Dr. Volker Römermann,     
Rechtsanwalt, Hamburg/Hannover*

 

MoMiG nimmt erste Hürde im Bundestag -- Rückbesinnungen und "last-minute"-Verschärfungen

 

"Ich glaube, gerade an dieser Stelle ist es durchaus angebracht, dass wir uns selber einmal auf die Schulter klopfen; wir tun dies ja nicht oft", so Daniela Raab, MdB (CDU/CSU) in der Debatte über das MoMiG unmittelbar vor dessen Verabschiedung im Deutschen Bundestag am 26.6.2008 (BT-Plenarprotokoll 16/172 v. 26.6.2008, 18204 D). Es ist vollbracht, das MoMiG ist verabschiedet, am 19.9.2008 wird der Bundesrat aller Voraussicht nach zustimmen und wenn der Bundespräsident rasch unterzeichnet, ist sogar noch an ein Inkrafttreten zum 1.11.2008 zu denken, sonst zum 1.12.2008 oder -- falls sich am Schluss noch einige Gesetzesästheten durchsetzen -- zum 1.1.2009. Die größte Reform seit Bestehen des GmbH-Gesetzes ist damit zum Greifen nahe.

Dem Gesetz liegt in weiten Teilen eine strategische Neuorientierung zugrunde. Die Tendenz geht dahin, zu Beginn der Gesellschaft die Einstiegshürden deutlich herabzusetzen, um dann aber am Schluss umso härter zuzugreifen, wenn im Vorfeld der Insolvenz Vermögen entzogen wird. Ob diese Verlagerung im Ergebnis zu Schutzlücken führen oder umgekehrt übermäßige Haftungsgefahren für Geschäftsführer und -- überwiegend neu -- Gesellschafter begründen wird, wird die weitere Entwicklung zeigen.

 

I. Herabsetzung der Zutrittshürden

Die Herabsetzung von Zutrittshürden ist radikal. Bis zum Referentenentwurf schien sie sich auf "kleine Revolutionen" zu beschränken, dann kam mit dem Regierungsentwurf auf Grundlage von Überlegungen des Abgeordneten Jürgen Gehb der "große Wurf", die Unternehmergesellschaft. Diese "1-Euro-GmbH" oder "Mini-GmbH" ist die deutsche Antwort auf die Limited, Speerspitze des Abwehrkampfs des deutschen Gesellschaftsrechts gegen Ltd., S.A.R.L., S.L. und dergleichen. Ein solches "negatives Entstehungsmotiv", also als Motivation nicht die Schöpfung, sondern die Abwehr, lässt Böses ahnen. Ein ungeliebtes Kind ist die UG, das soll sich nach dem Willen ihrer Schöpfer schon in der Bezeichnung ausdrücken -- "Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)", ein Wortungetüm.

Wenn man es aber einmal nüchtern betrachtet, von den Schwierigkeiten der eigenen Zunge beim Aussprechen von -- wenn man es genau nehmen will -- "UG Klammer auf haftungsbeschränkt Klammer zu" absieht, warum sollte denn der kleine Gründer, warum sollte der Dienstleister ohne großen Kapitalbedarf zu Beginn seiner Aktivitäten nicht in die neue Rechtsform, pardon: in die neue Variante zur GmbH ausweichen? Das "Ansparmodell" ist nicht abschreckend, stellt keine Schlechterstellung gegenüber der GmbH dar. Da das Ansparmodell nur im Falle von Gewinnen die Bildung von Rücklagen vorschreibt, sind scheunentorgroße Manipulationsmöglichkeiten eröffnet. Sie werden im Steuerrecht durch den Rekurs auf die "vGA", die verdeckte Gewinnausschüttung bekämpft. Danach kann steuerlich manches als Gewinn betrachtet werden, was nicht offen als solcher ausgewiesen ist. Darf es solche Fiktionen aber auch im Recht der UG geben, kann eine Haftung aus "Rücklagenersatz" folgen, wenn keine Rücklage gebildet wurde? Und das, obwohl im Zuge derselben Reform auf den "Eigenkapitalersatz" gerade verzichtet wurde, er sei nämlich zu kompliziert und mit Fiktionen und Um-Interpretationen wolle man nicht mehr arbeiten, Darlehen sei nun einmal Darlehen und kein "Eigenkapitalersatz"?

Bis zum 24.6.2008, dem Tage des Berichts des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, konnte man mit ziemlicher Sicherheit von einer baldigen Herabsetzung des Mindeststammkapitals der "klassischen" GmbH von 25.000 € auf 10.000 € rechnen. Angesichts der nur zur Hälfte erforderlichen Anfangszahlung hätte nur noch eine Differenz zwischen 1 € bei der UG und 5.000 € bei der "klassischen" GmbH bestanden. Mancher Gründer wäre dann womöglich doch bei "GmbH classic" geblieben und nicht in "GmbH light" ausgewichen. Erst im Rechtsausschuss setzte sich die Auffassung durch, dass angesichts der UG kein Bedürfnis mehr für eine Herabsetzung des "allgemeinen" Mindeststammkapitals bestünde. Um mit den Worten des UG-Erfinders Jürgen Gehb zu sprechen: "Denn aufgrund des Angebots einer Einstiegsvariante war ein `Herumfummeln` an der Stellschraube Stammkapital -- nach dem Motto: 25.000 €, 10.000 €, 5.000 €; wer bietet mehr, wer bietet weniger? -- gar nicht mehr nötig." (BT-Plenarprotokoll 16/172 v. 26.6.2008, 18194 C).

"... Einstiegsvariante ..."? Sicher, die UG erleichtert den Einstieg in die haftungsbeschränkte Rechtsform beträchtlich. Aber ist "Einstieg" nicht etwas Punktuelles, Vorübergehendes, eine bloße Vorphase? Für die UG aber gibt es kein Verfallsdatum. Sie kann und wird in vielen Fällen Ein- und Ausstieg zugleich bedeuten. Neben kapitalarmen Dienstleistungsbetrieben wird der künftige Hauptanwendungsfall die UG & Co. KG sein. Das bisherige Problem der GmbH & Co. KG bestand doch darin, dass in der Komplementär-GmbH typischerweise -- etwas vereinfachend ausgedrückt -- 25.000 € gebunden waren und nutzlos herumlagen. Man versuchte nun, dieses Geld irgendwie zur operativ tätigen KG herüberzuziehen, um dort damit zu arbeiten. Das war schon immer brandgefährlich, und der BGH hat dieser Art der Eigenkapitalrückgewähr am 10.12.2007 endgültig den Garaus gemacht (BGH v. 10.12.2007 -- II ZR 180/06, GmbHR 2008, 203 m. Komm. Rohde). Das Problem könnte durch die Neufassung der §§ 19 und 30 GmbHG mit ihrer "Rückkehr zur bilanziellen Betrachtungsweise" weitgehend entschärft sein; endgültig gelöst wird es durch die UG. Wozu sollte der Gründer, wozu sein Berater noch das geringste Risiko auf sich nehmen, wenn die UG als Komplementärin eine dauerhaft befriedigende Lösung verspricht?

 

II. Musterprotokoll

Eine weitere Erleichterung der Gründung bietet das "Musterprotokoll". Wenn eine GmbH/UG durch maximal drei Gesellschafter unter Bestellung von einem Geschäftsführer gegründet werden soll, darf künftig kostensparend ein Formular verwandt werden, das dem GmbH-Gesetz als amtliche Anlage beigefügt wird. Entgegen ursprünglichen Planungen konnten sich in "letzter Minute", also im Rechtsausschuss noch die Stimmen durchsetzen, die an einer Beurkundungspflicht durch einen Notar festhalten wollten. Eine echte Konkurrenz des Gesetzgebers zu den gängigen Musterformularbüchern müssen die juristischen Fachverlage wohl nicht befürchten. Dass der Gesetzgeber nicht unbedingt ein Meister auf dem Gebiet der Vertragsgestaltung ist, weiß man spätestens seit der tragik-komischen Geschichte der BGB-InfoVO (vgl. nur Föhlisch, MMR 2007, 139; das BMJ versucht es gerade neu, 3. ÄnderungsVO v. 4.3.2008, BGBl. I 2008, 292). Das "Musterprotokoll" besteht nur aus wenigen Klauseln, die zum Teil zu viel (zwingende Befreiung auch des Fremd-Geschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB), überwiegend aber zu wenig enthalten (noch nicht einmal die Formalien des BeurkG werden vollständig erwähnt; essentielle Regeln wie etwa Kündigungsmöglichkeiten und Abfindung fehlen ganz). Vieles im Musterprotokoll ist zwingend, die "Hinweise" des Notars allerdings nicht. So kann zukünftig jeder Notar neben seinen Standard-Belehrungen auch Hinweise auf Risiken und Nebenwirkungen der Verwendung des gesetzlichen Musters aufnehmen.

Die zahlenmäßigen Gründungsvoraussetzungen bei Verwendung des Musterprotokolls sind bemerkenswert. Es könnte so scheinen, als sollte nur "kleinen" Unternehmen die Gründung per Formular vorbehalten sein. "Klein" bezieht sich aber jedenfalls nicht auf die Kapitalausstattung, die ist nämlich nicht nach oben begrenzt. "Klein" wäre ausschließlich die Zahl der Gesellschafter (max. 3) und Geschäftsführer (genau 1). Das könnte -- jedenfalls irgendeinen -- Sinn ergeben, wenn man eine Gestaltung wie bei der "Mustersatzung" nach dem Referenten- und Regierungsentwurf gewählt hätte, wo für die "Ewigkeit" ein gewisser Rahmen vorgegeben war. Darauf hat man bei der Mustersatzung verzichtet, noch nicht einmal eine "Schamfrist" ist vorgesehen. Unmittelbar nach der Eintragung können somit neue Geschäftsführer bestellt, Gesellschafter aufgenommen werden. Wozu dann dieses "Nadelöhr" Musterprotokoll, durch das die Gesellschaft kostensparend gehen darf?

"Notarkosten sparen" muss eines der Anliegen bei der Einführung des Musterprotokolls gewesen sein. Noch in der Planar-Debatte am 26.6.2008 bedauert der CDU/CSU-Abgeordnete Andreas G. Lämmel, von Beruf Konditor, dass sich die Mustersatzung nicht durchsetzen ließ. Sie hätte "viele Kosten, auch Beratungskosten, gespart" (BT-Plenarprotokoll 16/172 v. 26.6.2008, 18202 C). Wer nachrechnet, kommt insgesamt auf den Gegenwert von ca. fünf Stück Torte ohne Sahne, ausgehend von der 1-Euro-UG. Der Notar verzichtet zukünftig vermutlich freiwillig auf seine Teestunde, wenn er sich diese denn jemals hätte gönnen können, denn er bekommt zwar weniger Geld, muss aber nicht weniger arbeiten. Die Belehrungspflichten gegenüber Billig-Gründern werden nämlich nicht gekürzt, fallen etwa im Hinblick auf Risiken des Musterprotokolls im Zweifel sogar intensiver aus als wäre gleich ein Mustervertrag lege artis verwendet worden.

 

III. "Last-minute"-Verschärfungen

Zwei "last-minute"-Verschärfungen, die bislang wenig diskutiert und möglicherweise auch noch nicht sehr intensiv durchdacht wurden, sollen nicht unerwähnt bleiben. Bekanntlich sollen die verdeckte Sacheinlage und das "Hin- und Herzahlen" zukünftig durch eine "bilanzielle Betrachtungsweise" erleichtert werden. Das "Hin- und Herzahlen" ist allerdings nach § 19 Abs. 5 S. 2 GmbHG bei der Anmeldung der Gesellschaft anzugeben. Das Registergericht soll nun also doch (in die Lage versetzt werden, zu) prüfen, ob der Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter vollwertig ist.

Nach § 6 Abs. 5 GmbHG haften zukünftig Gesellschafter, die einer eigentlich vom Amt des Geschäftsführers ausgeschlossenen Person die Geschäftsführung "überlassen", für den Schaden, der dadurch entsteht, dass diese Person die ihr gegenüber der Gesellschaft bestehenden "Obliegenheiten" verletzt. Beide Tatbestandsmerkmale wären einer näheren Untersuchung wert, die hier aus Raumgründen nicht möglich ist (dazu in Kürze Römermann in Römermann/Wachter [Hrsg.], GmbH-Beratung nach dem MoMiG, Sonderheft der GmbHR 2008, Kap. 6). Der einzelne Gesellschafter hat nämlich weder eine direkte Rechtsbeziehung zum GmbH-Geschäftsführer noch kann er die GmbH gegenüber Außenstehenden vertreten. Man wird von ihm daher allenfalls ein Bemühen um Herbeiführung einer Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung verlangen dürfen. "Obliegenheiten" sind keine Pflichten gegenüber anderen, etwa der GmbH, sondern ihre Befolgung liegt nur im eigenen Interesse der betreffenden Person. Auch der Schein-Geschäftsführer unterliegt regelmäßig (ggf. vor-)vertraglichen Schutzpflichten gegenüber der GmbH, so dass man darauf wohl hätte abstellen können, aber wo sollte ein eigenes Interesse der Person sein?

Auch das MoMiG wird sich nahtlos in die übliche Reihe gesetzlicher "Vereinfachungen" einfügen: Alte Fragen und Probleme verschwinden, neue Fragen und Probleme entstehen.

 

 

*              Kanzlei Römermann Rechtsanwälte.

 



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