Dr. Franz Bielefeld / Jennifer Semer,               
Rechtsanwälte, München*

 

Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz -- Ein wirksames Instrument im Kampf gegen "Steueroasen"?

 

Die jüngsten grenzüberschreitenden Steuerhinterziehungsskandale haben es einmal mehr gezeigt: Der deutsche Fiskus verliert Einnahmen, indem Steuerpflichtige ihr Geld in "Steueroasen" anlegen. Im Kampf dagegen  hat Deutschland nun aufgerüstet und ihnen das sog. Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz gewidmet. Die Verkündung im Bundesgesetzblatt ist am 31.7.2009 erfolgt (BGBl. I 2009, 2302 ff.). in Kraft getreten ist es am 1.8.2009. Hier wird zunächst erläutert, was der Gesetzgeber unter einer "Steueroase" versteht (I.), ehe seine neuesten Instrumente zur Bekämpfung der Einnahmeverluste dargestellt werden (II.) und der Frage nachgegangen wird, welche Instrumente hiervon greifen (III.).

 

I. Was ist eine "Steueroase"?

Eine "Steueroase" macht der Gesetzgeber an einem unzureichenden Informationsaustausch fest. Erhält der deutsche Fiskus von einem Land nicht alle Informationen, die er für eine zutreffende Besteuerung als erforderlich ansieht, darf der Fiskus seine Taktik ändern. Das Informationsdefizit kann in erhöhte Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen umgemünzt werden.

Es gilt die Regel: Je mehr Informationen der ausländische Staat erteilt, desto geringer sind die Mitwirkungspflichten der deutschen Steuerpflichtigen. Keine erhöhten Nachweis- und Mitwirkungspflichten treffen daher Steuerpflichtige, die Geschäftsbeziehungen zu einem Staat unterhalten,

Von einer Bereitschaft zur Auskunftserteilung darf nach der Gesetzesbegründung ausgegangen werden, wenn der Staat "zeitnah" Maßnahmen zur Umsetzung des OECD-Standards einleitet, z.B. durch Aufnahme von Gesprächen zum Abschluss einer bilateralen Vereinbarung.

Der OECD-Standard zum Auskunftsaustausch stützt sich auf zwei Pfeiler: Zum einen erlaubt er den Vertragsstaaten, sämtliche Informationen auszutauschen, die für die Besteuerung im auskunftsbegehrenden Staat von Bedeutung sind. Zum anderen dürfen dem Auskunftsbegehren weder das Steuergeheimnis noch das Bankgeheimnis entgegengehalten werden (Art. 26 Abs. 1 u. 5 OECD-MA 2005).

 

II. Wichtigste Regelungen des Gesetzes

Das Gesetz lässt sich in zwei Komplexe aufteilen: Zum einen enthält es Regelungen, die an die Geschäftsbeziehungen mit "Steueroasen" anknüpfen (1.). Diese Regelungen entfalten noch keine unmittelbare Wirkung, sondern dienen als Ermächtigungsgrundlage für eine noch zu erlassende Rechtsverordnung der Bundesregierung. Zum anderen normiert das Gesetz erweiterte Prüfungsrechte der Finanzbehörden und Mitwirkungspflichten von Steuerpflichtigen (2.). Diese Regelungen bedürfen zwar keiner Umsetzung, wann sie jedoch erstmals anzuwenden sind, bestimmt die Bundesregierung ebenfalls durch Rechtsverordnung. Der Erlass der Verordnung war bei Redaktionsschluss für den 5.8.2009 geplant.

 

1. Regelungen mit Umsetzung über Rechtsverordnung

Das Gesetz ermächtigt die Bundesregierung, mit Zustimmung des Bundesrates eine Rechtsverordnung zu erlassen, die Steuerpflichtigen erhöhte Nachweis- und Mitwirkungspflichten auferlegt. Voraussetzung hierfür ist, dass diese Steuerpflichtigen Geschäftsbeziehungen zu einem anderen Staat oder Gebiet unterhalten, das den OECD-Standard zum Auskunftsaustausch nicht einhält (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 f] EStG). Kommt der Steuerpflichtige den erhöhten Mitwirkungspflichten nicht nach, kann die Bundesregierung die Anwendung bestimmter steuerlich günstiger Normen einschränken oder verweigern.

 

a) Einschränkung des Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzugs

Investiert ein Steuerpflichtiger in einer "Steueroase", kann die Bundesregierung den Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug einschränken oder versagen, wenn der Steuerpflichtige die -- noch konkret zu bestimmenden -- erhöhten Mitwirkungs- und Nachweispflichten nicht erbringt (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 f] aa] EStG). Die besonderen Pflichten können sich erstrecken auf:

 

b) Einschränkung der Quellensteuerentlastung

Die Bundesregierung kann bei Ausschüttungen an eine Gesellschaft mit Sitz in einer "Steueroase" die Entlastung von Kapitalertragsteuer und Abzugsteuer teilweise oder ganz versagen, wenn die ausländische Gesellschaft nicht die Ansässigkeit der an ihr unmittelbar und mittelbar mit mehr als 10 % beteiligten natürlichen Personen darlegen und nachweisen kann (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 f] bb] EStG).

 

c) Einschränkung der Anwendung der Abgeltungsteuer und des Teileinkünfteverfahrens

Die Anwendung der Abgeltungsteuer bzw. des Teileinkünfteverfahrens bei Einnahmen, die aus einer "Steueroase" stammen, kann die Bundesregierung künftig davon abhängig machen, ob der Steuerpflichtige die Finanzbehörden ermächtigt, in seinem Namen Auskunftsansprüche gegenüber Kreditinstituten geltend zu machen (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 f] cc] EStG).

 

d) Einschränkung des Schachtelprivilegs

Auch die Anwendung von nationalen und internationalen Schachtelprivilegien (in DBAs), d.h. die Steuerbefreiung von Dividenden und Veräußerungsgewinnen, die einer deutschen Kapitalgesellschaft aus der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in einer "Steueroase" zufließen, kann die Bundesregierung von der Erfüllung weiterer Nachweis- und Mitwirkungspflichten abhängig machen (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 e] KStG). Explizit bezieht sich das Gesetz dabei auf die Angemessenheit der zwischen nahe stehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG in ihren Geschäftsbeziehungen vereinbarten Bedingungen und die Bevollmächtigung der Finanzbehörde, Auskunftsansprüche gegenüber Kreditinstituten geltend zu machen.

 

2. Ergänzung geltender Regelungen

Neben den Regelungen, die erst noch durch eine Rechtsverordnung umzusetzen sind, enthält das Gesetz auch einige unmittelbar geltende gesetzliche Regelungen zum Kampf gegen "Steueroasen".

 

a) Erweiterte Mitwirkungspflichten

Geben "objektiv erkennbare Anhaltspunkte" Anlass zu der Annahme, der Steuerpflichtige verfüge über Geschäftsbeziehungen zu Finanzinstituten in einer "Steueroase", können die Finanzbehörden den Steuerpflichtigen nunmehr auffordern, die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides statt zu versichern. Die Abgabe kann jedoch nicht durch Zwangsmittel wie Zwangsgeld oder unmittelbarem Zwang vollstreckt werden (§ 90 Abs. 2 S. 3 AO). Außerdem können die Finanzbehörden eine Vollmacht verlangen, die sie berechtigt, im Namen des Steuerpflichtigen mögliche Auskunftsansprüche gegenüber Kreditinstituten geltend zu machen.

 

b) Erweiterte Aufbewahrungspflichten

Unabhängig von dem Investitionsstandort müssen Steuerpflichtige, die im Kalenderjahr Überschusseinkünfte i.H.v. mehr als 500 T€ erzielen, künftig die Aufzeichnungen und Unterlagen über die Einnahmen und Werbungskosten sechs Jahre lang aufbewahren (§ 147a AO). Auch Steuerpflichtige, die ihren erweiterten Mitwirkungspflichten gemäß § 90 Abs. 2 S. 3 AO nicht nachgekommen sind, können die Finanzbehörden für die Zukunft zur Aufbewahrung der vorstehend genannten Unterlagen verpflichten.

 

c) Erweiterte Schätzungsbefugnis

Bei Verletzung der Mitwirkungspflichten gemäß § 90 Abs. 2 S. 3 AO können die Finanzbehörden außerdem die Einkünfte des Steuerpflichtigen aus "Steueroasen" schätzen. Gemäß § 162 Abs. 2 S. 3 AO wird widerlegbar vermutet, dass der Betroffene steuerpflichtige Einkünfte aus einer "Steueroase" erzielt hat oder die Einkünfte aus "Steueroasen" höher als die erklärten Einkünfte sind.

 

d) Erweiterte Außenprüfungsmöglichkeiten

Überschusseinkünfte i.H.v. mehr als 500 T€ führen künftig nicht nur zu besonderen Aufbewahrungspflichten, sie eröffnen den Finanzbehörden auch die Möglichkeit, eine Außenprüfung ohne besondere Begründung anzuordnen (§ 193 Abs. 1 AO i.V.m. § 147a AO). Dies gilt auch für Steuerpflichtige, die ihre Mitwirkungspflichten gemäß § 90 Abs. 2 S. 3 AO nicht erfüllt haben (§ 193 Abs. 2 Nr. 3 AO).

 

III. Instrument gegen "Steueroasen"

Ziel des Gesetzes ist es, "Steueroasen" auszutrocknen und die Steuerflucht einzudämmen. Die meisten Regelungen, die "Steueroasen" betreffen, müssen jedoch erst durch eine Rechtsverordnung umgesetzt und konkretisiert werden. Zunächst sind die erweiterten Nachweis- und Mitwirkungspflichten sowie die Einschränkung bzw. Versagung von Steuervorteilen ein Druckmittel, um die "Steueroasen" zu einem effektiven Informationsaustausch zu bewegen.

Bisher scheint das Druckmittel erfolgreich gewesen zu sein. Denn die "schwarze Liste" der OECD ist inzwischen leer (http://www.oecd.org/dataoecd/50/0/42704399.pdf). Die zuletzt als "Steueroasen" qualifizierten Länder, Costa Rica, Malaysia, die Philippinen und Uruguay, haben wie zuvor auch die Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg, Monaco und Österreich einen umfassenden Informationsaustausch angekündigt.

Das drängt die Frage auf, ob das Gesetz überhaupt noch erforderlich ist. Wenn nämlich bereits die Bereitschaft zum Informationsaustausch ausreicht, um zu verhindern, dass erhöhte Nachweis- und Aufzeichnungspflichten gefordert werden, fehlt auch der Anlass für eine Rechtsverordnung. Die Antwort auf diese Frage gibt die Begründung zum Gesetzesentwurf v. 22.5.2009, die erstmals definiert, was "Bereitschaft, Auskünfte zu erteilen" bedeutet: neben der bloßen Erklärung wird auch eine zeitnahe Umsetzung gefordert. Dieses Nachjustieren in der Gesetzesbegründung offenbart, dass das Gesetz als Druckmittel dienen soll, damit es nicht nur bei den Versprechungen der "Steueroasen" über einen künftigen Auskunftsaustausch bleibt. Nicht das Gesetz, das auf erhebliche rechtliche Bedenken stößt, sondern die Drohung seiner Umsetzung ist Deutschlands Instrument im Kampf gegen "Steueroasen".

*              RP Richter & Partner.




Zurück