Dr. Wolfgang Lingemann, Köln*
Die gesetzliche Neuauflage der "Giftliste"
Nachdem von dem ursprünglichen Katalog der "Grausamkeiten" des
sog. Steuervergünstigungsabbaugesetzes nur noch ein zerrupftes Torso
und eine Protokollerklärung der Bundesregierung übrig geblieben
waren (dazu Friedrich Merz, GmbHR 2003, R 161 und Wiese/Klass, GmbHR 2003,
557), welche Steuererhöhungsmaßnahmen weiter verfolgt werden
sollten, staunte die Fachwelt nicht schlecht, daß sich in dem auf
der Internetseite des BMF bekanntgegebenen "Referentenentwurf eines Steueränderungsgesetzes
2003" kaum Gegenfinanzierungsmaßnahmen zu der verheißenen ESt.-Tarifsenkung
2004 wiederfanden. Doch zu früh gefreut: In einem weiteren Gesetzentwurf
der Bundesregierung, dessen Existenz zunächst im BMF bestritten wurde,
obwohl er unter der Beraterschaft bereits die Runde machte, kommen jetzt
weitere Änderungen der Unternehmensbesteuerung auf den Tisch: Es geht
um nichts weniger als die Neugestaltung des geltenden Verlustverrechnungssystems,
Einschränkungen des Verlustabzugs bei stillen Gesellschaftern, die
"Vereinheitlichung" des Betriebsausgabenabzugsverbots bei Dividenden und
Veräußerungsgewinnen und eine Ausdehnung der Beschränkungen
der Gesellschafter-Fremdfinanzierung auch auf Inländer. Hinzu kommen
Mißbrauchsbekämpfungsregelungen bei der Tonnagesteuer und im
Bereich des Außensteuergesetzes. Was im wesentlichen im Referentenentwurf
enthalten ist, das wird durch den handlichen Titel "Gesetz zur Umsetzung
der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung
zum Steuervergünstigungsabbaugesetz" kaschiert. Die erwarteten Mehreinnahmen
sollen sich in 2004 auf 812 Mio. Euro, in 2005 auf 1.527 Mio. Euro, in
2006 auf 1.899 Mio. Euro und in 2007 auf 1.950 Mio. Euro belaufen; wer
redet da noch von Steuersenkungen? Die Ministerpräsidenten der unionsgeführten
Bundesländer haben bereits ihren Widerstand gegen das Gesetz im Bundesrat
angekündigt. Doch ich wette, daß eine abgewandelte Version des
Entwurfs aus fiskalischer Not auch im Bundesgesetzblatt erscheinen wird.
I. Die alte Mindestbesteuerung soll fallen!
Immerhin: Durch einen einzigen Federstrich beseitigt der Gesetzgeber
ganze Bibliotheken von Doktorarbeiten, Kommentaren und Aufsätzen zur
Unverständlichkeit der sog. Mindestbesteuerung des § 2 Abs. 3
EStG. Worüber in der Literatur und Praxis beredte Klage geführt
worden ist (z.B. Raupach/Böckstiegel, FR 1999, 487 ff., 557 ff., 617
ff.), das braucht in Zukunft nicht mehr zu schrecken: Die Sätze 2
bis 8 des § 2 Abs. 3 EStG werden gestrichen! Daher sind künftig
ab 2004 innerhalb eines Veranlagungszeitraums Verluste wieder uneingeschränkt
zwischen verschiedenen Einkunftsarten ausgleichbar. Entsprechend dieser
Einsicht entfallen auch die bisherigen Regelungen in § 10d Abs. 1
und 2 EStG, allerdings wird der Verlustvortrag auf die Hälfte des
Gesamtbetrags der Einkünfte beschränkt, um ihn zeitlich zu strecken,
sog. Mindestbesteuerung, ein neuer alter Begriff. Dadurch werden zukünftig
auch Steuerpflichtige erfaßt, die nur Einkünfte aus einer Einkunftsart
erzielen. Als sog. Mittelstandskomponente können Verluste bis zur
Höhe von 100.000 Euro uneingeschränkt vorgetragen werden, bei
zusammenveranlagten Ehegatten bis zu 200.000 Euro. Die nach den Einkunftsarten
getrennte Feststellung von verbleibenden Verlustvorträgen ist nicht
mehr notwendig.
II. Einschränkung des Verlustabzugs beim stillen Gesellschafter
Durch Neuregelung in § 15 Abs. 4 S. 6 bis 8 EStG-E wird nun verhindert,
daß sich von Kapitalgesellschaften erwirtschaftete Verluste über
stille Beteiligungen bei anderen Kapitalgesellschaften steuermindernd auswirken
können. Verluste aus stillen Beteiligungen, nicht jedoch der Verlust
der Beteiligung selbst, sind nur dann sofort abziehbar, soweit der Verlust
auf Mitunternehmer oder Beteiligte entfällt, die natürliche Personen
sind. Damit soll die Zwischenschaltung von Personengesellschaften bei stillen
Beteiligungen ausgeschaltet werden.
III. Änderung und Verschärfung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung
Mit der Lankhorst-Hohorst-Entscheidung des EuGH hat dieser die bisherige
Schlechterstellung von EU-ausländischen Anteilseignern bei §
8a KStG beanstandet (EuGH v. 12.12.2002 -- Rs. C-324/00, GmbHR 2003, 44)
und den deutschen Gesetzgeber zu einer Reaktion gezwungen, die nun in einer
Gleichbehandlung der Inländer mit den Ausländern bestehen soll.
Der Gesetzgeber schickt sich darüber hinaus aber an, die ganze Gesellschafter-Fremdfinanzierung
neu aufzubauen und dabei gegen unerwünschte Gestaltungen der Praxis
vorzugehen. Wegen der "Gestaltungsanfälligkeit" des bisher geltenden
§ 8a KStG durch die Zwischenschaltung von Personengesellschaften wird
dieser jetzt so neu formuliert, daß diese Gestaltung in Zukunft nicht
mehr funktioniert.
Der Anwendungsbereich des § 8a KStG wird auch auf beschränkt
steuerpflichtige Kapitalgesellschaften und auf solche ausgedehnt, die nur
nach Typenvergleich einer Körperschaft i.S.d. § 1 Abs. 1 KStG
entsprechen (§ 8a Abs. 1 KStG-E). In § 8a Abs. 2 KStG-E wird
die Vorschrift auf Vergütungen für die Überlassung von materiellen
oder immateriellen Wirtschaftsgütern erweitert. Dabei wird der Finanzierungsanteil
in den Vergütungen mit 75 % für unbewegliche Sachen und mit 25
% für alle anderen Wirtschaftsgüter und Rechte pauschal festgeschrieben.
Der Drittvergleich ist möglich, und eine Umqualifizierung der Vergütung
in eine verdeckte Gewinnausschüttung erfolgt für Beträge
unter 50.000 Euro nicht. Die überlassenen Wirtschaftsgüter werden
mit dem gemeinen Wert bewertet. Für Fälle, in denen keine Buchführungspflicht
nach dem HGB besteht, z.B. bei beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften,
sollen für die Ermittlung des anteiligen Eigenkapitals die Vorschriften
des HGB sinngemäß angewendet werden. Im neuen § 8a Abs.
5 KStG-E wird das Holdingprivileg faktisch abgeschafft, indem der erweiterte
Safe-haven nicht mehr vorgesehen ist. Für Holdinggesellschaften wird
lediglich das Eigenkapital nicht um den Buchwert der Beteiligungen am Grund-
oder Stammkapital einer Kapitalgesellschaft gemindert. § 8a Abs. 6
KStG-E dehnt den Geltungsbereich der Vorschrift auf die Fälle aus,
in denen nicht einer Kapitalgesellschaft, sondern einer Personengesellschaft
das Fremdkapital oder die Wirtschaftsgüter überlassen werden
und der der Kapitalgesellschaft zuzurechnende Anteil der Einkünfte
aus der Personengesellschaft um die Vergütungen gemindert wurde. Schließlich
wird eine Mißbrauchsregelung für fremdfinanzierte Anteilsverkäufe
innerhalb eines Konzerns hinzugefügt, die der Verbesserung des Eigenkapitals
durch nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfreie Anteilsverkäufe einen
Riegel vorschiebt (§ 8a Abs. 7 KStG-E). Verdeckte Gewinnausschüttungen
aufgrund von § 8a KStG-E sind nach der im Entwurf zur Reform des Gewerbesteuergesetzes
geplanten Streichung von § 9 Nr. 10 GewStG dann -- anders als bisher
-- nicht mehr gewerbesteuerfrei, sondern gewerbesteuerpflichtig.
IV. Teilweiser Zurückmarsch bei § 8b KStG
Bisher waren bei Beteiligungen von Körperschaften an anderen Körperschaften
Betriebsausgaben bis auf 5 % der Gewinnausschüttung einer ausländischen
Körperschaft nicht abziehbar (§ 8b Abs. 5 KStG). Bei Gewinnausschüttungen
inländischer Körperschaften waren Betriebsausgaben gem. §
8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 3c Abs. 1 EStG bis zur Höhe des Ausschüttungsbetrags
nicht abziehbar, was durch Ballooning umgangen werden konnte. Nach dem
neuen Gesetzentwurf soll das pauschale Betriebsausgaben-Abzugsverbot von
5 % auch auf inländische Gewinnausschüttungen und auf Veräußerungsgewinne
aus inländischen Kapitalgesellschaftsanteilen angewendet werden. Die
Regelung gilt ferner auch für Gewinne aus Wertaufholungen i.S.v. §
6 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 EStG. Das bisherige Abzugsverbot für Gewinnminderungen
(insbesondere Veräußerungsverluste und Teilwertabschreibungen),
die mit dem Kapitalgesellschaftsanteil in Zusammenhang stehen, soll von
den Neuregelungen nicht berührt werden. Eine Saldierung der im gesamten
Veranlagungszeitraum erzielten Gewinne mit Gewinnminderungen ist ausgeschlossen.
Schließlich soll redaktionell in einem neuen § 8b Abs. 4 S.
3 KStG-E klargestellt werden, daß Teilwertabschreibungen und Veräußerungsverluste
auch dann nach § 8b Abs. 3 S. 2 KStG-E nicht berücksichtigt werden,
wenn die Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile innerhalb
der 7-Jahresfrist steuerpflichtig wäre.
V. Mißbrauchsregelungen bei der Tonnagesteuer
Bei der Tonnagesteuer wird ein neues Betriebsausgaben-Abzugsverbot
von Aufwendungen eingeführt, die mit der Zuwendung von nicht einlagefähigen
Vorteilen an natürliche oder juristische Personen oder Personengesellschaften
zur Verwendung in solchen Betrieben zusammenhängen, die ihren Gewinn
nach der Tonnage ermitteln. Damit soll Gestaltungen entgegengewirkt werden,
die künstlich Betriebsausgaben von Betriebseinnahmen trennen, um allein
die Einnahmen nach der günstigeren Tonnagebesteuerung zu versteuern
und die Betriebsausgaben im Wege der kapitalistischen Betriebsaufspaltung
bei der Besitz-Kapitalgesellschaft voll zum Abzug zu bringen.
VI. Korrekturen des Außensteuergesetzes
Zunächst wird nun festgelegt, daß die Vorschriften des AStG
auch dann anwendbar bleiben, wenn die Besteuerung nach dem AuslInvestmG
aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens ausgeschlossen ist. Hierbei
handelt es sich um die Fälle des DBA-Schachtelprivilegs. Ferner wird
beim sog. "Dienensstatbestand" eingegriffen: Dieser ist zukünftig
nur dann gegeben, wenn die Tätigkeit der Untergesellschaft in einem
unmittelbaren Zusammenhang mit der aktiven Tätigkeit der Obergesellschaft
steht, d.h. zu ihr einen direkten Bezug hat. Das ist nicht der Fall, wenn
zwischen beiden Gesellschaften kein aufeinander abgestimmtes Geschäft
besteht. Ganz ausgeschlossen wird ein "Dienen" für Einkünfte
mit Kapitalanlagecharakter i.S.v. § 7 Abs. 6a AStG. Die Änderungen
sollen schon für Einkünfte gelten, die in einem Wirtschaftsjahr
der Zwischengesellschaft oder Betriebsstätte entstanden sind, das
nach dem 31.12.2002 beginnt.
* Schriftleiter der Finanz-Rundschau.