Dr. Ulrich Krämer, Gießen

Bundesregierung plant verjährungsrechtliche Änderungen im GmbH-Gesetz

Gut zweieinhalb Jahre nach der Reform des BGB-Verjährungsrechts durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nimmt der Gesetzgeber mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts v. 25.5.2004 (Volltext (PDF-Dokument)) auch die Überarbeitung der bislang weitgehend unberührt gebliebenen Verjährungsregelungen der privatrechtlichen Spezialgesetze in Angriff. Handlungsbedarf wird vor allem bei den zumeist relativ kurzen Verjährungsfristen gesehen, deren Zweck in erster Linie darin bestand, die als zu lang empfundene dreißigjährige Regelfrist des § 195 BGB a.F. zu verdrängen. Mit der Umstellung auf die dreijährige Regelfrist des § 195 BGB ist das Motiv für diese Sonderregelungen entfallen. Demzufolge sieht der Entwurf vor, daß die meisten spezialgesetzlichen Ansprüche zukünftig der Regelverjährung gemäß § 195, § 199 BGB unterliegen sollen (vgl. Entwurfsbegründung S. 16 ff.).

I. Besonderheiten im Kapitalgesellschaftsrecht

Die Frist des § 195 BGB beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluß des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müßte. Der Gläubiger erhält somit in aller Regel eine "faire Chance" zur Durchsetzung seines Anspruchs, da der Verjährungsbeginn letztlich von seinem Kenntnisstand abhängt.

Für den Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht eignet sich dieses Konzept jedoch nicht. Zwar dienen die Ansprüche aus Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung -- gleichsam als Gegengewicht zur fehlenden persönlichen Haftung der Gesellschafter -- dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger. Formal anspruchsberechtigt ist jedoch die Gesellschaft, welcher die praktisch immer vorhandene Kenntnis ihrer Organe von der beeinträchtigenden Vermögensverschiebung über § 166 Abs. 1 BGB zugerechnet werden würde. Demgegenüber dürften die insoweit "außenstehenden" Gesellschaftsgläubiger zumeist weder von den anspruchsbegründenden Tatsachen noch der Person des Schuldners Kenntnis haben. Der gläubigerfreundlich ausgestaltete Beginn der Regelverjährung hätte somit die Benachteiligung der eigentlich Schutzbedürftigen zur Folge, da die Frist ohne deren Wissen frühzeitig ablaufen kann (vgl. Entwurfsbegründung S. 19 f.).

Als Konsequenz hieraus bestimmt der Entwurf, daß zukünftig Ansprüche aus Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung im Aktien-, GmbH- und Genossenschaftsrecht einer einheitlichen Zehnjahresfrist unterliegen sollen, die im Regelfall mit der Entstehung des Anspruchs beginnt. Sedes materiae im GmbHG sind damit § 9 Abs. 2, § 19 Abs. 6, § 31 Abs. 5 und Abs. 6 S. 2 sowie § 55 Abs. 4 GmbHG-E. Verjährungssystematisch entspricht dies der Regelung in § 199 Abs. 4 BGB, auf die auch ausdrücklich Bezug genommen wird (Entwurfsbegründung S. 20).

Beibehalten werden dagegen die besonderen Verjährungsvorschriften für die Haftung von Gründern, Organen und Mitgesellschaftern (s. für die GmbH § 9b Abs. 2, § 43 Abs. 4, § 52 Abs. 3 sowie § 31 Abs. 3 und 5 GmbHG). Die für diese Ansprüche einheitlich angeordnete Fünfjahresfrist soll eine Privilegierung gegenüber der für die eigentlichen Schuldner geltenden Haftungsdauer von zehn Jahren bewirken. Eine Umstellung auf die Regelverjährung kommt schon wegen der aufgezeigten Benachteiligung der Gesellschaftsgläubiger nicht in Betracht. Zudem widerspräche die in § 195, § 199 BGB angelegte Fristenspanne von drei, zehn und dreißig Jahren auch dem Bedürfnis der Gesellschaftsorgane -- nicht zuletzt im Hinblick auf den Abschluß einer D&O-Versicherung -- nach einem klar bestimmten Haftungszeitraum (s. Entwurfsbegründung S. 20 f.).

II. Geplante Änderungen im GmbHG

1. § 9 Abs. 2 GmbHG-E

Gemäß § 9 Abs. 1 GmbHG hat die Gesellschaft einen Anspruch auf Ersatz der Wertdifferenz, wenn der Wert einer Sacheinlage im Zeitpunkt der Anmeldung nicht den Betrag der dafür übernommenen Stammeinlage erreicht (sog. überbewertete Sacheinlage). Der Differenzanspruch verjährt nach Abs. 2 gegenwärtig in fünf Jahren, beginnend mit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. Demgegenüber sieht § 9 Abs. 2 GmbHG-E eine Zehnjahresfrist vor. Da die in § 9 GmbHG niedergelegten Grundsätze analog auch im Aktienrecht zur Anwendung gelangen (s. z.B. Hüffer, AktG, 5. Aufl. 2002, § 9 Rz. 6), wird sich die geplante Fristverlängerung folglich auch hier auswirken.

Hinsichtlich des Fristbeginns hält der Entwurf zu Recht am Zeitpunkt der Eintragung der GmbH fest, weil diese -- im Unterschied zur Anmeldung -- hinreichend formalisiert ist (Entwurfsbegründung S. 52 unter Bezugnahme auf § 15, § 40 Nr. 6, § 43 Nr. 7 HRV). Der relativ späte Fristbeginn in Kombination mit der geplanten Fristverlängerung bedeutet für den haftenden Gesellschafter freilich eine nicht unerhebliche Härte. Ob diese durch eine konsequente Anwendung der allgemeinen Beweislastgrundsätze entscheidend abgemildert werden kann, bleibt abzuwarten (so aber Entwurfsbegründung S. 53 mit näheren Ausführungen zur Beweispflicht der Gesellschaft hinsichtlich der Überbewertung im Zeitpunkt der Anmeldung).

2. § 19 Abs. 6 GmbHG-E

§ 19 Abs.1 -- 5 GmbHG regelt die Einlageverpflichtung des Gesellschafters, ohne eine Verjährungsanordnung für den entsprechenden Einlageanspruch zu treffen. Zur Anwendung kam nach der h.M. die Regelverjährung gemäß § 195, § 198 BGB a.F. (s. z.B. Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 19 Rz. 26 m.w.N.). Gleiches (s. Pentz, aaO, Rz. 138 m.w.N.) galt für den Anspruch der Gesellschaft auf erneute Leistung der Bareinlage, wenn diese zuvor zwar erbracht, dem Gesellschafter jedoch im Austausch gegen eine Sacheinlage zurückgewährt worden war (sog. verdeckte Sacheinlage).

Gemäß § 19 Abs. 6 S. 1 GmbHG-E soll der Einlageanspruch nunmehr in zehn Jahren von seiner Entstehung an verjähren. Die Entwurfsverfasser weisen zu Recht darauf hin, daß die Zehnjahresfrist mit den gesetzlichen Aufbewahrungsfristen der § 257 Abs. 4 HGB, § 147 Abs. 3 AO übereinstimmt und daher zumindest Unternehmern bereits vertraut ist. Auch nicht unternehmerisch tätigen Gesellschaftern sei jedoch zuzumuten, beweisrelevante Unterlagen während dieser Zeitspanne aufzubewahren (s. Entwurfsbegründung S. 54 und -- zur Parallelvorschrift des § 54 Abs. 4 AktG -- S. 41 f.).

Da weiterhin erst die (mitunter späte) Entstehung der Einlageforderung die Zehnjahresfrist des § 19 Abs. 6 S. 1 GmbHG-E in Gang setzt, scheinen die Gesellschaftsgläubiger -- trotz der deutlichen Fristverkürzung -- auch zukünftig ausreichend geschützt. Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet, so tritt die Verjährung ohnehin nicht vor Ablauf von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Eröffnung ein (§ 19 Abs. 6 S. 2 GmbHG-E). Die Ablaufhemmung ermöglicht es dem Insolvenzverwalter, ausstehende Einlageforderungen zu ermitteln und den drohenden Fristablauf durch verjährungshemmende Maßnahmen abzuwenden. Inwieweit zum Schutz der Gläubigerinteressen in der Praxis auch Kaduzierung (§ 21 GmbHG), Geschäftsführerhaftung (§ 43 GmbHG) und Anfechtung (§§ 133 f. InsO, §§ 3 f. AnfG) beitragen können, bleibt indes fraglich (in diesem Sinne aber Entwurfsbegründung S. 54 und 43 ff.).

In jedem Fall positiv zu bewerten ist, daß die Haftungszeiträume für die Einbringung einer verdeckten und einer überbewerteten Sacheinlage (s. § 9 Abs. 2 GmbHG-E) zukünftig gleich lang sind (s. Entwurfsbegründung S. 51 f.; zu beachten ist freilich der jeweils unterschiedliche Verjährungsbeginn).

3. § 31 Abs. 5 und Abs. 6 S. 2 GmbHG-E

a) § 31 Abs.5 GmbHG-E

§ 31 GmbHG legt fest, welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 GmbHG nach sich zieht: Nach Abs.1 steht der GmbH ein Erstattungsanspruch gegen den Empfänger der verbotswidrigen Auszahlung zu. War der Empfänger gutgläubig, so ist der Anspruch dabei gemäß Abs. 2 auf den Betrag beschränkt, der zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. Mit der gleichen Einschränkung haften die übrigen Gesellschafter nach Abs. 3 subsidiär, wenn die Erstattung von dem primär verpflichteten Empfänger nicht zu erlangen ist. Die Ansprüche der Gesellschaft aus § 31 Abs. 1 und 3 GmbHG verjähren derzeit gemäß Abs. 5 S. 1 in fünf Jahren, beginnend mit dem Ablauf des Tages, an welchem die verbotene Leistung an den Gesellschafter erfolgt ist. Fällt dem Verpflichteten indes eine bösliche Handlungsweise zur Last, findet diese Verjährungsregelung gemäß Abs. 5 S. 2 keine Anwendung. Die h.M. schloß hieraus auf die Anwendbarkeit der Regelverjährung nach § 195, § 198 BGB a.F. (s. z.B. Scholz/Westermann, GmbHG, 9. Aufl. 2000, § 31 Rz. 36 m.w.N.; zur Situation nach der Schuldrechtsreform ausführlich Krämer, GmbHR 2004, 538).

Der Entwurf differenziert hinsichtlich der Verjährung nicht mehr zwischen gutgläubigem und böslichem Empfang. Gemäß § 31 Abs. 5 S. 1 GmbHG-E sollen die Ansprüche der Gesellschaft im Fall des Abs.1 einheitlich in zehn Jahren sowie im Fall der Ausfallhaftung nach Abs. 3 in fünf Jahren (s.o. unter I.) verjähren. Der Beginn der Frist wird wie bislang durch den Ablauf des Tages markiert, an welchem die verbotene Leistung an den Gesellschafter erfolgt ist (§ 31 Abs. 5 S. 2 GmbHG-E). Zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger findet im Fall des Abs.1 die Regelung der Ablaufhemmung in § 19 Abs. 6 S. 2 GmbHG-E entsprechende Anwendung (§ 31 Abs. 5 S. 3 GmbHG-E).

Vollends überzeugen kann diese Konzeption indes nicht: Einerseits ist zwar richtig, daß es aus Sicht der Gesellschaftsgläubiger nicht darauf ankommt, aus welchen Motiven die Haftungssubstanz der Gesellschaft geschmälert wird (Entwurfsbegründung S. 56). Andererseits erfährt der böslich handelnde (Mit-)Gesellschafter durch die Einheitsfrist eine verjährungsrechtliche Privilegierung, die etwa dem Verkäufer bei der insoweit vergleichbaren Arglisthaftung nach § 438 Abs. 3 BGB zu Recht nicht gewährt wird. Im übrigen erscheint es wenig konsequent, wenn das Kriterium der Gut- bzw. Bösgläubigkeit an anderer Stelle, nämlich bei der Haftungsbeschränkung gemäß § 31 Abs. 2 GmbHG, weiterhin Bedeutung erlangt.

b) § 31 Abs. 6 S. 2 GmbHG-E

Gemäß § 31 Abs. 6 S. 1 GmbHG können Gesellschafter, die nach Abs. 3 von der GmbH in Ausfallhaftung genommen worden sind, ihrerseits von den Geschäftsführern Ersatz verlangen. Voraussetzung hierfür ist, daß die Geschäftsführer hinsichtlich der verbotswidrigen Auszahlung schuldhaft gehandelt haben. Nach h.M. (Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, 4. Aufl. 2002, § 31 Rz. 67 f. m.w.N.) verjährt der Regreßanspruch analog § 43 Abs. 4 GmbHG oder § 31 Abs. 5 S. 1 GmbHG in fünf Jahren, beginnend mit dem Zeitpunkt der Zahlung des in Anspruch genommenen Gesellschafters. Hinsichtlich der Fristlänge hält § 31 Abs. 6 S. 2 GmbHG-E hieran fest und erklärt § 43 Abs. 4 GmbHG (sowie § 43 Abs. 1 GmbHG in Bezug auf den Sorgfaltsmaßstab) für entsprechend anwendbar (vgl. Entwurfsbegründung S. 57). Dies ist zu begrüßen, doch hätte es zur Klarstellung auch einer gesetzlichen Regelung des Fristbeginns bedurft.

4. § 55 Abs. 4 GmbHG-E

§ 55 Abs. 4 GmbHG-E normiert, daß bei einer Erhöhung des Stammkapitals nicht nur die Bestimmungen in § 5 Abs. 1 -- 3 GmbHG über den Betrag der Stammeinlage und die Unzulässigkeit der Übernahme mehrerer Stammeinlagen, sondern zukünftig auch die Verjährungsregelung des § 19 Abs. 6 GmbHG-E Anwendung finden sollen. Es handelt sich somit um eine folgerichtige Ausweitung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift (s.o. unter II.2.).

 

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