Thomas Wachter, Notar, Osterhofen (Bayern)

Reform des englischen Gesellschaftsrechts

Anfang 2007 wird voraussichtlich eine grundlegende Reform des englischen Gesellschaftsrechts in Kraft treten. Der Companies Act 1985 (CA 1985) wird dabei zwar nicht vollständig aufgehoben, aber doch in wesentlichen Teilen geändert und ergänzt (zum geltenden Recht ausführlich Levedag in Römermann/Wachter [Hrsg.], Die Limited und andere EU-Gesellschaften im Praxistest, Sonderheft der GmbH-Rundschau, 2006 -- erscheint demnächst).

Die Company Law Reform Bill (CLRB) ist das Ergebnis langjähriger Reformüberlegungen. Ausgangspunkt war ein Arbeitspapier des Department of Trade and Industry (www.dti.goc.uk) aus dem Jahr 1998 mit dem Titel "Modern Company Law for a Competetive Economy". Über die Reformnotwendigkeit bestand von Anfang an weitgehend Einigkeit. In einem Weißbuch der britischen Regierung aus dem Jahr 2002 wird dies im Vorwort vorbehaltlos anerkannt. Wörtlich heißt es dort: "When British company law was created in the ninteenth century, it was a source of advantage. Now it has become a competetive disadvantage. The law has become encrusted with amendments and case law over generations. It has failed to adapt to meet the changing role of small enterprises, IT and international markets." Am 1.11.2005 ist die Company Law Reform Bill schließlich in das House of Lords eingebracht worden. Es ist damit zu rechnen, dass die Krone der Gesetzesvorlage (Bill) noch 2006 zustimmt (Royal Assent). Der Company Law Reform Act 2006 könnte dann Anfang 2007 in Kraft treten (s. dazu www.companieshouse.gov.uk und www.parliament.uk).

Der Umfang der Company Law Reform Bill ist mit über 500 Textseiten beeindruckend. Der Gesetzestext ist in 40 Abschnitte (parts) mit mehr als 900 Vorschriften (clauses) untergliedert. Hinzu kommen noch 16 Anhänge (schedules). Zu den einzelnen Gesetzesbestimmungen gibt es jeweils Erläuterungen (explanatory notes), die nochmals einen Umfang von weit mehr als 500 Textseiten aufweisen.

Mit der Reform des Gesellschaftsrechts verfolgt der englische Gesetzgeber vor allem vier Ziele:

-- Enhancing shareholder engagement and a longterm investment culture: Die Gesellschafter sollen zu einer stärkeren Wahrnehmung ihrer Rechte in der Gesellschaft veranlasst werden. Gleichzeitig werden die Pflichten der Geschäftsleiter gesetzlich bestimmt.

-- Ensuring better regulation and a "think small first" approach: Im englischen Gesellschaftsrecht wird die public limited company heute als Regelfall angesehen. Über 95 % aller Gesellschaften sind jedoch kleine und mittlere Unternehmen. Die Reform schafft eine klare Trennung zwischen private und public limited companies. Im Mittelpunkt steht künftig die private limited company.

-- Making it easier to set up and run a company: Die Gründung von Gesellschaften und deren Führung soll weiter vereinfacht werden. Dabei sollen auch die Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation mehr als bisher genutzt werden können.

-- Providing flexibility for the future: Zunächst sollte dem Secretary of State die Möglichkeit eingeräumt werden, die bestehenden Gesetze flexibel an veränderte Rahmenbedingungen (z.B. neue EU-Richtlinien) anzupassen (company law reform order). Davon ist mittlerweile -- auch aus verfassungsrechtlichen Bedenken -- Abstand genommen worden. Gleichwohl enthält die Companies Bill eine Reihe von Öffnungsklauseln.

Aus der Fülle der geplanten Gesetzesänderungen sollen nachfolgend lediglich auf einige Themen hingewiesen werden, die insbesondere für kleine Unternehmen von praktischer Bedeutung sind (ausführlich zum Ganzen Torwegge, GmbHR 2006, 919 -- in diesem Heft).

-- Gesellschaftsvertrag (Clause 8 und 17 ff. CLRB): Der Gesellschaftsvertrag soll auch künftig aus dem memorandum of association und den articles of association bestehen, doch werden beide Dokumente künftig eine andere Funktion als bisher erhalten. Das memorandum stellt lediglich noch die Gründungsurkunde dar und ist später nicht mehr abänderbar. In dem memorandum sind die Erklärungen der Gesellschafter zur Gründung und die Übernahme der Anteile enthalten. Sämtliche anderen Bestimmungen sollen in die articles aufgenommen werden. Der Secreatry of state wird dabei Mustersatzungen aufstellen, die von der Gesellschaft ganz oder teilweise übernommen werden können. Anders als bisher wird es dabei eine Mustersatzung geben, die speziell auf die Bedürfnisse von private limited companies zugeschnitten ist. Eine weitere Mustersatzung, die sich an dem bisherigen Table A orientiert, wird für public limited companies zur Verfügung gestellt.

-- Unternehmensgegenstand (Clause 32 CLRB): Der Unternehmensgegenstand muss in dem Gesellschaftsvertrag nicht mehr zwingend angegeben werden. Enthält der Gesellschaftsvertrag keine Regelung zum Unternehmensgegenstand, gilt er als unbeschränkt ("unrestricted"). Bei public limited companies könnte die fehlende Angabe eines Unternehmensgegenstandes möglicherweise in Widerspruch zur EU-Kapitalrichtlinie (Art. 2 Buchst. b] RL 77/91/EWG) stehen.

-- Einpersonengesellschaften (Clause 7 CLRB): Gesellschaften können künftig generell durch eine oder mehrere Personen errichtet werden. Bislang war dies auf der Grundlage der EU-Einpersonenrichtlinie nur für private limited companies (sec. 1 [3A] CA 1985) vorgesehen.

-- Person des directors (Clause 139 ff. CLRB): Director können weiterhin natürliche und juristische Personen sein. Künftig muss allerdings mindestens ein director einer Gesellschaft eine natürliche Person sein. Für die Bestellung zum director wird ein Mindestalter von 16 Jahren eingeführt. Die für directors von public limited companies bislang bestehende Altershöchstgrenze von 70 Jahren (sec. 293 CA 1985) wird demgegenüber gestrichen.

-- Pflichten des directors (Clause 156 ff. CLRB): Die Pflichten eines directors, die bislang in zahlreichen Gerichtsentscheidungen näher konkretisiert worden sind, sollen im Interesse der Übersichtlichkeit nunmehr erstmals kodifiziert werden. Das Gesetz sieht dabei sieben generelle Pflichten eines directors vor, deren Inhalt jeweils im Einzelnen bestimmt wird:

-- Duty to act within powers,

-- Duty to promote the success of the company,

-- Duty to exercise independent judgement,

-- Duty to exercise reasonable care, skill and diligence,

-- Duty to avoid conflicts of interest,

-- Duty not to accept benefits from third parties,

-- Duty to declare interest in proposed transaction or arrangement.

-- Company secretary (Clause 253 ff. CLRB): Private limited companies müssen künftig -- anders als public limited companies -- nicht mehr zwingend über einen company secretary verfügen.

-- Gesellschafterbeschlüsse (Clause 264 ff. CLRB): Private limited companies sind in Zukunft nicht mehr verpflichtet, mindestens einmal jährlich eine Gesellschafterversammlung (annual general meeting, AGM) abzuhalten (sec. 366 und 366A CA 1985). Die Möglichkeiten, Beschlüsse im Umlaufverfahren zu fassen, werden erheblich erweitert.

-- Kapitalerhaltung (Clause 574 f. CLRB): Gesellschaften ist es bislang verboten, den Erwerb von Anteilen an der Gesellschaft finanziell zu unterstützen (sec. 151 ff. CA 1985). Das Verbot der financial assistance wird für private limited companies vollständig aufgehoben.

-- Kapitalherabsetzung (Clause 570 ff. CLRB): Kapitalherabsetzungen sind bislang nur mit gerichtlicher Genehmigung zulässig (sec. 135 ff. CA 1985). Private limited companies können ihr Kapital künftig auch dann herabsetzen, wenn die Gesellschafter dies beschließen und sämtliche directors eine Solvenzerklärung abgeben. Das solvency statement muss die Erklärung beinhalten, dass die Gesellschafter heute und in den der Kapitalherabsetzung folgenden zwölf Monaten in der Lage sind, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Die Abgabe einer falschen Solvenzerklärung kann zivilrechtliche und strafrechtliche Sanktionen zur Folge haben.

Es bleibt abzuwarten, ob der englische Gesetzgeber mit dem Company Law Reform Act alle selbst gesteckten Ziele tatsächlich erreichen wird. Zweifelhaft erscheint vor allem, ob für kleine und mittlere Unternehmen der Zugang zu dem für sie maßgeblichen Recht wirklich einfacher und billiger wird. Dagegen spricht schon der äußere Umfang des Reformgesetzes mit seinen mehr als 900 Bestimmungen (zum Vergleich: das gesamte deutsche GmbH-Gesetz hat heute 116 Paragraphen). Aufgrund der fehlenden Konsolidierung bestehen künftig zudem mehrere Gesetzeswerke nebeneinander, was die Übersichtlichkeit sicherlich nicht fördert. Schließlich wird es einige Jahre dauern, bis die Rechtsprechung den Inhalt der neuen Bestimmungen zuverlässig bestimmt hat.

Mit dem geplanten Company Law Reform Act schreitet Großbritannien den Weg in Richtung auf ein kodifiziertes Gesellschaftsrecht weiter voran und verabschiedet sich damit zunehmend von seinem traditionellen case law System. In Deutschland scheint die Entwicklung demgegenüber in die entgegengesetzte Richtung zu gehen. Die Rechtsprechung des BGH hat in den letzten Jahren immer mehr an praktischer Bedeutung gewonnen und dabei auch Rechtsfiguren geschaffen, die der Gesetzgeber überhaupt nicht vorgesehen hat.



Zurück