Klaus-Heiner Lehne (MdEP),           
Rechtsanwalt, Düsseldorf/Brüssel

 

Die Europäische Privatgesellschaft -- eine schwere Geburt?

 

Schon die Vorgeschichte der Europäischen Privatgesellschaft (SPE) erinnert bis hierhin an eine schwere Geburt. Nun jedenfalls ist der Kommissionsvorschlag da (ausführlich dazu Hommelhoff / Teichmann, GmbHR 2008, 897 ff. -- in diesem Heft). Und er sieht recht gelungen aus. Allerdings steht zu befürchten, dass wir bisher nur die Vorwehen erlebt haben. Denn die eigentlichen Hürden -- so sieht es im Moment aus -- bauen jetzt einzelne Mitgliedstaaten im Rat auf.

 

EU-einheitliche Rechtsform

Das Europäische Parlament hatte im Februar letzten Jahres mit einer legislativen Entschließung nach Art. 192 EG-Vertrag die Kommission aufgefordert, einen Vorschlag für eine Europa-GmbH zu entwickeln. Vorausgegangen waren verschiedene Anhörungen, in denen Unternehmer aus mittelständischen Betrieben eine europaweit einheitliche Rechtsform für nicht-börsennotierte Gesellschaften anmahnten. Mit einer solchen EU-Unternehmensform wollen Geschäftsleute über die Grenze hinweg Gesellschaften mit beschränkter Haftung gründen können, ohne dazu in die einzelnen nationalen Gesellschaftsrechte einsteigen zu müssen. Das spart Beratungs- und Anwaltskosten. Deshalb lautete auch eine Hauptforderung der EU-Abgeordneten, soweit wie möglich auf Verweise ins nationale Recht zu verzichten. Das Negativ-Beispiel gibt hier nämlich die Europäische Aktiengesellschaft ab. Sie kann nicht wirklich als Gemeinschaftsrechtsform bezeichnet werden, verweist sie doch an wesentlichen Stellen immer wieder auf nationales Recht. Und das ist bei nunmehr 27 Mitgliedstaaten nicht mehr übersichtlich. Dieser Fehler soll bei er SPE vermieden werden.

 

Drei Diskussionspunkte

Über diesen speziellen Punkt der Einheitlichkeit der SPE hinaus lautete aber generell das Postulat des Parlaments: Macht es den Unternehmer so leicht wie möglich. Das hat die Kommission aus meiner Sicht sehr gut umgesetzt. So folgen die Kommissare in weiten Teilen der Parlamentsentschließung und lassen z.B. eine SPE-Gründung ex nihilo zu. Wäre das nicht möglich, müssten die Unternehmer ihren Betrieb in einem ersten Schritt in einer nationalen Rechtsform gründen, bevor sie dann in einem zweiten Schritt die entsprechende GmbH, Limited, S.A.R.L. etc in eine SPE umwandeln. Hier scheint es aber Widerstand im Rat zu geben. Mitgliedstaaten befürchten, dass die SPE eine zu starke Konkurrenz zu nationalen Unternehmensformen wird.  Warum besteht diese Furcht eigentlich? Kann es nicht im Interesse aller sein, Unternehmensgründern ein möglichst weites Spektrum an Wahlmöglichkeiten zu lassen? Und außerdem: Wer sein Geschäft ausschließlich im Inland betreiben will, wird sich wohl kaum einer europäischen Rechtsform bedienen.

Ein weiterer Gesichtspunkt der einfachen Unternehmensgründung ist die Anforderung an das Mindestkapital. Die Kommission schlägt hier einen Euro vor und geht damit sogar über die Forderung des Parlaments hinaus. Die Abgeordneten hatten als Mindestkapital 10.000 Euro vorgeschlagen. Der Vorstoß der Kommission kann durchaus unterstützt werden. Schon lange dient das Mindestkapital nicht mehr dem Gläubigerschutz, was Befürworter eines hohen Mindestkapitals behaupten. Es ist vielmehr eine Seriositätsschwelle geworden: Schafft es der Unternehmensgründer bzw. die Unternehmensgründerin, mit der Geschäftsidee im Vorfeld der Gründung einen bestimmten Geldbetrag zusammenzutragen? Das Argument der Seriosität ist zwar nicht ganz von der Hand zu weisen. Es ist aber auch nicht derart zwingend, dass man sich darüber in Brüssel ausführlich streiten und das Gesetzgebungsverfahren (künstlich) in die Länge ziehen müsste. Im Rat nehmen einige Regierungen diesen Punkt nur allzu gerne auf, um ihrem Generalvorbehalt gegen die SPE ein Argument zu geben. Man kann ihnen aber leicht entgegnen. So könnte man die Seriosität z.B. auch daran festmachen, ob es gelingt, nach einem Geschäftsjahr einen gewissen Umsatz zu erreichen. Alternativen zu einem hohen Mindestkapital gibt es jedenfalls eine Menge.

Neben der Gründung ex nihilo und dem Mindestkapital gibt es einen dritten Zankapfel im Rat: die Arbeitnehmermitbestimmung. Es sei klar gesagt: Die SPE darf nicht dazu missbraucht werden, bestehende Arbeitnehmerrechte zu umgehen. Es sei aber ebenso unmissverständlich gesagt: Die SPE kann nicht dazu dienen, einzelne nationale Mitbestimmungsregime europaweit einzuführen. Das muss Sache der Mitgliedstaaten bleiben. Insofern sollten sich die Rechte der Arbeitnehmer nicht nach dem Recht des Landes des Registersitzes richten (so der Kommissionsvorschlag), sondern nach dem Land des Verwaltungssitzes. Jeder Arbeitnehmer, jede Arbeitnehmerin soll die Rechte genießen, die das Land, in dem sie tatsächlich arbeiten, anbietet. Nicht mehr, nicht weniger. Im Übrigen sei daran erinnert, dass bisher in keinem einzigen gesellschaftsrechtlichen Gesetzgebungsverfahren der EU irgendwelche Regeln entwickelt worden wären, mit Hilfe derer Arbeitnehmerrechte hätten umgangen werden können -- nicht bei der Europäischen Aktiengesellschaft, nicht bei der Richtlinie zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung. Insofern wird hier immer wieder ein Schreckgespenst aufgebaut, welches bei näherem Hinsehen gar nicht existiert. Darüber hinaus kann ich nur vor überzogenen Forderungen warnen. Es ist eine Binsenweisheit, dass der Mittelstand der Jobmotor in Europa ist. Unterstützen wir die Arbeit des Mittelstands, helfen wir, Arbeitsplätze zu schaffen.

 

Offene Regelungen

Die Kommission hat somit alles in allem einen brauchbaren Entwurf vorgelegt. An einzelnen Stellen müssten in den Vorschlag noch Regelungen aufgenommen werden. Ich denke da z.B. an die Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung oder an Rechtsfolgen rechtswidriger Beschlüsse. Dies ist aber schon das "fine-tuning". Die politische Richtung stimmt.

 

Ausblick

Das Europäische Parlament ist nach Art. 308 des Nizza-EG-Vertrag zur Anhörung berechtigt, und wir werden alles daran setzen, die Beratungen zügig durchzuführen. Die Hauptverantwortung liegt daher jetzt beim Rat. Er darf sich nicht im "klein-klein" verlieren. Die drei genannten Diskussionspunkte (Mindestkapital, Gründung ex nihilo, Mitbestimmung) können alle schnell gelöst werden. Diskutieren die Mitgliedstaaten im Rat zu lange, darf man fast böse Absicht unterstellen. Als EU-Abgeordneter ist man da recht sensibel geworden: Es ist immer wieder verwunderlich, warum sich Regierungen -- und die deutsche macht da leider keine Ausnahme -- nicht durchringen können, dem Mittelstand wirkliche Erleichterungen zu verschaffen. Man kann nur hoffen, dass bei der Taufe der SPE im Rat nicht Sankt Bürokratissimus Pate steht.

 



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