Dr. Wolfgang Lingemann, Köln*

Der Regierungsentwurf zur Unternehmenssteuerfortentwicklung – weitere Schritte permanenter Reform (Teil I)

Mit dem am 15.8.2001 vom Bundeskabinett beschlossenen "Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts" deuten sich kurzfristig erreichbare weitere Schritte der Unternehmenssteuerreform an, die wir hier wegen ihres Umfangs in zwei Teilen skizzieren. Das Gesetz betrifft im wesentlichen die schon im Bericht der Bundesregierung angesprochenen Bereiche der Umstrukturierung, der Besteuerung verbundener Unternehmen und der Reform des Außensteuerrechts (vgl. zu dem Bericht Lingemann, GmbHR 2001, R 177 f.). Der vollständige Entwurfstext steht auf der Internetseite "http://www.unternehmensteuerreform.de" zum Download bereit. Die wichtigsten Änderungen im Überblick:

I. Halbeinkünfteverfahren

In § 3 Nr. 40 Buchst. a) und b) EStG wird klargestellt, daß auch die Veräußerung einer Organbeteiligung unter das Halbeinkünfteverfahren fällt. § 3 Nr. 40 S. 4 Buchst. a) wird dahingehend ergänzt, daß die volle Steuerpflicht aus der Veräußerung von einbringungsgeborenen Anteilen während der Sieben-Jahresfrist nicht dadurch umgangen werden kann, daß nach der Buchwerteinbringung der Antrag auf Versteuerung der stillen Reserven nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UmwStG gestellt wird. Zu den "einbringungsgeborenen Anteilen" i.S.v. § 21 UmwStG gehören auch die Anteile, die sich nach § 23 UmwStG anläßlich von Einbringungen innerhalb der Europäischen Union ergeben. Die Rückausnahme von der generellen Steuerpflicht wird auf eine Einbringung nach § 23 Abs. 4 UmwStG ausgedehnt (§ 3 Nr. 40 S. 4 Buchst. b) n.F.).

In § 3 Nr. 40 S. 7 EStG n.F. wird die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens eröffnet, wenn eine Organgesellschaft steuerfreie Bezüge i.S.d. § 8 b KStG erzielt hat und diese Bezüge letztlich im Rahmen der Besteuerung von natürlichen Personen zu berücksichtigen sind.

Steuerbefreiung bei Kollision von Hinzurechnungsbesteuerung und Halbeinkünfteverfahren, § 3 Nr. 41 Buchst. a) und b) EStG n.F.: Wegen des Halbeinkünfteverfahrens ist die Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 bis 14 AStG definitiv. § 3 Nr. 41 EStG vermeidet eine Überbesteuerung, indem Beträge, die die ausländische Gesellschaft an den inländischen Beteiligten innerhalb von 7 Jahren ausschüttet sowie thesaurierte Zwischeneinkünfte aus Anteilsveräußerungen, die der Hinzurechnungsbesteuerung unterlegen haben, steuerbefreit sind. Vom Steuerpflichtigen wird verlangt, daß er die Hinzurechnungsbesteuerung und die Nichtausschüttung nachweist.

Voller Abzug von Aufwendungen beim voll steuerpflichtigen Verkauf einbringungsgeborener Anteile, § 3 c Abs. 2 S. 2 EStG: Es wird klargestellt, daß in den Fällen des § 3 Nr. 40 S. 3 EStG, in denen einbringungsgeborene Anteile veräußert werden und der Erlös voll steuerpflichtig ist, die vollen und nicht nur die hälftigen Aufwendungen gegengerechnet werden können.

II. Dividendenfreistellung und Veräußerungsgewinnbefreiung bei Körperschaften

Durch eine Ergänzung von § 8 b Abs. 1 KStG wird klargestellt, daß sich die Steuerfreistellung auch auf die Veräußerung von Dividendenansprüchen erstreckt. Die Veräußerungsgewinnbefreiung (§ 8 b Abs. 2 S. 1 KStG ) wird auch für den Verkauf von eigenen Anteilen und von Organbeteiligungen sowie auf die veräußerungsgleiche Aufdeckung stiller Reserven bei einringungsgeborenen Anteilen nach § 21 Abs. 2 UmwStG ausgesprochen. Bei der Regelung der sog. Rückausnahme zur Einbringungsklausel (§ 8 b Abs. 4 S. 2 KStG) wird klargestellt, daß auch die Fälle grenzüberschreitender Einbringung i.S.d. § 23 Abs. 4 UmwStG unter die Rückausnahme fallen. Die Rückausnahme wird eingeschränkt, damit natürliche Personen die Halbeinkünftebesteuerung eines Veräußerungsgewinns nicht über eine Beteiligungseinbringung umgehen können. Mit einer neugefaßten Nr. 1 in § 8 b Abs. 4 S. 2 KStG wird auch der Fall der nachträglichen Verstrickung bereits vor mehr als 7 Jahren erworbener Anteile erfaßt. Durch Neufassung von § 8 b Abs. 4 S. 2 Nr. 2 KStG werden die Einbringung der Kapitalbeteiligung durch eine natürliche Person, der einbringungsweise Erwerb einer Kapitalbeteiligung von einer Kapitalgesellschaft durch eine andere Kapitalgesellschaft nach Maßgabe des § 23 Abs. 4 UmwStG und nach § 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG von der Rückausnahme begünstigt. D.h. eine Kapitalbeteiligung, die als Bestandteil des von einer Kapitalgesellschaft eingebrachten Betriebs mit übergeht, kann mit der Neufassung ggf. direkt steuerfrei veräußert werden.

Aufwendungsabzugsverbot des § 3 c Abs. 1 EStG wird eingeschränkt: Durch Neufassung von § 8 b Abs. 5 KStG wird die Anwendung des § 3 c Abs. 1 EStG zwischen Körperschaften ausgeschlossen. Damit wird vermieden, daß die steuerliche Gesamtbelastung innerhalb einer Konzernstruktur letztlich davon abhängig ist, auf welcher Beteiligungsstufe Finanzierungsaufwendungen anfallen.

Neufassung von § 8 b Abs. 6 S. 1 KStG: Die Veräußerungsgewinnbefreiung wird auf die Veräußerung von Anteilen im Rahmen von Mitunternehmeranteilen erstreckt.

III. Umwandlungssteuerrecht

1. Vermögensübergang auf Personengesellschaft/natürliche Person

Nicht wesentlich beteiligte Anteilseigner: Durch Ersetzung des Begriffs "Einkünfte" durch "Bezüge" beim Ausweis und der Zurechnung offener Rücklagen wird § 7 S. 1 UmwStG präziser gefaßt und klargestellt, daß Werbungskosten und Werbungskostenpauschbetrag abgezogen werden können. Der Sonderausweis i.S.d. § 28 UmwStG verkörpert bislang im Nennkapital gebundene Gewinne, die bei der Umwandlung in eine Personengesellschaft in deren Vermögen übergehen und daher die Einkünfte der Anteilseigner erhöhen.

Klarstellung bei der Ausschüttungsfiktion in § 9 UmwStG: In § 9 UmwStG wird seit 1995 in den Fällen der Vermögensübertragung auf eine natürliche Person nicht auf die Ausschüttungsfiktion des § 7 UmwStG verwiesen. Die Anwendung des § 7 UmwStG ist auch bei der Umwandlung auf eine Einzelperson möglich, wenn ein Fall des § 5 Abs. 2 S. 2 UmwStG gegeben ist. § 7 S. 1 UmwStG ist dann nicht unmittelbar passend, da dort "Gesellschafter … der übernehmenden Personengesellschaft" steht.

Nachbelastung von EK 02: Nach § 10 UmwStG mindert sich die Körperschaftsteuer der Übertragerin um ein KSt.-Guthaben (§ 37 KStG) und sie erhöht sich, soweit EK 02-Bestände nachzubelasten sind (§ 38 KStG). Die Änderung stellt in Anlehnung an § 40 Abs. 3 S. 1 KStG klar, daß § 10 UmwStG eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Nachbelastung von EK 02-Beständen ist.

2. Verschmelzung oder Vermögensübergang auf eine Kapitalgesellschaft

Durch Neufassung des § 12 Abs. 5 S. 1 UmwStG wird sichergestellt, daß es bei einem Vermögensübergang in den nicht steuerpflichtigen Bereich oder in den steuerbefreiten Bereich zur Einbehaltung der Kapitalertragsteuer kommt.

3. Einbringung in eine Kapitalgesellschaft

Ausschluß der Tarifbegünstigungen gem. § 16 Abs. 4 und § 34 EStG im Einbringungsfall eines Teils eines Mitunternehmeranteils.

Körperschaften als Anteilseigner: Nach neuer Formulierung des § 21 Abs. 3 Nr. 1 und 2 UmwStG gilt der Veräußerungsgewinn als in einem Betrieb gewerblicher Art bzw. in einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb entstanden. § 8 b Abs. 2 und Abs. 4 KStG sind im Rahmen der Besteuerung des Betriebs gewerblicher Art oder des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs anzuwenden.

4. Einbringung in eine Personengesellschaft, § 24 Abs. 3 S. 4 UmwStG n.F.

Im Fall der Einbringung eines Teils eines Mitunternehmeranteils ist die Tarifbegünstigung gem. § 16 Abs. 4 und § 34 EStG ausgeschlossen.

5. Mißbrauchsvorschriften

Umformulierung des § 26 Abs. 2 S. 1 UmwStG: Soweit die Sperre des § 23 Abs.4 UmwStG durch Aufnahme in die Rückausnahme des § 8 b Abs. 4 KStG gelöst wird, besteht die Notwendigkeit, im Rahmen des § 26 Abs. 2 UmwStG Ketteneinbringungen zu verhindern. Diese Regelung soll auch dann greifen, wenn Anteile mehrfach eingebracht werden und danach nicht die Anteile unmittelbar, sondern die Anteile an einer einbringungsweise zwischengeschalteten Gesellschaft "schädlich" veräußert werden. Ferner sollen auch Gestaltungen über Verschmelzungen u.ä. mit erfaßt sein.

IV. Besteuerung verbundener Unternehmen

Körperschaftsteuerliche Organschaft: Verzicht auf den doppelten Inlandsbezug beim Organträger (Sitz und Geschäftsleitung). Danach reicht es künftig aus, wenn sich die Geschäftsleitung des Organträgers im Inland befindet. Durch Anknüpfen an die inländische Geschäftleitung wird andererseits sichergestellt, daß über eine Organschaft zu einer nach deutschem oder ausländischem Recht gegründeten Gesellschaft das inländische Besteuerungsrecht für das Organeinkommen nicht verloren geht. Ferner wird bei doppelt ansässigen Gesellschaften verhindert, daß Verluste im In- und Ausland doppelt oder aufgrund entsprechender nationaler Regelungen ausländischer Staaten (z.B. in den USA) stets zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt werden.

Der in einer neuen Nr. 2 von § 15 KStG angefügte Satz regelt, daß abweichend von den Grundsätzen der Organschaftsbesteuerung steuerfreie Bezüge i.S.d. § 8 b Abs. 1 und 2 KStG bei der Einkommensermittlung der Organgesellschaft unberücksichtigt bleiben. Diese Bezüge und die damit zusammenhängenden Aufwendungen i.S.d. § 3 c EStG werden durch die Anlage MO an den Organträger hochgemeldet und bei seiner Einkommensermittlung berücksichtigt. Ist Organträger eine Personengesellschaft mit auch natürlichen Personen als Gesellschafter, werden die Bezüge und Aufwendungen insoweit im Rahmen der Halbeinkünftebesteuerung (vgl. § 3 Nr. 40 S. 7 EStG) versteuert.

Altes Recht bei der Mehrmütterorganschaft: Der BFH hat es in zwei Entscheidungen (BFH v. 9.6.1999 – I R 43/97, BStBl. II 2000, 695 = GmbHR 2000, 43 und BFH v. 9.6.1999 – I R 37/98, BFH-NV 2000, 347) zugelassen, daß die steuerlichen Gewinne und Verluste bei Mehrmütterorganschaften abweichend von der bisherigen Praxis direkt bei den Muttergesellschaften zu berücksichtigten sind. Die Umsetzung dieser Entscheidungen für die Vergangenheit ist verfahrensrechtlich problematisch. Eine mehrfache Berücksichtigung von Verlusten wäre nicht auszuschließen. In § 14 KStG wird klar gestellt, daß für die Vergangenheit nach wie vor die gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtslage vor den BFH-Urteilen gilt.

V. Weitere Änderungen

Der Beitrag wird mit den Änderungen bei der Gewerbesteuer, der Umstrukturierung von Personenunternehmen, der Grunderwerbsteuer im Konzern und dem Außensteuerrecht fortgesetzt.

 

 

* Schriftleiter der Finanz-Rundschau.

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