Tobias Freudenberg,         
Rechtsanwalt, Köln*

 

Aktienrechtsnovellen nach großer GmbH-Reform

 

Auf der Zielgeraden der Wahlperiode treten ARUG und VorstAG in Kraft

 

Die 16. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages ist so gut wie vorüber. Die Parlamentarier sind aus dem Sommerurlaub zurückgekehrt. Jetzt geht der Wahlkampf in seine heiße Phase. Die politische Sacharbeit ist vorerst passé.

Die rechtspolitische Bilanz der letzten vier Jahre kann sich sehen lassen -- zumindest quantitativ. Die Politiker und die Beamten in den Ministerien haben große Reformen auf den Weg gebracht. Besonders fleißig war man diesmal im Gesellschaftsrecht. Der zuständige Referatsleiter im Bundesjustizministerium, Ulrich Seibert, zeigte sich sichtlich überrascht, als er kürzlich auf einer Fachtagung sein Arbeitspensum der letzten Jahre rückblickend betrachtete. Mit einem Schmunzeln verkündete Seibert auf der Veranstaltung, er werde in der nächsten Legislaturperiode etwas kürzer treten. Seine Zuhörer mochten es ihm kaum glauben.

Im Mittelpunkt des gesetzgeberischen Schaffens in dieser Wahlperiode stand im Gesellschaftsrecht fraglos die große GmbH-Reform durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG). Aber auch das Recht der Aktiengesellschaften wurde gründlich überarbeitet, etwa durch das Risikobegrenzungsgesetz oder Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG).

Auf der Zielgeraden der Wahlperiode sind nochmals zwei wichtige aktienrechtliche Gesetzesnovellen in Kraft getreten -- das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) und das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG). Das ARUG gilt in wesentlichen Teilen seit dem 1.9.2009 (BGBl. I 2009, 2479 ff.), das VorstAG ist bereits seit dem 5.8.2009 gültig (BGBl. I 2009, 2509 ff.).

 

ARUG

Viele Änderungen im ARUG betreffen die Vorbereitung und Durchführung der Hauptversammlung. Das Gesetz passt das Aktienrecht an das Internetzeitalter an und führt moderne Kommunikationsformen für die Zusammenkünfte der Anteilseigner ein. So ist künftig eine Online-Teilnahme der Aktionäre möglich. Sie können durch elektronische Briefwahl ihr Stimmrecht ausüben und durch Zuschaltung über das Internet Fragen stellen.

Das hat nicht nur Vorteile für die Aktionäre -- auch die Gesellschaften profitieren von der Online-HV. Führt die elektronische Teilnahme -- wie vom Gesetzgeber prognostiziert -- zu mehr Präsenz auf den Aktionärstreffen, dürften Zufallsmehrheiten seltener werden. Außerdem sinkt das Blockadepotential von Inhabern kleinerer Aktienpakete.

Weitere Erleichterungen durch das ARUG gibt es beim Versand von Unterlagen vor und während der Hauptversammlung. Aktiengesellschaften können relevante Dokumente wie etwa die Tagesordnung der HV jetzt auch elektronisch verschicken. Die Internetseiten der Unternehmen werden dabei zu einem zentralen Informationsmedium ausgebaut.

Eine große Vereinfachung bringt die Reform auch hinsichtlich der Fristen im Vorfeld der Hauptversammlung. Alle bisherigen Zweifelsfragen sind beseitigt. Im ARUG ist jetzt klargestellt: Fristen werden vom Tag der Hauptversammlung zurückgerechnet. Dabei kommt es nur noch auf Kalendertage an.

Mit dem ARUG wird auch die Finanzierung der AG modernisiert. So werden der Erwerb eigener Aktien und die Kapitalaufbringung vereinfacht. Bei der Sachgründung kann nunmehr auf eine aufwendige Werthaltigkeitsprüfung von eingebrachten Wertpapieren und Geldmarktinstrumenten verzichtet werden. Stattdessen können diese einfach mit dem Durchschnittskurs der letzten drei Monate bewertet werden. Überdies enthält die Gesetzesnovelle eine Regelung zur sog. verdeckten Sacheinlage, die der im GmbHG entspricht. Damit sind Tatbestand und Rechtsfolgen jetzt auch für die Aktiengesellschaft rechtssicher geregelt.

Freuen dürfen sich die Aktiengesellschaften schließlich auch über die Maßnahmen zur Bekämpfung missbräuchlicher Anfechtungsklagen. Das Gesetz versucht das Gewerbe der Profikläger einzudämmen, indem es u.a. das sog. Freigabeverfahren erheblich beschleunigt. Das geschieht durch folgende Maßnahmen: Für Freigabeverfahren sind jetzt in erster und einziger Instanz die Oberlandesgerichte zuständig. Durch den Wegfall einer zweiten Instanz werden die Unternehmen spätestens nach drei bis vier Monaten Klarheit haben. Mit verschiedenen weiteren verfahrensrechtlichen Regelungen wird eine Verzögerung der als Eilverfahren konzipierten Freigabeverfahren verhindert. Künftig erstreckt sich die Vollmacht des Vertreters für den Anfechtungsprozess auch auf das Freigabeverfahren. Zeitaufwendige Zustellungen an den Kläger werden entbehrlich. Auch gibt es ein Recht der Gesellschaften auf frühe Akteneinsicht, wenn sich die Klagezustellung wegen fehlender Einzahlung des Prozesskostenvorschusses verzögert.

Eine weitere Hürde: Aktionäre mit geringem Aktienbesitz (unter 1.000 € Nennbetrag), die weniger gravierende Gesetzes- oder Satzungsverstöße geltend machen, können HV-Beschlüsse gegen die überwiegende Mehrheit der anderen Aktionäre nicht mehr aufhalten. Sie können nur noch Schadensersatz beanspruchen.

Übrigens: Auch das gerade erst reformierte GmbH-Gesetz ist durch das ARUG erneut geändert worden (Art. 14b: §§ 10, 57n, 58, 58a, 58e, 58f, 65, 67, 73 GmbHG; hierzu Wachter, GmbHR 2009, 953 ff. -- in diesem Heft).

 

VorstAG

Die Regeln im VorstAG enthalten zwar keine Deckelung der Managergehälter. Allerdings müssen sich die Bezüge in börsennotierten Aktiengesellschaften künftig stärker an langfristigen Zielen orientieren. Auch sonstige Vergütungsbestandteile werden strenger reglementiert als zuvor. So können Aktienoptionen künftig frühestens vier Jahre nach Einräumung der Option ausgeübt werden. Außerdem wird die Möglichkeit des Aufsichtsrats, die Vergütung bei einer Verschlechterung der Lage des Unternehmens nachträglich zu reduzieren, erweitert. Eine solche Verschlechterung liegt nach Ansicht des Gesetzgebers z.B. dann vor, wenn die Gesellschaft Entlassungen vornehmen muss und keine Gewinne mehr ausschütten kann (Einzelheiten dazu bei Gaul/Janz, GmbHR 2009, 959 ff. und Wübbelsmann, GmbHR 2009, 988 ff. -- beide in diesem Heft).

Das Gesetz nimmt die Aufsichtsräte aber auch in die Pflicht. So darf die Entscheidung über die Vergütung eines Vorstandsmitglieds künftig nicht mehr an einen Ausschuss delegiert werden. Sie muss zwingend vom Plenum getroffen werden. Außerdem wird die Haftung des Aufsichtsrats verschärft. Setzt das Kontrollgremium eine unangemessene Vergütung fest, macht es sich gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig (s. hierzu Thüsing, AG 2009, 517 [524]).

Bei börsennotierten Gesellschaften darf auch die Hauptversammlung künftig mitreden. Sie kann ein -- allerdings unverbindliches -- Votum zum System der Vorstandsvergütung abgeben. So können die Aktionäre zumindest ihre Billigung oder Missbilligung aussprechen.

Eine weitere Neuerung: Ehemaligen Vorstandsmitgliedern wird der Weg in das Kontrollgremium für eine zweijährige Karenzzeit nach ihrem Ausscheiden verwehrt. Die Regelung gilt aber nicht, wenn die Wahl in den Aufsichtsrat auf Vorschlag von Aktionären erfolgt, die mehr als 25 % der Stimmrechte an der Gesellschaft halten (s. hierzu Thüsing, AG 2009, 517 [528]).

Besonders kontrovers diskutiert wird die Regelung im VorstAG, die einen Selbstbehalt bei Abschluss einer D&O-Versicherung vorschreibt. Dieser darf nach dem VorstAG nicht niedriger sein als das Eineinhalbfache der jährlichen Festvergütung. Parallel zum VorstAG hat die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) am 29.5.2009 einen obligatorischen Selbstbehalt in den DCGK aufgenommen (Einzelheiten dazu bei R. Koch, AG 18/2009 -- erscheint demnächst).

 

*              AG- und GmbHR-Redaktion.




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