Jan Tibor Lelley,
Rechtsanwalt, Essen*

Elektronische Kommunikation im Betrieb

Die elektronische Kommunikation bestimmt immer mehr den Alltag in Betrieben und Unternehmen. Die Anwendung von Internet, Intranet und Email sind aus der betrieblichen Praxis kaum mehr wegzudenken. Allerdings nehmen auch die rechtlichen Probleme beim Einsatz dieser neuen Medien zu. Für Arbeitgeber, Betriebsräte und Gewerkschaften kehren altbekannte Konflikte in neuer Gestalt wieder. Die Stichworte lauten hier: Zulässige Nutzung der neuen Medien durch Arbeitnehmer und Betriebsräte, digitale Gewerkschaftsrechte im Betrieb und Datenschutz.

I. Individual- und Kollektivarbeitsrecht

Grundsätzlich kann auch hier wie gewohnt zwischen Individual- und Kollektivarbeitsrecht unterschieden werden. In dem Bereich des Individualarbeitsrechts fällt die Nutzung bzw. der Mißbrauch von elektronischen Kommunikationsmitteln durch Arbeitnehmer und eine dementsprechende Kontrollbefugnis des Arbeitgebers. In dem Bereich des Kollektivarbeitsrechts fallen die digitalen Betriebsrats- und Gewerkschaftsrechte. Individualarbeitsrechtlich sind vielfältige Problemkonstellationen bei der Internetnutzung durch Arbeitnehmer aktuell. Da ist z.B. die Erledigung privater elektronischer Post vom Arbeitsplatz aus oder auch das Online-Banking oder der Aktienhandel online. Viele Reiseveranstalter offerieren zudem über das Internet interessante Angebote, die kurzfristige Reaktion erfordern. Mancher Arbeitnehmer ist hier versucht, den dienstlich zur Verfügung gestellten Internetanschluß auch schon in die diesbezügliche Urlaubsplanung einzubeziehen. Aber auch schwere Verstöße gegen arbeitsvertragliche Nebenpflichten, wie z.B. das Vertraulichkeitsgebot, sind bei der Internet-/Intranetnutzung denkbar. So hat z.B. das LAG Schleswig-Holstein am 15.11.1989 -- 5 Sa 335/89 bereits entschieden, daß eine verhaltensbedingte Kündigung einer Sekretariatskraft in Betracht kommt, wenn diese sich unerlaubter Weise Paßwörter zu einem Textverarbeitungsprogramms ihres Chefs verschafft und so Zugang zu vertraulichen Informationen erhält. Bezüglich der Frage einer Zulässigkeit des Surfen im Internet (eventueller Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten) weist Däubler (Internet und Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2002) zu Recht auf den bisherigen Diskussionsstand hin, der hier die für das private und dienstliche Telefonieren entwickelten Grundsätze entsprechend anwenden will. Es gibt also eine dienstliche, private und dienstlich veranlaßte Internet- bzw. Emailnutzung.

II. Internetnutzung durch Arbeitnehmer

Man kann als Grundsatz davon ausgehen, daß die private Nutzung von Email und Internet regelmäßig vom Arbeitgeber erlaubt werden muß. Allerdings soll eine solche Erlaubnis durch den Arbeitgeber auch konkludent erteilt werden können. Als Beispiel wäre hier zu nennen, daß im Betrieb die private Internet- bzw. Emailnutzung üblich ist (betriebliche Übung) oder daß der Arbeitgeber selber auf bestimmte nicht mehr betriebsbezogene Internetangebote hinweist. Die Rechtsprechung geht sogar noch weiter. So ist das ArbG Frankfurt a. M. der Ansicht, daß ein Arbeitnehmer davon ausgehen kann, er dürfe betriebliche elektronische Kommunikationsanlagen privat nutzen, so lange dies nicht größere Teile der Arbeitszeit in Anspruch nimmt und keine spürbare Kostenbelastung für den Arbeitgeber auslöst (ArbG Frankfurt a. M. v. 2.7.2002 -- 2 Ca 5340/02). Einschränkend fügt das ArbG Frankfurt a. M. noch hinzu, daß ein Arbeitnehmer ohne ausdrückliche Genehmigung (!) des Arbeitgebers nicht berechtigt ist, pornographische Seiten im Internet aufzusuchen und diese herunter zu laden. Anders ist die Rechtslage natürlich dann, wenn der Arbeitgeber die private Nutzung von Email und Internet im Betrieb generell untersagt hat (vergleichbar mit dem privaten Telefonieren). Das soll laut einer Umfrage der Zeitschrift Capital vom September 2001 z.B. bei Audi, BASF, Bayer, Bertelsmann, Commerzbank, Daimler-Chrysler, Deutsche Post, Giesecke & Devrient, Infineon und Siemens der Fall sein. Mit dem Verbot der privaten Nutzung erspart man sich auf Arbeitgeberseite im Konfliktfall eine langwierige Erörterung, ob und gegebenenfalls wie schwerwiegend durch die mißbräuliche Nutzung gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen wurde. Denn dann stellt die private Nutzung von Email und Internet regelmäßig eine Pflichtverletzung dar, die mit arbeitsrechtlichen Sanktionen belegt werden kann.

III. Kontrollmöglichkeiten des Arbeitgebers

Auf der anderen Seite stehen die zulässigen Kontrollen der Internet- und Emailnutzung durch den Arbeitgeber. In Anlehnung an die Rechtsprechung zum Telefonieren im Betrieb ist eine Inhaltskontrolle von Emails durch den Arbeitgeber regelmäßig unzulässig. Das gilt natürlich nicht, wenn z.B. der Verdacht auf Straftaten oder schwere anderweitige Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten vorliegt (immer wieder praxisrelevantes Beispiel ist der Verrat von Betriebsgeheimnissen). Nach der BAG-Rechtsprechung zur Telefondatenerfassung wird es allerdings zulässig sein, den Zeitpunkt der Absendung einer Email und die Zieladresse festzuhalten (BAG v. 27.5.1986 -- 1 ABR 48/84). Bei der Nutzung des Internet gilt ähnliches. Der Arbeitgeber hat hier natürlich zunächst die Möglichkeit, bestimmte Internetseiten sperren zu lassen und so die Nutzung durch die Arbeitnehmer von vorn herein zu verhindern. Im weiteren gilt, daß der Inhalt aus dem Internet herunter geladenen Dateien vom Arbeitgeber nicht überprüft werden darf. Anders verhält es sich, wenn ein überwiegendes Arbeitgeberinteresse besteht, vergleichbar der Inhaltskontrolle bei Emails; d.h. also z. B. strafbare Inhalte oder schwere Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten. In mitbestimmten Betrieben ist darüber hinaus zu beachten, daß von Arbeitgeberseite eingeführte Kontrolleinrichtungen regelmäßig § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterfallen. Auch auf EU-Ebene ist man zur Zeit bezüglich der Überwachung von elektronischer Kommunikation im Betrieb nicht untätig. So hat die Datenschutzarbeitsgruppe der Europäischen Kommission am 29.5.2002 ein Arbeitspapier betreffend die Überwachung der elektronischen Kommunikation am Arbeitsplatz heraus gegeben. Dieses Papier bezieht sich ausdrücklich auf die Überwachung von Email und Internetnutzung durch Arbeitnehmer. Es ist also damit zu rechnen, daß auf europäischer Ebene zumindest mittelfristig entsprechende Initiativen zur Regelung der Überwachung von elektronischer Kommunikation im Betrieb unternommen werden. Wohin hier die Reise eventuell gehen wird, zeigt der Vorschlag der Arbeitsgruppe, Arbeitnehmer mit zwei Email-Accounts auszustatten: Eins für berufliche Zwecke, das der Arbeitgeber dann überwachen dürfe und eins für private Zwecke, das nur in Ausnahmefällen überprüft werden könne.

IV. Digitale Betriebsrats- und Gewerkschaftsrechte

Nach der Neufassung des § 40 BetrVG wird sich ein Arbeitgeber schwer tun, seinem Betriebsrat einen Internetzugang zu verweigern. Zu sehr ist auch die tägliche Betriebsratsarbeit auf die Nutzung der neuen Medien angewiesen. Eine andere Frage ist es sicherlich, ob im Betriebsratsbüro und damit für den Arbeitgeber vom Nutzungsumfang faktisch nicht mehr unkontrollierbar, das Internet zur Verfügung gestellt werden muß. Als Alternative wäre denkbar, dem Betriebsrat zu bestimmten Zeiten an einem bestimmten Rechner Zugang zum Internet zu gewähren. Das wird aber immer von den jeweiligen betrieblichen Gegebenheiten abhängen.

In letzter Zeit liest man weiter immer häufiger von digitalen Gewerkschaftsrechten im Betrieb. Hier sollen Gewerkschaften das Recht haben, sich per Email an Arbeitnehmer eines Betriebs, z.B. zu Informations- oder Werbezwecken zu wenden. Weiter sollen Gewerkschaften im betrieblichen Intranet (also das betriebsinterne elektronische Kommunikationsnetzwerk) werben und informieren dürfen. Diese Meinung beruft sich vor allem auf die Entscheidung des BVerfG v. 14.11.1995 -- 1 BvR 601/92, die sich mit der Zulässigkeit von gewerkschaftlicher Werbung im Betrieb während der Arbeitszeit befaßte. Bei näherem Hinsehen ist von dieser Entscheidung aus Karlsruhe aber keineswegs jede Form der Gewerkschaftswerbung gedeckt. Es sind statt dessen die Grundrechte von Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Gewerkschaften zu berücksichtigen. Gewerkschaftliche Werbemaßnahmen sind daher nicht ohne weiteres zulässig. Das gilt auch für Werbung durch Email oder Intranet. Hier sollte man vor allem daran denken, daß die Versendung von Werbe- oder Info-Emails an Arbeitnehmer während der Arbeitszeit zu einer Beeinträchtigung der betrieblichen Arbeitsabläufe führen kann. Dazu kommt die Inanspruchnahme von Eigentum des Arbeitgebers, die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur sehr eingeschränkt zulässig ist. Ingesamt kann daher keine Rede davon sein, daß digitale Gewerkschaftsrechte im Betrieb schrankenlos gewährt und vom Arbeitgeber hinzunehmen sind.

 

 

* Buse Heberer Fromm, Rechtsanwälte und Notare.

 


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