Dr. Wolfgang Leibner, LL.M.,
RA / FAStR / FAInsR / Mediator,
Langenhagen

Der Steuerberater als Krisen- und Insolvenzberater

I. Vorbemerkung

Die nach wie vor hohe Anzahl von Insolvenzen führt dazu, daß steuerliche Berater verstärkt mit Beratungsfragen bei krisenhaften, bzw. insolvenzgefährdeten Unternehmen konfrontiert werden. Drei Bereiche sind dabei in der Praxis von besonderer Relevanz: die Beratungsgestaltung mit dem Mandanten in der insolvenznahen Zeit, Haftungsrisiken bei der insolvenznahen Beratung und schließlich die Honorarsicherung. Nachstehend werden einige Aspekte zu diesen Fragen exemplarisch angesprochen (weitere Einzelheiten s. bei Leibner, Der Steuerberater als Krisen- und Insolvenzberater, 2004).

II. Insolvenznahe Beratung

Unter der insolvenznahen Beratung wird die Mandantenbetreuung in der Unternehmenskrise verstanden. Dabei ist zwischen dem juristischen und dem betriebswirtschaftlichen Krisenbegriff zu differenzieren. Nach dem juristischen Krisenbegriff ist eine Unternehmenskrise gegeben, wenn Insolvenztatbestände vorliegen, also die drohende Zahlungsunfähigkeit, die Zahlungsunfähigkeit oder aber die Überschuldung. Nach dem betriebswirtschaftlichen Krisenbegriff liegt eine Unternehmenskrise vor, wenn sich die Ressourcen des Unternehmens so ungünstig entwickeln, daß die Existenz des Unternehmens bedroht ist.

In der Praxis besonders problematisch und sehr risikobehaftet ist die insolvenznahe Beratung, die während der juristischen Krise -- also bei Insolvenzreife und damit regelmäßig bestehender Insolvenzantragspflicht -- stattfindet. Zu diesem Zeitpunkt besteht ein erheblicher Zeit- und Erfolgsdruck. Oft stellen sich rechtliche Fragen aus den vielfältigsten Gebieten, die in der Kürze der Zeit zumeist nicht abschließend geklärt werden können. Neben den regelmäßig gegebenen betriebswirtschaftlichen Problemen sind psychologische und mentale Probleme bei den Betroffenen zu berücksichtigen. Diese sind vielfach nicht bereit -- oder in der Lage -- die durch die rechtlichen Rahmenbedingungen vorgegebenen Grenzen bei der Lösungssuche zu akzeptieren, nicht zuletzt deswegen, weil sie ihre eigene wirtschaftliche Existenz untrennbar mit dem Überleben des Unternehmens verknüpft haben. Von daher werden dann von den Betroffenen nur solche Vorschläge des Beraters akzeptiert, die auf eine Vermeidung des Insolvenzverfahrens und eine außergerichtlichen Sanierung hinaus laufen. Für den Berater stellt sich in dieser Situation sehr bald die Problematik, ob und ggf. wie das Mandat überhaupt (weiter) geführt werden kann, bzw. ab wann zivil- und strafrechtliche Risiken auch für ihn drohen.

III. Haftungsrisiken

Neben den allgemeinen haftungsrechtlichen Risiken sind einige insolvenzspezifische Umstände besonders zu beachten. Gem. § 115, § 116 und § 117 InsO erlöschen Aufträge, Geschäftsbesorgungsverträge und Vollmachten -- die sich auf die Insolvenzmasse beziehen -- mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Hierbei hat der steuerliche Berater jedoch insbesondere die Regelung des § 115 Abs. 2 InsO zu berücksichtigen, nach der er unter Umständen gehalten ist, zur Abwendung von Gefahren die Geschäfte zunächst weiter zu betreiben, sog. Notgeschäftsführung. Dies ist z.B. gegeben, wenn andernfalls die Versäumung von Ausschlußfristen droht. Für den steuerlichen Bereich ist in diesem Zusammenhang dann weiter zu untersuchen, ab wann anhängige Finanzgerichtsverfahren unterbrochen werden. Gem. § 155 FGO i.V.m. § 240 ZPO ist dies stets mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Fall. Entsprechendes gilt auch für die außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren gem. §§ 347 ff. AO in analoger Anwendung des § 240 ZPO. Während der Insolvenzantragsphase dagegen tritt eine entsprechende Unterbrechung nur dann ein, wenn ein sog. "starker" vorläufiger Insolvenzverwalter durch das Gericht eingesetzt wird.

Für die Praxis bedeutet dies, daß der steuerliche Berater während der Insolvenzantragsphase die Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters unverzüglich klären muß und weiterhin festzustellen hat, in welchen Verfahren Fristabläufe möglicherweise während der Antragsphase drohen oder ob die entsprechenden Verfahren ggf. bereits gem. § 240 ZPO unterbrochen sind. Ist dies nicht der Fall, hat der Steuerberater entsprechende Vorkehrungen zu treffen, wenn er nicht erheblichen Haftungsrisiken begründen will. Dies gilt insbesondere auch mit Blick auf die Vorschrift des § 166 AO (vgl. zu Einzelheiten Leibner/Pump, AO-StB 2003, 118 ff.).

Neben der allgemeinen Haftung des Beraters gegenüber seinem Mandanten aus dem Beratungsvertrag ist bei der Tätigkeit in der Krisen- und Sanierungsphase die mögliche Haftung gegenüber Dritten von zentraler Bedeutung. Dies betrifft die Haftung aus Verträgen mit Schutzwirkung zugunsten Dritter sowie aus Auskunftsverträgen. Angesprochen sind damit namentlich vom steuerlichen Berater geführte bzw. begleitete Verhandlungen mit Banken und anderen Großgläubigern.

IV. Honorarsicherung

Die Honorarsicherung im Zusammenhang mit der insolvenznahen Beratung setzt eine vertiefte Kenntnis des Anfechtungsrechts gem. §§ 129 ff. InsO voraus. Das Ziel der Insolvenzanfechtung ist es, solche Rechtshandlungen rückgängig zu machen, die in aller Regel vor Verfahrenseröffnung liegen und daher zivilrechtlich wirksam sind, die aber den Bestand der zukünftigen Insolvenzmasse verringert haben und die Gesamtheit der Insolvenzgläubiger benachteiligen. Deshalb entsteht ggf. nach § 143 InsO ein Anspruch auf Rückgewähr dessen, was aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners veräußert, weggeben oder aufgegeben worden ist. Für den steuerlichen Berater bedeutet dies, daß Honorarzahlungen in dieser Zeit unter dem Risiko einer späteren Anfechtung durch den Insolvenzverwalter meist nach § 130, § 131 InsO stehen. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn die Vorschrift des § 142 InsO für Bargeschäfte eingreift. Hierfür ist jedoch erforderlich, daß die Leistung des Schuldners in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung des Gläubigers steht. Weiterhin müssen beide Leistungen in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgen. Die Leistungen müssen schließlich auch im schuldrechtlichen Sinne durch die Vereinbarung der Parteien miteinander verknüpft sein. Nicht erforderlich ist dagegen, daß die Leistung des Schuldners durch eine tatsächliche Barzahlung erfolgt. Das Honorar des steuerlichen Beraters im Rahmen eines Sanierungsversuchs, das in angemessener Höhe zeitnah gezahlt wird, unterliegt also dem Bargeschäft (§ 142 InsO), wenn der Sanierungsversuch nicht von Anfang an objektiv ungeeignet ist und vielmehr ausreichende Chancen für einen erfolgreichen Abschluß bestehen.

Schließlich ist bezüglich der Honoraransprüche des steuerlichen Beraters aus der vorinsolvenzlichen Zeit zu beachten, daß diese kein Zurückbehaltungsrecht an Mandantenunterlagen gegenüber dem Insolvenzverwalter begründen.

V. Zusammenfassung

Zusammenfassend ist festzustellen, daß gerade die insolvenznahe Beratung haftungsträchtig ist und auch die Honorarrealisierung für den Berater besonderen Schwierigkeiten begegnet.


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