Jochen Busch / Urs Bernd Brandtner,           
Steuerberater, München*

Die neue Abgeltungsteuer

Einführung

Das Gesetz zur Unternehmensteuerreform 2008 (BGBl. I 2007, 1912) hat mit der Einführung der Abgeltungsteuer zum 1.1.2009 die Systematik der Besteuerung von Kapitalanlagen im Privatvermögen grundsätzlich verändert. Ihr unterliegen neben den erweiterten Einkünften aus Kapitalvermögen künftig auch fristenunabhängig Veräußerungsgeschäfte aus Wertpapieren und Finanzinstrumenten. Der Steuersatz beträgt 25 %, zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer. Bei einem Kirchensteuersatz von 8 % beläuft sich die Gesamtsteuerbelastung auf Anlegerebene künftig einheitlich auf 27,82 % -- anstelle von aktuell bis zu 49,30 %. Der Schuldner oder die auszahlende Bank im Inland behalten die Abgeltungsteuer direkt an der Quelle ein und führen sie an den Fiskus ab. Damit ist die Steuerschuld des Anlegers abgegolten. Eine Berücksichtigung in der Steuererklärung ist dann nicht mehr notwendig. Abgeltungsbesteuerte Einkünfte werden aus den übrigen Einkunftsarten ausgesondert und haben keine Auswirkung auf die Steuerprogression. Sofern die persönliche Steuerbelastung unter dem Abgeltungsteuerniveau liegt, kann der Anleger die Steuerveranlagung wählen.

Im Gegenzug wurde das Halbeinkünfteverfahren für Dividenden und Veräußerungen von Kapitalgesellschaftsanteilen im Privatvermögen abgeschafft. Verluste aus Kapitalvermögen lassen sich nur noch mit entsprechenden Überschüssen verrechnen, Aktienverluste nur noch mit Aktiengewinnen. Der Abzug von Werbungskosten entfällt ganz.

 

Abgeltungsteuerpflichtige Erträge

Die Abgeltungsteuer wird grundsätzlich einbehalten, entfaltet ihre Abgeltungswirkung jedoch nur im Privatvermögen. Sonst wird sie angerechnet. Kapitaleinkünfte, die zu anderen Einkunftsarten gehören, werden nach wie vor dort erfasst.

Die Einkünfte aus Kapitalvermögen werden neu definiert und ausgeweitet, z.B. um Termin- und private Veräußerungsgeschäfte. Bestimmte Kapitalerträge sind jedoch von der Abgeltungsteuer nicht betroffen.

Thesaurierende Investmentfonds bleiben privilegiert, Veräußerungsgewinne auf Fondsebene bleiben steuerfrei, solange sie nicht ausgeschüttet werden (Steuerstundung).

Veräußerungsgewinne von Kapitalanlagen sind künftig unabhängig von der Haltedauer (bei Wertpapieren) oder dem Zeitpunkt der Beendigung des Geschäfts (bei Termingeschäften) abgeltungsteuerpflichtig. Als Veräußerung gelten künftig u.a. auch die Einlösung, die Rückzahlung und die verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft. Auch die Abtretung der Ansprüche zählt als Veräußerung, Sicherungsabtretungen sind jedoch ausgenommen.

Anders als bisher fließen Devisenkurserfolge bei Fremdwährungsanlagen in die Berechnung der steuerpflichtigen Erträge generell ein.

Nicht der Abgeltungsteuer unterliegen Erträge aus privaten Darlehen, typischen stillen Beteiligungen, partiarischen Darlehen und sonstigen Kapitalforderungen zwischen nahe stehenden Personen, sog. Back-to-Back-Finanzierungen und Darlehen von Gesellschaftern mit mind. 10 % Beteiligung an der darlehensempfangenden Kapitalgesellschaft. Diese sind der regulären Besteuerung zu unterwerfen, vor allem deshalb, um Steuergestaltungen einzudämmen, die das Steuersatzgefälle zwischen Betriebs- und Privatvermögen ausnutzen wollen. Die privaten Veräußerungsgeschäfte i.S.d. § 23 EStG sind aber nicht gänzlich abgeschafft, u.a. bei Immobilien gelten die bisherigen Regeln fort.

 

Werbungskosten

Bei Einkünften, die der Abgeltungsteuer unterliegen, ist ein Werbungskostenabzug nicht mehr möglich. Es wird ein neuer Sparer-Pauschbetrag i.H.v. 801 € gewährt. Bei Investmentfonds bleibt es bei den bisherigen Regelungen des InvStG, Werbungskosten können auf Fondsebene abgezogen werden. Stark betroffen werden vor allem Anleger mit fremdfinanzierten Kapitalanlagen oder Family Offices sein, bei denen bisher Kreditzinsen und die Kosten des Family Office -- jedenfalls grundsätzlich -- Werbungskosten waren.

 

Verluste

Bei Verlusten ändert sich die Rechtslage vollständig. Verluste aus abgeltungsbesteuerten Kapitaleinkünften lassen sich nur noch mit Gewinnen aus Kapitaleinkünften verrechnen.

Auch Banken sind betroffen, diese müssen für jeden Anleger einen Verlustverrechnungstopf führen, in den gezahlte Zwischengewinne und Stückzinsen sowie Veräußerungsverluste einfließen und mit positiven Kapitaleinkünften verrechnet werden. Nicht ausgeglichene Verluste können vor-, aber nicht zurückgetragen werden.  Veräußerungsverluste aus Aktien unterliegen einer  verschärften Verrechnungsbeschränkung. Aktienverluste (nicht aber die aus Aktienfonds, Zertifikaten o.ä.) dürfen lediglich mit Aktiengewinnen verrechnet werden. Die depotführende Bank führt also neben dem allgemeinen Verlustverrechnungstopf einen separaten Aktien-Verlustverrechnungstopf. Ein verbleibender Überhang wird auf das Folgejahr vorgetragen.

Nicht ausgeglichene Altverluste aus privaten Veräußerungsgeschäften aus Anschaffungen vor dem 1.1.2009 werden im Zeitraum bis Ende 2013 vorrangig mit abgeltungsteuerpflichtigen Veräußerungsgewinnen verrechnet. Nach dieser Übergangszeit verbleibende Altverluste lassen sich nur noch mit steuerpflichtigen Gewinnen aus privaten Immobilienverkäufen und sonstigen Realkapitalanlagen verrechnen.

 

Steuererhebung

Grundsatz Quellenbesteuerung

Der inländische Schuldner bzw. die auszahlende Bank ist grundsätzlich verpflichtet, die Abgeltungsteuer an der Quelle einzubehalten und abzuführen. Anrechenbare ausländische Quellensteuern werden beim Steuereinbehalt automatisch angerechnet.

Sofern der Depotinhaber der Bank nicht mitteilt, dass es sich um einen unentgeltlichen Vorgang handelt und diese dies dem Fiskus nicht anzeigt, muss die Bank bei Depotüberträgen zwischen verschiedenen Steuerpflichtigen künftig Abgeltungsteuer einbehalten.

Abgeltungsteuerpflichtige Kapitaleinkünfte werden aus den übrigen sechs Einkunftsarten ausgesondert und  beeinflussen die Steuersatzprogression nicht mehr. Dies kann sich bei hohen Kapitaleinkünften positiv, bei Verlusten aus Kapitalvermögen hingegen nachteilig auswirken.

Abgeltungsteuerpflichtige Kapitaleinkünfte sind jedoch z.B. bei der Berechnung der zumutbaren Belastung bei den außergewöhnlichen Belastungen und für außersteuerliche Einkommensermittlungen jedoch nach wie vor zu berücksichtigen.

 

Ausnahme Steuerveranlagung

Der Grundsatz der abgeltenden Steuererhebung an der Quelle wird in einigen Fällen durchbrochen. In diesen Fällen besteht dann entweder das Recht oder die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung. Je nachdem, um welche Kapitaleinkünfte es sich handelt, werden diese mit dem Abgeltungsteuersatz oder dem individuellen Steuersatz nachversteuert.

Kapitaleinkünfte, für die an der Quelle keine Abgeltungsteuer einbehalten wurde (z.B. Auslandskonten), müssen im Rahmen der Pflichtveranlagung erfasst werden.

Im Rahmen der Pflichtveranlagung zum persönlichen Steuersatz sind Kapitaleinkünfte zu erfassen, die zu einer anderen Einkunftsart gehören oder die Kapitalerträge, die vom sachlichen Anwendungsbereich der Abgeltungsbesteuerung ausgenommen sind. In diesem Fall sind damit in Zusammenhang stehende Werbungskosten weiterhin abzugsfähig.

Um Spekulationsaltverluste berücksichtigen zu können, sollte der Anleger sein Veranlagungswahlrecht zum Abgeltungsteuersatz ausüben. Ferner kann auf diese Weise ein nicht ausgeschöpfter Verlustverrechnungstopf einer Bank mit positiven Kapitaleinkünften eines anderen Kreditinstituts verrechnet oder eine infolge unterlassener Unterrichtung der Bank bei einer Depotschenkung einbehaltene Abgeltungsteuer erstattet werden.

Nur auf Antrag ermittelt das Finanzamt im Rahmen einer sog. Günstigerprüfung, ob sich für den Steuerpflichtigen eine geringere individuelle Steuer als bei Anwendung des Abgeltungsteuersatzes ergibt. Ist dies nicht der Fall, gilt der Antrag als nicht gestellt.

 

Sonstige Verfahrensänderungen

Die Pflicht zur Ausstellung der Jahresbescheinigung gem. § 24c EStG entfällt ab 2009. Der Kontenabruf durch Finanzbehörden, sonstige Behörden und Gerichte ist nur noch in bestimmten, abschließend aufgezählten Tatbeständen zulässig. Die Tatbestände sind z.T. weitgehend, etwa zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern.

 

Zeitliche Anwendung

Die Abgeltungsteuer gilt im Grundsatz für alle Kapitaleinkünfte, die nach dem 31.12.2008 zufließen. Bei Wertpapieren, sonstigen, nicht als Finanzinnovation einzustufenden Kapitalforderungen und Termingeschäften, die vor dem 1.1.2009 angeschafft worden, bleibt es jedoch bei dem derzeitigen Steuerregime. Private Veräußerungsgeschäfte außerhalb der Jahresfrist bleiben in dem Fall steuerfrei. Eine Sonderregelung gibt es für nicht kapitalgarantierte Zertifikate. Anleger profitieren hiervon gleichwohl nur, sofern sie das Zertifikat vor dem 15.3.2007 erworben haben. Anderenfalls unterliegt ihre Veräußerung oder Einlösung nach dem 30.6.2009 der Abgeltungsteuer.

Kursgewinne aus vor 2009 erworbenen verzinslichen Kapitalforderungen bleiben bei Einlösung bzw. Rückzahlung ebenfalls steuerfrei, sofern sie innerhalb der Disagiostaffel emittiert wurden.

Das Fondsprivileg von Investmentfonds bleibt für alle Anschaffungen auf Fondsebene vor dem 1.1.2009 erhalten, selbst wenn die sich daraus ergebenden Veräußerungsgewinne erst später an den Anleger ausgeschüttet werden. Die Steuerfreiheit dieser ausgeschütteten Veräußerungsgewinne gilt auch für Anleger, die Anteile an dem Investmentfonds erst nach dem 31.12.2008 erwerben. Bei späterer Veräußerung der Fondsanteile erfolgt allerdings indirekt eine Nachversteuerung.

 

*  RP RICHTER & PARTNER.

 




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