Robin Melchior,
Richter am Amtsgericht, Berlin

Auswirkungen des Justizkommunikationsgesetzes auf die GmbH

Die Bundesregierung hat im Mai dieses Jahres einen Referentenentwurf für ein Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz -- JKomG) vorgelegt. Gegenstand des Gesetzentwurfs sind in der Hauptsache Anpassungen der Verfahrensordnungen an die Erfordernisse einer elektronischen Aktenbearbeitung. Versteckt unter dieser Überschrift enthält der Entwurf auch Änderungen im Bereich des Unternehmensrechts. Mit dem Ziel, das elektronische Dokument allgemein als Äquivalent zum Papierdokument zu etablieren, werden die Regelungen über die Bekanntmachungen der GmbH und über die Notartätigkeit in Zusammenhang mit Bescheinigungen (z.B. über die Vertretungsbefugnisse bei einer Gesellschaft) novelliert.

Elektronischer Bundesanzeiger als Bekanntmachungsblatt

Das Transparenz- und Publizitätsgesetz von 2002 hat den elektronischen Bundesanzeiger (www.ebundesanzeiger.de) für die Unternehmensmitteilungen bei der AG zum 1.1.2003 eingeführt. Um die Bekanntmachungsvorschriften zu vereinheitlichen und um den Sprachgebrauch anzugleichen, ist die Einführung eines § 12 GmbHG vorgesehen, wonach Bekanntmachungen der GmbH im elektronischen Bundesanzeiger erfolgen, wenn das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag für bestimmte Fälle eine Bekanntmachung durch die Gesellschaft bestimmen (Abs. 1). Daneben kann der Gesellschaftsvertrag andere öffentliche Blätter oder elektronische Informationsmedien als Gesellschaftsblätter bezeichnen (Abs. 2). Die Bekanntmachungsblätter werden mit dem allgemeinen Begriff "Gesellschaftsblätter" bezeichnet. Die gesetzliche Festlegung des elektronischen Bundesanzeiger als Basis-Gesellschaftsblatt der GmbH entspricht dann -- zumindest auf den ersten Blick -- der Rechtslage bei der AG seit Anfang diesen Jahres.

Gegenstand des neuen § 12 GmbHG sind nicht die Bekanntmachung des Registergerichts über den Inhalt der Eintragungen in das Handelsregister; hier bleibt es bei der Veröffentlichung im Papier-Bundesanzeiger und in den nach § 11 HGB, § 11 HRV bestimmten Tageszeitungen. Der Gesellschaftsvertrag der GmbH kann die Bekanntmachungsblätter des Registergerichts auch künftig nicht abweichend bestimmen.

Gesetzliche Bekanntmachungen durch die GmbH

Der neue § 12 GmbHG betrifft folgende Fälle, bei denen das Gesetz wegen nicht unerheblicher Gläubigerinteressen eine Veröffentlichung durch die Gesellschaft selbst vorsieht. Das sind Bekanntmachungen betreffend

-- Gläubigeraufruf in der Liquidation (§ 65 Abs. 2 GmbHG),

-- Kapitalherabsetzungen (§ 58 Abs. 1 Ziff. 1 GmbHG),

-- Rückzahlung von Nachschüssen (§ 30 Abs. 2 GmbHG) und

-- Veränderungen in der Besetzung von Aufsichtsräten (§ 52 Abs. 2 S. 2 GmbHG).

Die Bestimmung weiterer Veröffentlichungspflichten durch den Gesellschaftsvertrag dürfte bei der GmbH im Gegensatz zur AG zwar eher die Ausnahme sein. Wenn das aber wie z.B. bei einigen städtischen Wohnungsbaugesellschaften der Fall ist, dann ist zu beachten, daß solche Gesellschaften die Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen riskieren, wenn der Gesellschaftsvertrag zusätzlich die Einberufung zur Gesellschafterversammlung durch Bekanntmachung im Bundesanzeiger vorschreibt (analog § 241 Ziff. 1 AktG) und die Bekanntmachung im "falschen" Bundesanzeiger erfolgt.

Nach der bisherigen Rechtslage erfolgten die Unternehmensmitteilungen der GmbH in den öffentlichen Blättern, die

-- entweder im Gesellschaftsvertrag bestimmt waren oder

-- die -- in Ermangelung einer solchen Regelung des Gesellschaftsvertrags -- von dem Registergericht am Sitz der GmbH für die Bekanntmachungen aus dem Handelsregister nach § 11 HGB, § 11 HRV bestimmt worden sind: Bundesanzeiger und zumindest eine Tageszeitung, häufig aber auch mehrere Tageszeitungen.

Tageszeitung als Gesellschaftsblatt

Bereits eingetragene GmbHs haben in ihrem Gesellschaftsvertrag häufig nur ein einziges Blatt bestimmt, um so die höheren Kosten zu vermeiden, die anfallen würden, wenn man ohne ausdrückliche Regelung im Gesellschaftsvertrag die Veröffentlichung in allen vom Registergericht bestimmten Blättern vornehmen müßte. Hat eine solche Alt-GmbH eine Tageszeitung bestimmt, dann gilt diese Festlegung als Regelung i.S.d. § 12 Abs. 2 GmbHG weiter.

Bundesanzeiger-Klausel

Problematisch ist die Weitergeltung der in der Praxis und in den Formularbüchern weit verbreiteten Klausel: Bekanntmachungen der Gesellschaft erfolgen im Bundesanzeiger. Vor dem "Erscheinen" des elektronischen Bundesanzeigers konnte das nur die Papierfassung sein. Es ist nicht auszuschließen, daß Gesellschaften, die eine solche Bundesanzeiger-Klausel aus der Zeit vor Inkrafttreten des § 12 GmbHG haben, meinen, daß die Unternehmensmitteilungen fortan im elektronischen Bundesanzeiger zu erfolgen haben. Die Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger ist wesentlich leichter und kurzfristiger zu bewerkstelligen als in der Papier-Ausgabe. Außerdem ist sie zur Zeit noch kostenlos. Diese Verfahrensweise ist riskant. Denn sie setzt voraus, daß entweder die vorhandene Klausel als eigenständige Regelung nach § 12 Abs. 2 GmbHG in diesem "modernen Sinne" ausgelegt wird, oder daß die Klausel keine Geltung mehr beansprucht und künftig Bekanntmachungen nach § 12 Abs. 1 GmbHG im elektronischen Bundesanzeiger erfolgen.

Der Abkehr vom Papier-Bundesanzeiger liegt die Vorstellung zugrunde, daß die Papier-Fassung eingestellt sei und daß die elektronische Fassung so eine Art Rechtsnachfolge angetreten habe. Dem ist aber nicht so, weil es den Bundesanzeiger in beiden Formen gibt und auch auf absehbare Zeit so geben wird. Gegen eine solche Auslegung der Bundesanzeiger-Klausel bei Alt-GmbHs bestehen ferner deshalb Bedenken, weil eine solche Klausel Ausdruck eigenständigen Regelungswillens ist und die Veröffentlichung im Papier-Bundesanzeiger weiterhin möglich ist.

Ein Blick auf die Rechtslage bei der AG macht das deutlich: Bei der AG bestand schon immer die Pflicht, in der Satzung ein Bekanntmachungsblatt zu bestimmen. Die meisten AGs haben den Bundesanzeiger bestimmt, was aber nur eine Wiederholung des Gesetzeswortlauts war für die Fälle, in denen das AktG eine Bekanntmachung durch das Unternehmen anordnete. Deshalb wird der Bundesanzeiger-Klausel bei der AG kein eigener Regelungsgehalt unterstellt (Noack, BB 2002, 2026). Das ist bei der GmbH gänzlich anders, weil es überhaupt keine gesetzliche Pflicht gibt, im Gesellschaftsvertrag eine Bestimmung zum Bekanntmachungsorgan aufzunehmen. Noch deutlicher wird der Regelungswille, wenn die Klausel lautet: Bekanntmachungen der Gesellschaft erfolgen nur im Bundesanzeiger.

Wenn beabsichtigt ist, künftig nur noch die bequeme Form der Verlautbarung durch den elektronischen Bundesanzeiger zu wählen, dann hilft nur die Änderung des Gesellschaftsvertrags. Diese wird wohl auch im Fall der Gläubigeraufrufe in der Liquidation zulässig sein (§ 65 Abs. 2 GmbHG), weil diese Änderung nicht dem Zweck der Abwicklung entgegenläuft. Zu beachten ist, daß die Neubestimmung des Gesellschaftsblattes gemäß § 54 Abs. 3 GmbHG erst mit der Eintragung des Gesellschafterbeschlusses und nicht schon mit der Beschlußfassung wirksam wird.

Vertretungsnachweise in elektronischer Form

Die Vertretungsbefugnis von Geschäftsführer und Prokuristen wird im Geschäftsverkehr durch entsprechende Eintragungen im Handelsregister dokumentiert. Wird ein Vertretungsnachweis in urkundlicher Form benötigt, dann werden Auszüge aus dem Handelsregister nachgefragt; im elektronischen Handelsregister heißen diese Nachweise Ausdrucke und bei der Online-Einsicht Abdrucke. Als vollwertiger Vertretungsnachweis gerade bei bedeutsamen Geschäften kommt auch die Notarbescheinigung nach § 21 BNotO in Frage. Der Entwurf für das Justizkommunikationsgesetz bringt auch hier eine Neuerung. Die Notare können künftig derartige Bescheinigungen elektronisch errichten. Das hierzu erstellte Dokument muß mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen sein, die auf einem Zertifikat beruht, das dauerhaft überprüfbar ist.

Um dem praktischen Bedürfnis nach umfassenden Möglichkeiten des elektronischen Rechtsverkehrs unter gleichzeitiger Wahrung gerichtlicher und behördlicher Beweisanforderungen Rechnung zu tragen, eröffnen die neuen § 39a, § 42 Abs. 4 BeurKG ferner die Möglichkeit, Ausdrucke elektronischer Dokumente durch den Notar beglaubigen zu lassen, was unter Umständen den Gang zu Behörden erspart. Neben der Abschriftsbeglaubigung (eines elektronischen Dokuments) erfaßt die Novelle auch die Beglaubigung anderer elektronischer Dokumente, wie z.B. die Überführung eines elektronischen Dokuments in ein anderes Format oder den Transfer von einem Papierdokument (Genehmigung nach § 34c GewO, Meisterbrief oder Gastättenkonzession) in ein elektronisches. Der Gesetzentwurf verpflichtet die Notare, bis zum 1.4.2005 die hierfür notwendigen technischen Voraussetzungen für die elektronische Beglaubigungstätigkeit zu schaffen.